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Süßmuth, Heide Simonis.

      „Kenn ich nich, Teufel.“

      Mir wurde bewusst, was ich schon für ein alter Sack war. Außerdem warf Corona mein progressives Frauenmodell gerade komplett über den Haufen und wieder in die Dr. Oetker-Werbung der 50er zurück, weil Heim, Herd und Kinder wieder voll an ihnen hängen blieben, als wär das selbstverständlich. Corona würde gewaltige Jobverluste nach sich ziehen. Für Frauen wurde es noch enger als vorher. Gerne berufstätige würden als erste über die Klinge springen müssen. Ihr jahrhundertelanger mühseliger Kampf, aus der Haus und Herd-Nummer rauszukommen war quasi über Nacht umsonst. Wahrscheinlich ein Langzeitschaden über die nächsten Jahrzehnte.

      „An Arbeitsplätzen mit Karriereaussicht werden wieder wie früher bloß noch Männer hocken, Schulze.“

      „Frauenversteher und jetzt ooch noch Frauenrechtler. Teufel, ist dir ein Engel erschienen?“

      „Schulze, denk mit. Dahoam werden uns bloß noch unzufriedene Weibsbilder erwarten. Die Hölle, Schulze.“

      „Ich gloob ooch nich an die Hölle, Teufel. Und dich wird heeme gor keene mehr erwarten. Du bist verbrannte Erde.“

      Das war hart. Sogar Schulze kam ich als Frauenfeind rüber. Dabei hatte ich Alice Schwarzer schon gut verstanden, als selbst Freunde noch an der Theke von mir abrückten, wenn ich ihr verbal den Rücken stärkte. Nach einem TV-Duell Alice gegen Verona Feldbusch hatte ich mich derart über Veronas Weibchengetue geärgert, dass ich einen Brief an Emma geschrieben hatte. Und Antwort von Alice gekriegt. Mit einer Menge Humor gewürzt. Alice war kein verbitterter nur feuerspeiender Drachen. Aber Gott im Himmel würde es bereuen, Eva die Erbsünde angehängt zu haben, sollte Alice bei ihm einziehen. Der Höllenfürst unten war sicher auch nicht scharf auf sie.

      Auch wenn er nicht daran glaubte, Würschtlmann Schulze würde spätestens wissen was Hölle war, wenn er eine Unzufriedene an der Backe hatte. Wogegen eine glückliche Frau an der Seite Gottes Paradies weit in den Schatten stellte. Erfahrungswerte eines schon über ein halbes Jahrhundert dauernden Teufel-Lebens. Auch wenn das Glück sich als endlich herausgestellt hatte, ich hatte es erleben dürfen, sogar mehrmals. In letzter Zeit allerdings bloß noch ins Klo gegriffen. Honigmann kam mir wieder hoch wie Sodbrennen. Frau Kommissarin hatte mich angelockt, genüsslich, fast zärtlich zerlegt, durchgekaut und dann ausgespuckt. Ein Stoff zum Zungeschnalzen für die Romanfigur einer männerhassenden Serienkillerin. Aber ich war kein Schriftsteller, und für die sadistische Ader von Frau Kommissarin fehlte mir das masochistische Gegenstück.

      „Ich krieg Zwoachtzig, Teufel.“

      Sagte Schulze. Mir war nach einem großen Nudelhafer. Fragen Sie nicht irritiert warum. Plötzlich aufwallende Gefühle sind selten logisch.

      „Modell Amor."

      Sagte die Kassiererin im Kaufhof, als sie die Schlange vor mir erledigt hatte und hinter mir eine neue ran wuchs. In ihren freundlichen Augen las ich, dass sie hinter ihrer Maske ein Lächeln ausatmete.

      „Der ist doch sexy, oder?"

      „Ich möcht den Tiegel nicht vögeln. Bloß lange Spaghetti drin kochen. Pasta! Basta!"

      Ich sah keine erotische Notwendigkeit beim Kauf eines Nudelhafers. Welche Schwachmaten dachten sich Amor für einen Tiegel aus? Und glaubten uns damit locken zu können? Waren wir alle bloß noch bescheuert? Die maskierte Schlange in meinem Rücken zischelte.

      „Was hat der für ein Problem? Schmeißens das Arschloch raus!“

      Ich machte, dass ich weiterkam. Ohne Nudelhafer. Ich schaute bei Tchibo für Kaffee rein, was sich auch als schwierig herausstellte. Italienische Woche, Coronahilfe für unsere schwer angeschlagenen südlichen Nachbarn. Da ich keine Espressomaschine für 199 Euro wollte, bot mir die junge Frau einen Hut für 59,99 an, den ich eigentlich auch nicht wollte.

