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erklärt sie, klopft dann an einer Tür und öffnet.

      »Herr Fritschi, Claudio Mettler aus St. Moritz ist da.« Dann macht sie Platz und lässt mich vorbei.

      Paul Fritschi, der Direktor des Bündner Kunsthauses, empfängt mich in seinem kleinen Büro. Braun gebrannt, sportliches Hemd, Jeans. Kein Anzug, keine Krawatte. Er bietet mir den Besucherstuhl an und setzt sich mit verschränkten Armen auf die Kante seines mit Papieren überladenen Schreibtisches.

      »Willkommen in der Villa Planta! Kennen Sie die Geschichte des Hauses?«

      Ich schüttle den Kopf.

      »Die Familie von Planta machte ihr Geld mit dem Baumwollhandel und dem Eisenbahnbau in Ägypten. Die letzten weiblichen Nachkommen der Familie schenkten die Villa dem Kanton mit der Auflage, ein Kunsthaus einzurichten. Außerdem bescherten sie Chur eine Frauen- und Geburtsklinik.«

      »Interessant«, sage ich und versuche, ein Gähnen zu unterdrücken.

      Fritschi räuspert sich. »Mögen Sie Kunst, Mettler?«

      Ich höre den spöttischen Unterton in seiner Stimme. Daher lasse ich mich nicht auf eine Diskussion über die toten Helden und lebenden Hungerleider der Bündner Kunstgeschichte ein. Zurückhaltung und Bescheidenheit, besser, ich versuche gar nicht erst, mit meinem lückenhaften Halbwissen über die gezeigten Bilder und Statuen zu glänzen und mich dabei lächerlich zu machen.

      So reagiere ich mit einer Gegenfrage: »Sie haben Arbeit für mich?«

      Er mustert mich schweigend, nickt dann. »Können Sie mit einem Rasenmäher umgehen?«

      »Was hat das mit Kunst zu tun?«

      »Morgen Abend, Herr Mettler, werden wir einige ausgesuchte Statuen hier im Park präsentieren, ein gepflegter Rasen gehört dazu.«

      »Ich verstehe nicht ganz …«

      »Melden Sie sich bitte morgen um acht beim Empfang, dann werden wir weitersehen.« Fritschi steht auf.

      »Hat nicht Joseph Beuys gesagt, dass jeder Mensch ein Künstler ist?«, werfe ich ein. »In diesem Bereich kann ich mich sicher nützlich machen!«

      »Beuys hätte sicher nichts gegen die Kunst des Rasenmähens einzuwenden«, sagt der Direktor und lächelt kühl. Die Audienz ist beendet.

      Die Dame am Empfang entlässt mich mit einem distanzierten Kopfnicken.

      Dann stehe ich draußen auf der Straße mit meiner Reisetasche. Mein Freund Reto Müller kommt mir in den Sinn.

      »Besuch mich, wenn du mal in Chur bist, Claudio. Meine Tür steht immer für dich offen!«

      Reto ist ein Macher, einer, der überall ein Geschäft wittert, der Bedürfnisse erkennt und entsprechende Angebote entwickelt, bevor die Konkurrenz zur Stelle ist, auch bevor die Kundschaft selbst weiß, was sie wirklich braucht. Seine Karriere begann Müller als Mitarbeiter beim Kurverein St. Moritz. Er bediente Gäste am Telefon und am Schalter, buchte Zimmer und organisierte Ausflüge. Oft musste er Leute abweisen, denn in den klaren Strukturen des Tourismusbüros gab es keine Möglichkeiten, um sehr spezielle Wünsche zu erfüllen. Schnell merkte er, dass in der Tourismusbranche jenseits der öffentlichen Organisation viel Geld zu verdienen ist, vorausgesetzt, man hatte keine Skrupel und wusste, wie man es anpackte.

      So machte sich Müller selbstständig, er betrieb einen Limousinenservice, brachte die reichen Gäste vom Flugplatz in Samedan zu ihren Villen in St. Moritz und von den Villen zum Shopping, zu den Restaurants und Clubs. Auch sonst organisierte er dies und das für seine illustren Kunden, ihre Wünsche konnten noch so ausgefallen sein. Er besorgte alles für die kleinen und großen Räusche der Sinne, kannte Anwälte und Notare, Richter und Clubbesitzer, kassierte und verteilte.

      Dabei bewegte er sich des Öfteren mal am Rand der Legalität, er verstand es aber immer, mit sauberen Händen dazustehen. Bei heiklen Aufgaben standen ihm stets Leute zur Seite, die bereit waren, für ein paar Hunderter Nebenverdienst einiges zu riskieren; Leute wie ich eben.

