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war auch gar nicht voll.

      Auch „Puerto Rico“ sahen sie wieder. Hier hatten sie einst ein Ferienhäuschen gehabt. Damals standen an einer Stelle dort ein paar Reihenhäuschen, mittlerweile waren Riesenhotels die Berge „emporgeklettert“, und der Strand war aufgeschüttet worden. Hier bräunten sich jetzt Urlauber. „Puerto Rico“ – das einstige Dorf – war ein richtiger Hafen geworden. Den beiden Stolps fiel ein, dass sie seinerzeit mit einem alten Auto die Insel auf schlechten Straßen umrundet hatten. Unterwegs (als das Auto „streikte“) hatte sie ein Polizist im Plastikhelm (noch von der „Guardia Civil“?) streng ermahnt. Silke kamen die Tränen.

      Zu dieser Zeit löste in Spanien König Juan Carlos den General Franco, der 1975 gestorben war, als Staatsoberhaupt ab, und das Land wandelte sich zu einer Demokratie. Als Geheimtipp galt übrigens ein Besuch im Fischrestaurant „Käpt‘n Mogán“ in „Puerto de Mogán“. Da waren sie wieder hingefahren. „Puerto de Mogán“ lag „am Ende der Welt“, war damals ein kleiner Fischerhafen, und in einer Obstplantage schenkte ihnen ein Bauer eine Papayafrucht – etwas völlig Neues für sie.

      Nun war alles weg, „Puerto de Mogán“ war ein hektischer Ort geworden, und man konnte auf einer neuen Autobahn schnell und bequem hinfahren. Geschäfte, Supermärkte, ein Touristenbüro: Alles war da.

      Auch hier hatten die Stolps in einer anderen Zeit einmal Urlaub gemacht. Damals waren sie in einem weiteren Ort abgestiegen – hieß er „Platalavarca“ oder „Taurito“? Einstmals hatte es dort ein Hotel und einen einsamen Strand gegeben. Mittlerweile war an beiden Orten alles zugebaut: „Gran Canaria – wie haste Dir verändert!“ Alle Ursprünglichkeit war dahin – wenigstens an der Küste.

      Manch einer wird fragen: „Wo bleibt das Positive?“ Dafür sind eigentlich die Reiseverlage und ihre Produkte zuständig. Aber bitte, wenn es sein muss, folgt hier eine positive Reisebeschreibung:

      „Von ‚Puerto de Mogán‘ nach ‚Puerto Rico‘ fahren wir auf einem Schiffchen die Küste entlang. Rechts ist das blaue Meer, links die Steilküste von Gran Canaria. Am Schiff kann man direkt einchecken – für nur sechs Euro. „Uno“, „dos“, „tres“, zählt ein freundlicher canarischer Seemann, und schon ist man an Bord. Vom Meer her weht eine laue Brise, während das Boot bald schnell dahingleitet. Am Horizont erkennt man einige Schiffe. Das Meer ist unendlich weit, und irgendwo da hinter dem Horizont liegt der Äquator. Wir fahren an sonnigen Stränden vorbei, wo sich fröhliche Urlauber erholen. Endlich kommen wir in den Hafen von ‚Puerto Rico‘ und gehen an einer Mole an Land. Wir suchen ein uriges Fischrestaurant auf, bestellen gegrillte Sardinen und canarische Kartoffeln: Köstlich! An uns vorbei schlendern heitere Urlauber. Sie sind gut ernährt, manche lustig bemalt, und vielen sieht man an, dass sie ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Hier kann man alle Sprachen Europas und alle Dialekte Deutschlands hören – auch russisch und sächsisch. Einige der gerade ankommenden Bootstouristen betreten gleich wieder ein anderes Schiff, um Delphine in freier Wildbahn zu beobachten oder um auf hoher See zu angeln. Und fast alle tragen rote, blaue, gelbe, rosa oder grüne Plastikbändchen am Handgelenk: Sie haben zu Hause schon bezahlt und machen nun unbeschwert Urlaub: ‚All inclusive‘.“

      So ließe sich auch locken!

      Auf „Gran Canaria“ gibt es übrigens „Inselbusse“, mit denen man zu fast allen Orten fahren kann. Die Verkehrsgesellschaft heißt „Global“. Es gibt Linien mit Fahrplänen. Manchmal stimmen sogar die Abfahrtszeiten. Wer ein wenig Zeit und etwas Geduld hat, kann auf diese Art die Insel relativ preisgünstig erkunden.