      „Der ist auch sehr italienisch.“

      Ein dachsfarbener Borsalinoverschnitt. Ich konnte mir keinen Italiener vorstellen, der ihn aufsetzen würde. Ich kaufte ihn ihr ab, mit schlechtem Gewissen, weil ich vorhin die andere Verkäuferin verstört hatte. Logisch war das nicht.

      „Darf es sonst noch was sein?"

      Ich war nicht in einen Kaffeeladen, weil ich mir einen Hut kaufen wollte.

      „Wenns zufällig auch Kaffä dahaben. Ein halbes Pfund. Peruanisch, wenn´s keine Umständ macht.“

      Wieder draußen dachte ich an die Tote am Fluss.

      Das Mädel war nicht einfach so ertrunken.

      Heute hatte die Stadt mir ihre mörderische Seite gezeigt.

      Ich kämpfte weiter gegen das heiße Verlangen nach einer Zigarette. Ich brauchte Süßstoff und hatte noch Zeit bei Serdar reinzuschauen.

      „Pack mir bittschön ein halbes Pfund Pralinen ein.“

      Ich schaute Serdar beim Schaufeln und Wiegen zu und berechnete im Kopf zwei Obsttage als notwendiges Gegengewicht, wollte ich meine Hosen weiterhin zu kriegen.

      „Teufel, wenn du willst, verkaufe ich euer Magazin in meinem Geschäft.“

      Wiederholte Serdar wie immer sein Angebot.

      „Ich habe keine Angst, Teufel.“

      „Aber schon genug Gschwerl am Hals.“

      Wiegelte ich wieder ab. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre hatten halbstarke Türken Serdar zusammengeschlagen, weil er mit Erdogan nichts am Hut hatte, kurdische Fanatiker seinen Laden verwüstet, weil sie ihn ihm einen Erdogantürken sahen. Eines Nachts vor drei Monaten waren Hasser eingebrochen, hatten seinen Laden geplündert und verwüstet und mit schwarzer Farbe nur ein Wort an die eingeschlagene Glastür gesprühte: CORONA! Die Überwachungskamera im Laden zeigte drei weiß vermummte stämmige Vandalen mit Baseballschlägern. Das Gewerbeamt hatte Serdar danach einen Stand in der Fußgängerzone abgelehnt, weil der den sozialen Frieden gefährde. Serdar, seit siebenundzwanzig Jahren deutscher Staatsbürger, hatte nur einen Stand für türkischen Süßkram beantragt. Seine Pralinen schmeckten himmlisch. Von mir aus hätte Heiligbrücks scheintoter grau zubetonierter Flaniermeile ein kompletter orientalischer Bazar gutgetan. Aber es ging nicht nach mir.

      „Mein Angebot steht, Teufel.“

      Serdar blieb hartnäckig, während er die letzte Praline in Zellophan eindrehte.

      „Ich denk mit der Redaktion drüber nach.“

      Log ich.

      „Das kann keine große Sache sein, Teufel. Ihr seid nur drei.“

      Ich zahlte Siebzehnachtzig für die süßen Träume, und mir fiel ein, dass ich unser Hausküken für morgen Sonntag halb elf zum Weißwurschtfrühstück eingeladen hatte.

      „Du weißt, ich esse nichts mit Schwein.“

      Weißwürscht bestanden aus Kalbfleisch, mochten aber auch Schwein drin sein und Abfälle aller Art. Wer wusste das schon bei dem Saustall in Schlachthöfen, die wie organisierter Menschenhandel gemanagt wurden. Und der Billig-Fleischindustrie insgesamt.

      Zwischen zwei SUVs fand ich einen Parkplatz vor dem nächsten Supermarkt.

      „Alter ey.“

      Grüßte Nena, die verhuschte Popomi mich zuhause aus der Glotze. Sie tauschte gerade Songs mit ein paar anderen. Ich verstand die Sendung nicht. Da ließen Leute ihre Lieder von anderen singen. Danach waren alle gerührt über sich selber und weinten. Was mich zum Lachen brachte. Wahrscheinlich war ich gefühlskalt. Ich zappte durch und landete auf TV1 bei Heiligbrücks einzigen A-Promis.

      Menschen live dahoam in Bayern.

      In dieser Folge die Kohns in ihrem Domizil in Flussnähe, der dort beruhigt in seinem gemachten Bett durch den Stadtpark schlenderte, als natürliche Grenze zu Professor Dr. Barnabas Kohns Privatpark mit Biotop, zypressenartigen Bäumen und Chalet. Die Kamera war Kohns von dort in ihre häusliche Badelandschaft ins Souterrain des Chalets gefolgt, wie feine Leute ihre

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