      »Meine Gäste«, sagte Müller, wenn er etwas zu viel getrunken hatte, »sind stinkreich, darum können sie sich den Luxus erlauben, ohne Moral zu leben. Ich hingegen, kann mir nur Luxus leisten, weil ich ohne Moral lebe.«

      Mit seinem Bierbauch unter der Lederweste, den dunklen, öligen Haaren, die hinter dem Kopf zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden sind, dem Dreitagebart im breiten Gesicht ist er eine eindrückliche Erscheinung, nichts bringt ihn aus der Ruhe – außer vielleicht ein Anruf seiner Mutter, bei der er bis vor Kurzem immer noch lebte.

      Im Februar verkaufte Müller überstürzt seinen Limousinenservice, gab seine Geschäftsräume auf und zog Hals über Kopf nach Chur. Irgendetwas war bei einem Deal schiefgelaufen, er war wohl einigen einflussreichen Leuten zu sehr auf die Zehen getreten. Es erschien ihm ratsam, eine Weile aus dem Engadin zu verschwinden. Selbst seine Mutter hätte ihn nicht zurückhalten können.

      Müllers Wohnung muss irgendwo hinter dem Postplatz sein. Bei der nächsten Telefonkabine rufe ich die Auskunft an und bekomme für einige Münzen die gesuchte Adresse, schleppe die Reisetasche zwei Straßen weiter und dann noch hinauf bis ins dritte Stockwerk.

      ›Müller Enterprises‹ steht auf einem protzigen Türschild. Typisch Reto.

      Trotz mehrmaligem Klingeln öffnet niemand. Schade, er ist nicht zu Hause. Weil ich nicht weiß, wohin ich sonst gehen soll, lasse ich die Reisetasche vor der Tür stehen und schreibe ihm einen Zettel.

      Hoffentlich ist Reto nicht irgendwohin in die Ferien gefahren.

      Ohne die schwere Reisetasche fühle ich mich gleich viel besser. Der Mann von heute Mittag kommt mir in den Sinn, der Mann, der einen Auftrag für einen Hundefreund hat. Ein Auftrag bedeutet Geld, bedeutet Essen, bedeutet eine schnelle Rückkehr nach St. Moritz. Da ich nichts anderes zu tun habe, beschließe ich, ihn zu treffen. Ich schlendere durch die Altstadt, vorbei an der reformierten Martinskirche, die eingeklemmt zwischen den Häusern unterhalb des Hofes steht. Hier die stolze, reformierte Pfarrkirche, oben die pompöse Kathedrale, Sitz des Bischofs von Chur, abgehobener und reichlich konservativer Herrscher über weit verstreute und doch widerspenstige Gläubige. Gleich hinter dem Martinsplatz führt ein schmaler Durchgang hinaus auf den Arcas. Lange konnten die Churer wenig mit diesem Platz anfangen, er war zu groß, zu leer, lag nicht im Zentrum, hatte keine Tradition. Da die Verkehrsplaner nun einmal die Fläche zwischen den Häusern von den Autos befreit hatten, begann eine zögerliche Inbesitznahme des Arcas. Markttreiben an Samstagen, im Sommer eine Freilichtbühne, spielende Kinder und kaffeetrinkende Mütter sowie in die Sonne blinzelnde Müßiggänger.

      Die Tische vor den Restaurants sind auch heute gut besetzt, ich brauche eine Weile, bis ich den Italiener hinter einer Zeitung entdecke.

      »Fame? Haben Sie Hunger? Ich würde Sie gerne einladen.« Er schaut sich die Speisekarte an und bestellt uns Wein und etwas zu essen.

      »Salute, zum Wohl. Io sono Marco Morandi.« Er hebt sein Glas.

      »Ich bin Claudio Mettler, freut mich. Um was geht es bei dieser Arbeit?«

      »Ma no, Signore Mettler, erst das Essen, dann il lavoro.«

      Wir schauen auf den Platz hinaus, Kinder spielen am Brunnen, junge Leute mit Schultaschen gehen vorbei, Frauen bummeln schwatzend über das Pflaster.

      Es wird aufgetragen, mir wird bewusst, dass ich heute noch nichts Ordentliches im Magen hatte, wir essen, prosten uns zu, unterhalten uns über Hunde, dann über Kunst.

      »Kennen Sie Giacometti?«

      »Alberto Giacometti? Ich bin sozusagen Experte für Moderne Kunst, ich arbeite hier im Kunsthaus.« Eine meiner Schwächen – und da gibt es laut Mona einige – ist die der Übertreibung. Aber den Bergeller Künstler, der in Paris zu Weltruhm kam, kennt wirklich fast jedes Kind, er ist auf der Hunderternote abgebildet, seine dünnen Skulpturen stehen in vielen bedeutenden Sammlungen und werden bei Auktionen zu Rekordpreisen gehandelt.

      »Che fortuna! Was für ein Glück für mich, sehen Sie,

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