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stieß nur hervor: „Das ist mal eine geile Karre!“ Martina und Rita schauten sich kichernd an.

      Bommer blieb vor dem Vierertisch stehen und musste wegen der Sonne blinzeln. „Hallo Fredi, hallo Borowka.“ Martina und Rita bedachte er mit einer angedeuteten Verbeugung. „Die Damen.“

      „Setz dich doch, Bernie“, sagte Fredi. Borowka versetzte ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein. „Aua!“

      „Ja, komm, hol dir ein Stuhl“, setzte Rita nach. Genau wie Martina mochte sie den quirligen Kerl, der immer gute Laune zu haben schien.

      „Warum nicht?“, sagte Bommer, holte sich vom Nebentisch einen Plastikstuhl und nahm Platz. „Was für ein Wetter, oder? Ich wollte mir hier bei Rosi noch schnell zwei Flaschen Cola holen für heute Abend. Rosi“, brüllte er Richtung Theke, „bring mir doch bitte ein kleines Weizen! Und für die vier Hübschen hier auch noch mal eine Runde. Ach, und noch eine Bratrolle spezial. Für hier zu essen.“ Rosi nickte. Bommer wandte sich wieder an seine Tischnachbarn: „Für hier zu essen. Ist doch richtig, oder? So langsam lerne ich eure Sprache.“ Er lachte. Auch Martina und Rita prusteten los. Selbst Fredi lachte nach einem kurzen Seitenblick auf Martina, auch wenn er den Witz nicht verstanden hatte. Nur Borowka verzog genervt das Gesicht. Bommer bemerkte das. Er schlug ihm freundschaftlich auf den Oberschenkel und sagte salopp: „Was ist los, Borowka? Schlechte Laune?“

      „Ach der. Der ist schon seit Tagen total muffelig“, warf Rita ein.

      Borowka merkte, dass er in die Defensive geriet. Um nicht als Spielverderber dazustehen, sagte er: „Kann schon sein. Wird Zeit, dass die Sommerpause vorbei ist. Zum Glück ist Mittwoch das Freundschaftsspiel gegen Kleinwehrhagen.“

      „Hast du schon eine Wohnung gefunden?“, versuchte Martina das Gespräch wieder vom Fußball wegzulenken. Bommer wendete sich ihr zu. „Nee, leider nicht. Ist gar nicht so einfach. Ich werd wohl noch eine Weile beim Harry über der Kneipe wohnen. Ist aber kein Problem. Das ist ein richtig netter Kerl.“

      „Und du sitzt an der Quelle“, platzierte Borowka einen Scherz, um zu demonstrieren, dass er alles andere als eine trübe Tasse war. Dabei stieß er Fredi feixend mit dem Ellenbogen in die Seite.

      „Aua!“

      „Wo hast du denn das coole T-Shirt her?“, fragte Rita unvermittelt. Borowka blieb das Lachen im Hals stecken.

      Bevor Bommer antworten konnte, kam Rosi mit einem Tablett an den Tisch geschlurft. Dabei rieben ihre Oberschenkel, die sie in viel zu enge Leggings gezwängt hatte, wie Schmirgelpapier aneinander. Ihre käsigen Füße steckten in ausgetretenen weißen Birkenstock-Sandalen. Sie keuchte leise vor sich hin. Die Hitze machte ihr sichtbar zu schaffen. Mit ihrer fleischigen, weißen Hand nahm sie die Getränke vom Tablett und stellte sie auf den Tisch. Zuletzt setzte sie vor Bommer eine längliche Plastikschale ab. Darin lag eine Bratrolle, die in Ketchup und Mayonnaise schwamm. Darüber waren frische Zwiebeln gestreut. Rosi steckte noch eine weiße Plastikgabel in die Wurst. „Einmal Bratrolle spezial für hier zu essen. Aber nachher kommst du rein, Bernie: für drinnen zu bezahlen.“

      Der ganze Tisch brach in lautes Gelächter aus. Auch Borowka lachte pro forma mit, während er Bommer mit festem Blick fixierte. Du musst mal schwer aufpassen, Junge, sonst hängt der Kiefer tiefer, dachte er.

