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      Heinrich Schliemann: Reise in der Troas im Mai 1881.

      Als E-Book veröffentlicht im heptagon Verlag

       © heptagon Verlag 2020

       www.heptagon.de

       ISBN: 978-3-96024-028-0

       Das E-Book folgt der Buchausgabe: Reise in der Troas im Mai 1881. Leipzig 1881. Die Orthografie wurde behutsam an die neue Rechtschreibung angepasst; offensichtliche Fehler im Druck wurden stillschweigend korrigiert.

      Vorwort

      Der vorliegende Bericht meiner Reise in der Troas1 hätte eigentlich meinem letzten Werke »Ilios« beigefügt werden müssen, denn derselbe ergänzt gar viele uns bisher dunkel gebliebenen Punkte der homerischen Geographie und lässt mehrere Theorien zu Boden fallen, die seit Jahrtausenden bestanden haben und bestimmt bisher noch nie angefochten oder angezweifelt worden sind. Derselbe muss ferner das allgemeine Interesse für Hissarlik erhöhen, indem er zeigt, dass es zwischen dem Hellespont, dem Idagebirge, Adramytteion und Cap Lecton nirgends eine Anhäufung vorhistorischer Ruinen gibt, während diese in Hissarlik eine Tiefe von 14 m übersteigt. Die Höhenmessungen sind mit der größten Präzision gemacht und alle auf der Reise berührten Punkte mit der größten Genauigkeit auf der Karte eingetragen, welche ich der ganz besonderen Aufmerksamkeit des Lesers empfehle.

      Berlin, im Juli 1881.

      Heinrich Schliemann

       1 Dieser Bericht ist ein bedeutend erweiterter Separatabdruck meiner im 8. und 9. Heft von »Unsere Zeit« (Jahrgang 1881) publizierten Artikel.

      I. Von der Dardanellenstadt nach Hissarlik

      Oft habe ich die Troas besucht; fünf Jahre habe ich dort viele Monate lang ausgegraben, und doch besuche ich sie immer mit Wonne von neuem, denn der Zauber der trojanischen Landschaft ist überall überwältigend, und jeder Berg und jedes Tal, das Meer, der Hellespont und jeder Fluss atmen dort Homer und die Ilias. Diesmal aber war meine Reise in der Troas von ganz besonderem Interesse, denn es war meine Absicht, zu ermitteln: welche andere alte Baustellen, außer Hissarlik, zu archäologischen Forschungen geeignet sind.

      Ich verließ am 13. Mai d.J. zu Pferde die Stadt der Dardanellen, in Begleitung eines Dieners, des Eigentümers der Pferde und einer Escorte von zwei Gendarmen, die der Gouverneur der Provinz, da das Land nicht ganz sicher ist, freundlich zu meiner Verfügung gestellt hatte. Die Luftwärme war bei meiner Abreise 26½°C. Aus der Stadt reitend, passierten wir den kleinen Dardanellenfluss, der selbst im heißesten Sommer fließendes Wasser hat und über dessen Identität mit dem Homerischen Rhodios1 wohl kein Zweifel bestehen kann, denn er hatte diesen Namen noch zur Zeit Strabos (XIII, 595), der uns mitteilt: dass seiner Mündung gegenüber, auf dem thrazischen Chersones, das sogenannte χυνὀς σῆμα (Tumulus der Hündin) war, welches für das Grab der Hecuba angesehen wurde, die, der Sage zufolge, nach dem Tode in eine Hündin verwandelt worden ist. In der Tat sieht man, genau an der von Strabo bezeichneten Stelle, einen kleinen kegelförmigen Hügel; aber Frank Calvert, der ihn untersuchte, hat gefunden, dass er aus naturwüchsigem Fels besteht und nur die Gestalt eines Tumulus hat.

      Indem wir das Ufer des Hellesponts entlang ritten, kamen wir an einem Tumulus zur Rechten und an einem andern zur Linken vorbei, die noch beide unerforscht sind; darauf passierten wir zur Rechten, auf einer Art Vorgebirge, die Baustelle der äolischen Stadt Dardanos, die oft von Strabo (XIII, 587, 590, 595, 600) erwähnt wird und nicht mit der Homerischen Stadt Dardanie2 zu verwechseln ist. Wie Strabo (XIII, 595) uns erzählt, kamen Cornelius Sylla und Mithridates VI. Eupator hier zusammen, um Frieden zu schließen. Die hier auf meine Veranlassung vom Militärgouverneur der Dardanellen gemachten Ausgrabungen haben ergeben, dass die Schuttaufhäufung nur eine Tiefe von 0,6 bis 0,9 m hat und fast ausschließlich aus Humus besteht, weshalb hier für den Altertumsforscher nichts zu suchen ist.