      Auch „Las Palmas“ ließ sich prima per Bus erreichen – von „Maspalomas“ aus etwas über eine Stunde. Die Stadt lag – im Unterschied zu „Maspalomas“ – unter einer dichten Wolkendecke. Es regnete sogar. Die Menschen hier schienen das jedoch zu kennen, denn viele hatten Regenschirme dabei. Dann klärte es wieder auf, und man konnte den blauen Himmel sehen.

      Beherrschend ist eine riesige Kathedrale: „Santa Ana“. Diese wurde errichtet, nachdem die Ureinwohner Canariens (die „Guanchen“) endgültig geschlagen waren und Spanien sich die Inseln einverleibte. Mit dem Bau der Kathedrale hatte man im 15. Jahrhundert begonnen, und fertig wurde sie im 19. Jahrhundert. Die riesige Kirche wurde im gotischen Stil errichtet, und ihr gegenüber befindet sich der Amtssitz des hiesigen Bischofs. Die Kathedrale hat viele Kunstschätze und hält den Vergleich zu ihren europäischen „Schwestern“ aus.

      Rund um das Bauwerk liegt die Altstadt: Ein prachtvolles Museum erinnert an die „Heldentaten“ von Columbus, und in manchen Innenhöfen befindet sich eine Tapasbar, oft ziemlich primitiv ausgestattet. Noch immer ist „Las Palmas“ Ausgangshafen nach Amerika, aber seine diesbezügliche Bedeutung von einst hat es wohl eingebüßt.

      Im Übrigen standen viele Ladengeschäfte leer: „Las Palmas“ wirkte etwas melancholisch. Dazu passte das wieder einsetzende Nieselwetter, während am Ende des Ausfluges am „Faro“ von „Maspalomas“ die Sonne schien.

      Der Abschied von der Insel war unbequem. Es schien, dass alle Welt an diesem Tage „Gran Canaria“ verließ – so voll war der Flughafen. Aber fast pünktlich saßen die Stolps in „ihrer“ Maschine und kamen nach fünf Stunden nur 15 Minuten verspätet zu Hause an.

      Dieser Flug war sogar angenehm, denn neben beiden saß ein netter, hilfsbereiter Herr. Ende gut, alles gut.

      (2014: Vorher und nachher)

      Der Ritterschlag war erfolgt. Silke und Andor waren in Italien, Griechenland und Spanien gewesen. Sie gehörten spätestens jetzt zu jenen modernen Menschen, die sich in mühseligen Jahren wochenweise in Touristen verwandelten.

      Beim Thema Tourismus konnten sie jetzt mitreden. Dazu brauchten sie Geld, Urlaub (später reichte auch ein „Sabbatical“), Geduld mit nervigen Kindern, Langmut bei unbequemen Unterkünften, keine Furcht vor Vorurteilen über fremde Länder, Hitzeaffinität, Freude an überfüllten Flughäfen, Spaß an immer mehr anderen Touristen und Bewunderung für immer neue, die Natur verschandelnde Bauwerke.

      Nun waren auch Silke und Andor Stolp mit ihren Kindern unangefochtene Mitglieder jener Gemeinde, in der es heißt:

      „Der Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres!“

      1. Israel

       Israel existiert, weil Deutschland einst furchtbare Verbrechen an Juden begangen hatte. Danach fühlten viele offizielle Deutsche die Verpflichtung, Israel zu besuchen und Abbitte zu tun.

      Dort besucht sie die Gedenkstätte „Yad Vashem“ zur Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Juden. Nach den Berichten über die Tempelzerstörungen, über das längst vergangene Königreich der Tempelritter, den Besichtigungen der Überreste von Türken- und Britenherrschaft, den Diskussionen über die Kriege des 1948 wiedergegründeten Israel und nach Fragen zu den kaum lösbaren Konflikten der Gegenwart erscheint die Gedenkstätte wie ein Fingerzeig auf eine Hölle auf Erden – und das in einem Land, das selber so viel Elend sah und sieht. Die Hölle war in Europa, ging von Deutschland aus, und hier war das Heilige Land.

      Die Besucher waren schon vor Betreten von „Yad Vashem“ betroffen oder beklommen. Doch der israelische Guide sagte der Gruppe trocken, dies sei eigentlich eine Gedenkstätte der Juden, und wenn es nach ihm ginge, brauchte sie kein Nichtjude – auch keiner aus Deutschland – je besuchen. Er hätte gehört, fügte er hinzu, gutmeinende Menschen aus Deutschland hätten aus ihrem Lande „Glatzen“ – rechtsradikale Jugendliche also – zur Therapie hierhergebracht.

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