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brach in sein typisches schepperndes Gelächter aus. Erst als Marlene mal wieder mit großer Geste und schneidendem Blick ihre Arme vor der Brust verschränkte, erstarb das Lachen und der Landwirt erhob sich mit einer schnellen Bewegung von der Eckbank. „Ähm, wo ist denn die Leine?“, lenkte er im Angesicht des drohenden Gewitters geschickt ab. „Ich geh, glaube ich, mal eine Runde mit der Knuffi.“

      5

      Will trat vor die Tür und blinzelte in die Sonne, die hinter dem Haus von Jütten Toni aufgegangen war. Knuffi wollte gerade vor dem Rhododendronbusch sein rechtes Hinterbein heben, als Will am Bürgersteig Richard Borowka entdeckte und auf ihn zulief. Der kleine Hund sah sich entsetzt gezwungen, den Uriniervorgang abzubrechen und hetzte seinem Herrchen mit stolpernden Trippelschritten hinterher. Richard Borowka wartete ungeduldig vor der Einfahrt seines Hauses. Es machte ihn halb wahnsinnig, dass er seit dem Verlust seines Ford Capris auf Fredis Chauffeurdienste angewiesen war. Der gehörte nämlich nicht zu den Pünktlichsten, seit er sich ein nicht enden wollendes Verabschiedungsritual mit seiner Verlobten angewöhnt hatte.

      Will trat neben Borowka und kondolierte mit gesenkter Stimme: „Es tut mir so leid, Richard. Ich hab’s leider nicht mehr geschafft zur Seebestattung. Aber noch mal danke für die Einladung.“

      Borowka nickte mit zusammengepressten Lippen. Da ihm der Gedanke an seine große gelbe Liebe noch zu viele Stiche versetzte, versuchte er schnell das Thema zu wechseln. „Hör mal, was ist das für eine Scheiße mit der Kleinheinz? Meinst du, der hat die arme Bettina …?“

      „Nein, natürlich nicht“, schnitt Will ihm ein wenig zu laut das Wort ab, „das muss alles ein großer Irrtum sein.“

      „Und was ist mit der tote Mann?“

      Will zuckte kraftlos mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich kann mir das alles nicht erklären. Ein Tag vor der Tat habe ich mich noch mit der Peter unterhalten und da machte der ein ganz normaler Eindruck. Ich hoffe, dass ich bald mal mit dem reden kann.“

      „Wo ist der denn jetzt?“

      Will biss sich auf die Lippe. „Wenn ich das richtig verstanden habe, im Knast in Aachen, in Untersuchungshaft.“

      „Und da kannst du dem einfach besuchen?“

      „Na ja, so einfach wahrscheinlich nicht. Aber ich will mal mit der Kommissar Dohmen sprechen, ob der da für mich was deichseln kann.“

      „Der Dohmen muss wohl gerade hinten am Tatort sein. Ich hab beim Rausgehen mitgekriegt, wie Rita mit Billa Jackels dadrüber telefoniert hat. Da sind die wohl mit Bagger der Garten am umgraben.“

      Will starrte Richard mit großen Augen an. „Was ist los? Mit Bagger? Ich muss sofort da hin. Komm, Knuffi.“

      Borowka hielt den Landwirt an seinem Parka zurück.

      „Komm, wir nehmen dich mit. Wir müssen sowieso durch das Neubaugebiet. Da vorne kommt schon unser Taxi.“

      Im selben Moment schleuderte ein dunkler Citroen mit quietschenden Reifen um die Kurve. Am Steuer saß ein gestresster Fredi Jaspers, dem sein braunes Haar, das er hinten lang trug, wirr ins Gesicht flog. Satte vier Minuten Verspätung hatte er auf der Uhr. Borowka winkte seinen Kumpel mit ausgestrecktem Mittelfinger am Bürgersteig ein. Der kurbelte das Fenster runter und keuchte: „Tut mir leid, Borowka. Ich musste Sabrina noch …“

      „Ja, komm, erspar mir die Details“, ätzte Borowka, „geb lieber Gas. Wir müssen Will und Knuffi noch am Neubaugebiet absetzen.“

      Nachdem Will und Knuffi zwei Minuten später in der Goethegasse gegenüber dem Mordhaus aus Fredis Auto gestiegen waren, entschuldigte sich Will wortreich für den großen Urinfleck, den Knuffi auf dem Sitzbezug hinterlassen hatte, und versprach, den Schaden umgehend seiner Versicherung zu melden. Fredi winkte resigniert ab und setzte seine Fahrt fort. Da der lautstarke Anschiss seines Chefs Heribert Oellers ohnehin nicht mehr zu verhindern war, fiel die feuchte Hinterlassenschaft von Knuffi auch nicht mehr groß ins Gewicht – abgesehen vielleicht vom beißenden Geruch. Will streckte sich kurz und näherte sich dann dem diesmal unbewachten Absperrband, das den kompletten Vorgarten vor Schaulustigen schützte. Er passierte die mittlerweile geleerte Mülltonne des Nachbarhauses, die immer noch auf dem Bürgersteig stand, und band Knuffi am Laternenmast an. Verstohlen sah er sich um. Da er keinen Uniformierten entdeckte, hob er das Absperrband an und betrat das Grundstück von Bettina Hebbel und Kleinheinz. Fast lautlos glitt er mit seinen Gummistiefeln durch das morgentaubenetzte Gras und öffnete vorsichtig das kleine, schmiedeeiserne Gartentörchen, das rechts neben dem Haus auf die Terrasse führte.

