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bei Himmler weiter.69

      Den letzten Anstoß für die Gründung des Ausbildungslagers gab daraufhin ein Befehl des Chefs der Ordnungspolizei, SS-Obergruppenführer Kurt Daluege, an Globocnik und die Höheren SS- und Polizeiführer in der Sowjetunion vom 5. August 1941. Sie sollten beschleunigt einheimische »Schutzmannschaften« aufstellen. Dies geschah in erheblichem Umfang. Bereits am Jahresende dienten über 30 000 »Schutzmänner« in rund dreißig Bataillonen deutschen Interessen in der Sowjetunion. Ein Jahr später hatte sich diese Zahl verzehntfacht, vor allem weil die deutschen Besatzer auf »fremdvölkische« Unterstützung bei der Ermordung der sowjetischen Juden angewiesen waren.70

      Für Globocniks Politik war ein anderer Aspekt der Berliner Befehlsgebung maßgeblich: Daluege hatte in seinem Befehl vom August 1941 die Aufstellung der einheimischen Polizeikräfte mit dem Erfordernis begründet, alsbald SS- und Polizeistützpunkte in der UdSSR aufzubauen, die von diesen Polizisten bewacht werden sollten. Es war die Aufgabe des Lubliner SS- und Polizeiführers, diese Stützpunkte zu errichten.71 Diese Aufgabe verlangte aus Globocniks Sicht planerischen Sachverstand. Er beauftragte seine ›Denkfabrik‹, das so genannte Mannschaftshaus, Leitlinien zu erarbeiten.

      Der Leiter des Mannschaftshauses, SS-Hauptsturmführer Gustaf Hanelt, hielt nach einer Besprechung mit Globocnik als seine Aufgaben fest die »Gesamtplanung der SS- und Polizeistützpunkte, der Judenbereinigung, den wissenschaftlichen Einsatz im Rahmen des SS-Mannschaftshauses theoretisch zu erarbeiten.«72 Tatsächlich erstellten Hanelt und seine Untergebenen im Herbst 1941 einen nicht mehr auffindbaren Plan zur »vorläufigen Regelung der Judenfrage im G.G.«, der, so die rückblickende Darstellung Hanelts, mit der »Evakuierung der Juden seit dem 15. III. [1942] nach Osten« seinen Abschluss gefunden habe.73 Gemeint war der Beginn des Giftgasmordes in Bełżec.

      Globocnik wertete das Mannschaftshaus im Frühjahr 1942 zur »Forschungsstelle für Ostunterkünfte« auf und ließ es weitere Pläne erarbeiten, die er im Juni 1942 Himmler vorlegte, um radikalere Befehle für seine »Judenarbeit« zu erwirken.74 Es gab also einen engen Zusammenhang zwischen SS-Siedlungsplänen und Judenmord im Generalgouvernement. Folglich dürften Globocniks Hilfspolizisten von vornherein auch dazu ausersehen gewesen sein, an der »Entjudung« des Generalgouvernements mitzuwirken.75

      Im Vordergrund standen zunächst aber andere Aufgaben. Trawniki-Männer sollten Bautrupps für die Errichtung der Polizeistützpunkte in der UdSSR stellen.76 Aus diesem Einsatz wurde jedoch nichts, als sich wegen des Kriegsverlaufs im Osten abzeichnete, dass an SS- und Polizeistützpunkte bis hinter den Ural ebenso wenig zu denken war wie an die Deportation der europäischen Juden in die Weiten der Sowjetunion. Am 31. März 1942, als der Massenmord mit Giftgas begonnen hatte, entband Himmler Globocnik von seiner Funktion als Stützpunktbeauftragter.77 Trawniki-Männer bauten keine Polizeistützpunkte in der Sowjetunion, sondern Vernichtungslager im Generalgouvernement.

      Kommandant des Ausbildungslagers war zunächst SS-Untersturmführer Richard Rokita, der aus dem Volksdeutschen Selbstschutz kam und später nach Lemberg versetzt wurde.78 Im Laufe des August 1941 bereisten Globocniks Stabsführer, SS-Hauptsturmführer Hermann Höfle, und Rokitas Nachfolger, SS-Sturmbannführer Karl Streibel, die Stammlager für sowjetische Kriegsgefangene im Distrikt Lublin (vorzugsweise das Stammlager 319 in Cholm) und sonderten gemäß Heydrichs Richtlinien »besonders vertrauenswürdige« Rotarmisten als Rekruten aus. Anfänglich wurden vor allem Sowjetdeutsche – geläufiger ist die Selbstbezeichnung als »Russlanddeutsche« – angeworben, die als Unterführer der neuen Wachmannschaften dienen sollten. Die ersten von ihnen trafen am 4. September 1941 im Lager ein.79 Im späten Oktober übernahm Streibel das Kommando in Trawniki.