       7

      Sonntag, 12. Juli, 16.10 Uhr

      Kommissar Kleinheinz hatte sein Laptop aufgeklappt und einen kleinen tragbaren Drucker auf den Tisch gestellt. Er sah Frau Thönnissen beruhigend in die Augen und strich ihr über die leicht zitternde Hand. „Machen Sie sich keine Sorgen. Es dauert nicht lang.“ Nachdem Kleinheinz sich davon überzeugt hatte, dass die alte Dame vernehmungsfähig war und auch bereit, mit ihm über den gestrigen Vorfall zu sprechen, hatten sie sich auf ihren Wunsch hin in einer kleinen abgemauerten Nische des großen Saals einander gegenübergesetzt, um sich zu unterhalten. Kleinheinz hätte zwar ein abgeschlossenes Zimmer vorgezogen, doch er wollte die alte Frau nicht einem größeren Stress aussetzen als nötig. Ein wenig beunruhigte es ihn zwar, dass sich der zuvor leere Saal zunehmend füllte, aber dennoch konnten sie in ihrer Ecke trotz des leichten Gemurmels ungestört sprechen. Um ihr die Aufregung zu nehmen, schlug er einen sonoren Ton an: „Wenn es Ihnen zu viel ist, komme ich auch gerne an einem anderen Tag wieder.“

      „Ach was“, sagte sie tapfer, „bringen wir es hinter uns. Ich habe in meinem Leben schon so viel mitgemacht, dann werde ich das auch noch überleben.“

      Kleinheinz nickte. „Bevor wir anfangen, muss ich Sie belehren, dass ich Sie als Zeugin in einer Strafsache vernehme. Als Zeugin haben Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht, das heißt, Sie sind nicht verpflichtet, Angaben zu machen. Des Weiteren müssen Sie sich als Zeugin nicht selbst belasten und Sie müssen keine Angaben über Personen machen, die in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Ihnen stehen. Und Sie müssen selbstverständlich die Wahrheit sagen. Haben Sie das verstanden?“

      „Ich bin zwar alt, aber nicht senil“, erwiderte sie leicht gereizt.

      „Natürlich nicht“, lächelte Kleinheinz. „Ich möchte eine Vernehmung mit Ihnen durchführen über das, was Sie gestern Morgen im Geschäft von Hans-Peter Eidams gesehen, gehört oder wahrgenommen haben. Vielleicht schildern Sie mir zuerst mal in eigenen Worten, was genau passiert ist.“

      Ihre Stimme zitterte leicht, als sie begann: „Ich wollte gerade an der Theke zwei Dosen Ravioli bezahlen, als die Ladentür aufgerissen wurde. Ein Mann mit so einer schwarzen Kapuze über dem Kopf, wie Motorradfahrer sie anhaben, brüllte plötzlich: ,Geld raus!’ Dann ist der Hansi um die Theke herumgekommen und hat zu dem Mann gesagt: ,Verschwinden Sie.’ Danach ging alles sehr schnell. Sie haben sich irgendwie geschubst, der Hansi hat dem Mann die Kapuze vom Kopf gezogen und plötzlich hatte der Mann eine Pistole in der Hand und hat sie dem Hansi vor die Brust gehalten.“ Sie stockte. Dann kramte sie umständlich ein Stofftaschentuch heraus und tupfte sich ein paar Tränen ab. Sie schluchzte noch mal kurz, dann sprach sie schleppend weiter: „Der Hansi wusste gar nicht, was los war. Dann hat der Mann mich auf Seite geschubst und ich bin gefallen. Als ich hochgucke, sehe ich, wie Hansi das Gesicht verzieht und sich die rechte Schulter festhält.“

      „Das heißt, Sie haben keinen Schuss gehört?“

      „Nein. Gar nichts.“

      „Ist Ihnen an der Pistole irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?“

      „Die war vorne sehr lang.“

      „Ein Schalldämpfer“, murmelte Kleinheinz leise vor sich hin und tippte alles ein. „Was ist dann passiert?“

      „Der Hansi hat auf dem Boden gelegen und geschrien. Der Mann hat in aller Seelenruhe das Geld aus der Kasse genommen, in eine Tüte gepackt und ist gegangen. Draußen ist er auf ein Motorrad gestiegen und weggefahren.“

      „Wissen Sie zufällig, was für ein Motorrad das war? Eine bestimmte Marke?“

      „Nein. Ein ganz normales Motorrad.“

      „Konnten Sie das Kennzeichen lesen?“

      „Nein. Ich habe nur gesehen, dass es ein gelbes Nummernschild war.“

      „Holländisches Nummernschild“, tippte Kleinheinz in seinen Computer. „Was ist dann passiert?“

      „Das weiß ich alles gar nicht mehr so genau. Der Hansi hat geblutet und gestöhnt. Und dann muss ich wohl mit dem Telefon auf der Theke die 110 angerufen haben. Obwohl ich mich da gar nicht mehr dran erinnern kann.“

      „Ihr Notruf ging um 8 Uhr 23 bei uns ein. Sie haben sehr verwirrt geklungen. Kein Wunder, Sie standen unter Schock. Ich würde noch gerne wissen ...“

      Mitten im Satz setzte plötzlich ohrenbetäubende Musik ein, die aus dem großen Saal kam. Kleinheinz zuckte heftig zusammen und Frau Thönnissen sah interessiert auf. Ihre Miene erhellte sich, und das, obwohl grauenhafte Akkordeonmusik erklang.

      Kleinheinz sprang auf und schaute aus der Nische heraus. Er konnte nicht in den

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