      Hinter dem Haus ging es weitaus geschäftiger zu. Ein kleiner Bagger kurvte wild umher. Der rauchende Bauarbeiter darin hatte bereits mehrere Löcher ausgehoben, in denen Polizeibeamte mit langen Stangen herumstocherten. Ein Polizist mit vier silbernen Sternen auf der Schulterklappe stand mitten auf dem Rasen und brüllte Anweisungen in alle Richtungen. Die Vorstellung, dass gleich jemand „Hier ist was“ rufen könnte, gruselte Will so sehr, dass er gar nicht bemerkte, wie plötzlich jemand hinter ihn trat. Als sich eine Hand auf seine Schulter legte, zuckte er heftig zusammen. Schwer atmend drehte er sich um und sah in die blutunterlaufenen Augen von Kommissar Dohmen. Viel Schlaf schien der Mann nicht gehabt zu haben in der letzten Nacht. Entsprechend matt klang seine Stimme: „Herr Hastenrath, ich muss Sie wohl nicht belehren, dass Sie sich hier gar nicht aufhalten dürfen, oder?“

      „Und was machen Sie hier?“, erwiderte Will. „Sie haben mir doch selbst gesagt, dass Sie von der Fall abgezogen worden sind.“

      Dohmen nickte. „Das ist richtig. Aber der Staatsanwalt ist im Haus und es findet gerade eine Tatortvermessung statt. Und da ich Samstagnacht der Erste vor Ort war, soll ich dabei helfen.“

      „Und was soll das hier mit der Bagger?“

      Dohmen seufzte und zog den Landwirt ein wenig zur Seite. Leise sagte er: „Hören Sie. Ich kann Ihre Sorge verstehen. Mir geht es doch auch nicht anders. Aber alleine schon, dass Sie jetzt hier an einem abgesicherten Tatort stehen und ich mich mit Ihnen unterhalte, könnte mich meinen Kopf kosten. Unter uns – wir haben sogar die ausdrückliche dienstliche Anweisung erhalten, Sie auf Abstand zu halten.“

      Will sah ihn erstaunt an. „Anweisung? Von wem?“

      „Von unserem Vorgesetzten, Direktionsleiter Pimpertz.“ Will schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich kenn der Mann überhaupt nicht.“

      Dohmen sah sich verstohlen um und behielt seinen Flüsterton bei. „Aber unser Chef kennt Sie dafür umso genauer. Ihnen eilt, sagen wir mal, ein gewisser Ruf voraus. Und da Pimpertz offensichtlich Sorge hat, dass Sie die Ermittlungen behindern könnten, insbesondere wegen Ihrer engen Freundschaft zu Kommissar Kleinheinz, haben wir alle die klare Ansage, Sie genau im Auge zu behalten.“

      Will schürzte kampfeslustig die Lippen. „So ein Schwachsinn. Ich will Sie doch nur helfen, der Fall aufzuklären, damit der Peter so schnell wie möglich wieder aus dem Gefängnis kommt.“

      Dohmen verzog das Gesicht. „Herr Hastenrath. Geht das schon wieder los? Sie sollen sich raushalten aus unserer Polizeiarbeit. Und erst recht sollten Sie sich hüten, schon wieder eigene Ermittlungen anzustellen. Deshalb muss ich Sie jetzt auch auffordern, das Grundstück zu verlassen.“

      Will machte keine Anstalten, zu gehen, sondern hielt dem Blick des Kommissars mit sturer Entschlossenheit stand. Völlig ruhig sagte er: „Was ist nur aus Sie geworden, Herr Dohmen? Ich hatte beim letzten Mal, wo wir miteinander zu tun hatten, fast angefangen, Sie sympathisch zu finden. Und zwar, weil ich dachte, dass Sie nicht nur ein Kollege, sondern sogar ein Freund von der Peter sind. Aber jetzt muss ich feststellen, dass Sie auch nur ein uniformiertes Arschloch sind … selbst wenn Sie gar keine Uniform tragen. Und wo wir gerade dabei sind: Soll ich Sie mal sagen, wodran dieser Herr Pimpertz mich mal lecken kann?“

      Dohmens Mund klappte auf und zu wie bei einem Fisch im Aquarium. Dass dieser Ortsvorsteher ein unangenehmer

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