      Globocnik hielt viel auf Höfle und Streibel. Beide kamen, wie bereits erwähnt, aus dem Volksdeutschen Selbstschutz und hatten u. a. in den Zwangsarbeitslagern am so genannten Buggraben jüdische Häftlinge terrorisiert. Für Höfle hatte Globocnik große Pläne: Er sollte dereinst Kommandeur des SS- und Polizeistützpunkts Tiflis werden.80 Über Streibel urteilte Globocnik 1943 wie folgt:

      »St.[reibel] hat in Trawniki (Distr.[ikt] Lublin) aus kleinsten Anfängen heraus ein Ausbildungslager für fremdvölkische Wachmannschaften geschaffen und leitet dasselbe mit größter Umsicht und Verständnis für die besondere Führungsweise dieser Truppe. In vielen Einsätzen zur Bandenbekämpfung haben sich diese Einheiten bestens bewährt, insbesondere aber im Rahmen der Judenumsiedlung. Streibel ist ein alter bewährter SS-Führer, der unermüdlich bestrebt ist, durch bestmögliche Ausbildung dieser Kräfte an der Lösung der Sicherungsfrage mitzuarbeiten.«81

      3.3.2Rekrutierung

      Die historische Forschung hat seit einiger Zeit Zusammenhänge zwischen der deutschen Kolonialpolitik in Afrika und der quasi-kolonialen Besatzungspolitik des Reiches in Osteuropa herausgearbeitet.82 Der Historiker Dieter Pohl hat die Besatzungsverwaltung im Distrikt Galizien als »totalitäre Kolonialverwaltung« charakterisiert.83 Solche Verbindungen waren bereits den Zeitgenossen in den Sinn gekommen. Die Trawniki-Männer wurden umgangssprachlich oft »Askaris« genannt, nach der Bezeichnung einheimischer Kolonialtruppen in Deutsch-Ostafrika.84 Aber auch »Schwarze« oder »Ukrainer« waren als Bezeichnungen verbreitet, obwohl die Wachmänner auch andere Ethnien der Sowjetunion in ihren Reihen hatten.

      Zunächst firmierte die Truppe als »Wachmannschaften des Beauftragten des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei – Chef der Ordnungspolizei – für die Errichtung der SS- und Polizeistützpunkte im neuen Ostraum«. Seit April 1942 hießen sie »Wachmannschaften des SS- und Polizeiführers im Distrikt Lublin«.85

      In den Trawniki-Männern vereinten sich Anteile einer Hilfspolizei des Chefs der Ordnungspolizei, einer persönlichen Polizeitruppe des SS- und Polizeiführers, einer sowjetischen »Schutzmannschaft« und einer Einheit der Waffen-SS. Diese Männer waren als Organisation alles andere als »normal« im Sinne der soziologischen Begriffsbildung. Zweck dieser Organisation war die Durchführung der SS-Siedlungspolitik, wie Himmler und sein Gewährsmann Globocnik sie verstanden. Von Anfang an hierin eingeschlossen war die gewaltsame Verdrängung, Arbeitsausbeutung und Ermordung der Juden. Sie wurde bald zum alleinigen Organisationszweck.

      Die Führung des Ausbildungslagers hatte selbstverständich Männer im Blick, die mutmaßlich mit den Zielsetzungen des deutschen Vernichtungskriegs sympathisierten.86 Litauer, Letten und Esten wären für die Rekrutierung in Betracht gekommen, standen aber in den Kriegsgefangenenlagern im Distrikt Lublin vorerst nicht zur Verfügung, weil dort Soldaten des südlichen Frontabschnitts interniert waren.87 Wolgadeutsche galten als besonders aussichtsreiche Kandidaten, vor allem seit Stalin Ende August 1941 die Deportation dieser als »fünfte Kolonne« Hitlerdeutschlands beargwöhnten Bevölkerungsgruppe befohlen hatte.88 Wolgadeutsche sprachen zudem die deutsche Sprache und kamen als Übersetzer in Betracht.89

      Eine pauschale Antwort auf die Frage, ob die Rekruten freiwillig oder unter Zwang ins Ausbildungslager kamen, ist nicht möglich. Auch ihre Motive und individuellen Verhaltensweisen lassen sich nicht verallgemeinern. Die sowjetische Geheimpolizei interessierte sich bei der Vernehmung Verdächtiger nach dem Krieg kaum für die Rekrutierung, weil es ihr allein auf das Geständnis ankam, in deutsche Dienste getreten zu sein. Auch wurden solche Geständnisse oft mit körperlicher Gewalt und Folter erzwungen. Belastbare Zeugenaussagen sind daher kaum vorhanden. Goldhagen meint, es habe sich um Freiwillige gehandelt, Browning setzt eine Überprüfung der antikommunistischen und vorzugsweise antisemitischen Gesinnung voraus, Grabitz hebt den ausgeübten Zwang hervor. Für alle drei Thesen finden sich Belege.90

      Unmittelbarer Zwang war sicher nicht erforderlich, weil die Zustände in den Kriegsgefangenen unerträglich waren.91 Einer der russlanddeutschen Unteroffiziere hat diese Situation noch Jahrzehnte später hervorgehoben:

      »Jeden Tag konnte man sehen, dass 10 – 20 Leichen abtransportiert wurden. Die Leichen wurden auf einem kreideähnlichen Berg begraben. Mein einziger Gedanke war, wie komme ich raus aus dem Lager, wie kann ich überleben. Irgendwann hat man uns antreten lassen und uns gesagt, wir müssten

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