      Darauf passierten wir, auf einer Höhe zur Linken, die Baustelle einer alten Stadt, mit einem noch unerforschten Tumulus, welche Calvert für die alte Stadt Ophryneion hält, wie sie auch auf Spratts Karte der Troas eingetragen ist. Die Baustelle wird aber nur durch einige hellenische Topfscherben und Steinhaufen bezeichnet; man findet dort weder irgendwelche Schuttanhäufung noch eine Spur von Mauern. Außerdem entspricht diese Baustelle durchaus nicht den Angaben Strabos (XIII, 595), der uns sagt: dass nahe bei Ophryneion der Sumpf oder Teich Pteleos ist, der hier jedenfalls nicht existiert. Ein solcher befindet sich aber in einer Entfernung von ungefähr einer halben Meile von hier, neben der jetzt Paläocastron genannten Baustelle, einer alten Stadt, die ich daher eher für Ophryneion halten möchte; dieselbe ist mit hellenischen Topfscherben übersäet, jedoch ist die Schuttaufhäufung dort kaum 0,90 m tief. Wir kamen darauf zum Dorf Ren Kioi (d.h. Farbedorf), welches, nach meinem Barometer, 188,2 m über dem Meere liegt; die Luftwärme war dort 23°C.

      Auf dem Wege von dort nach Hissarlik passierten wir den Bach von Ren Kioi, der von keiner Quelle genährt wird und nur bei sehr heftigem Regen Wasser hat; zu jeder andern Zeit ist derselbe vollkommen trocken. Um seine unmögliche Theorie, »das alte Troja habe im Dumbrektale gelegen«, geltend zu machen, erhebt Brentano3 diesen Wasserlauf zum Homerischen Simoeis und gibt ihm auf seiner Karte eine durchaus falsche Lage. Der Lauf dieses Regenbaches ist sowohl auf Spratts als auf Virchows4 Karte vollkommen richtig angegeben. Ich schlug mein Nachtquartier in einem meiner Häuschen auf Hissarlik auf, wo ich mich mit Vergnügen überzeugte, dass meine Gräben, seitdem ich sie im Juni 1879 verließ, keine Veränderung erlitten hatten, da die von mir zum Ablauf des Regenwassers gegrabenen Kanäle vollkommen meiner Absicht entsprochen hatten.

      Ich war erstaunt, alle Wände meiner Häuschen, bis zum Dach, mit einer schwarzen Masse, die sich zu bewegen schien, bedeckt zu sehen. Da es aber bei meiner Ankunft dunkel war, so erkannte ich nicht sogleich, was es war. Erst am folgenden Morgen sah ich, dass es Heuschrecken waren, welche in diesem Jahre in der Troas zahlreicher als je zuvor sind und auf den Kornfeldern und Wiesen eine entsetzliche Zerstörung angerichtet haben. Jedoch habe ich niemals ein vollständig von ihnen zerstörtes Kornfeld gesehen; denn nie fressen sie mehr als zwei Drittel oder drei Viertel aller grünen Halme weg und begnügen sich damit, von denen, die sie stehen lassen, nur die Blätter, nicht die Ähren zu verzehren. Gras scheinen sie jedenfalls dem Korn vorzuziehen; denn oft passierte ich auf meiner Reise große Landstrecken, auf denen sie buchstäblich nicht einen Grashalm stehen gelassen hatten.

      Die Temperatur war in Hissarlik am 14. Mai, um 8 Uhr morgens, 17½°C.

       1 Ilias, XII, 20.

       2 Ilias, XX, 216.

       3 »Ilion im Dumbrektale« (Stuttgart 1881).

       4 »Beiträge zur Landeskunde der Troas« (Berlin 1880).

      II. Von Hissarlik nach Kestambul

      Wir nahmen den Weg über Kalifatli und Ujek Kioi, welches letztere, nach meinem Barometer, 86,6 m über dem Meere liegt; die Luftwärme war dort 18°C. Das Wasser im Scamander hatte bei unserm Durchritt noch eine Tiefe von 0,6 m. Wie in fast allen andern türkischen Dörfern der Troas gibt es in Ujek Kioi viele Storchnester, die man hier nie in den nur von Griechen bewohnten Dörfern sieht, wie z.B. Kalifatli, Yeni Kioi, Yeni Shehr u.s.w.; denn da die Türken eine Art von Cultus für den Storch haben, so nennen ihn die Griechen »den heiligen Vogel der Türken« und erlauben ihm nicht, sein Nest auf ihren Häusern zu bauen. Unter den lobenswerten Eigenschaften der Türken muss ich ferner die große Sorge erwähnen, die sie darauf verwenden, den durstigen Wanderer und sein Pferd mit einem Überfluss guten, trinkbaren Wassers zu versehen. In der Tat, kein Dorf ist so klein oder arm, dass es nicht wenigstens eine Quelle hätte, die immer in einem Mauerwerk von monumentaler Form eingefasst ist und in einen viereckigen Behälter von Trachyt läuft, aus welchem das Wasser rechts und links in mehrere Tröge aus gleichem Stein fließt, die alle in einer Reihe stehen und zum Tränken des Viehes dienen. Alle Wege sind mit solchen oder auf ähnliche Weise eingerichteten Quellen versehen, an deren jeder, zur Bequemlichkeit das Dürstenden, ein Krug oder eine Kelle aus Holz oder Zink mittels eine Kette befestigt ist. Oberhalb vieler dieser Quellen,

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