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Warentransport über weite Strecken und verband die zu der Zeit wichtigsten Orte und Produktionsstätten in dieser Gegend mit anderen Gegenden. Ein Jahrtausend später war dieser dann Teil der sogenannten "via regia", eines unter königlichem Schutz stehenden Handelsweges, der bis an die heutige litauische Grenze führte. Wenn man den Verlauf der B1 auf heutigen Landkarten betrachtet, so sieht man in etwa den damaligen Weg dieser alten Straße. Die meisten Bundesstraßen gingen aus ähnlichen historisch gewachsenen Schneisen durch die Landschaft hervor. Auch manche Straßen in großen Städten Nordrhein-Westfalens zeichnen immer noch den Weg nach, auf der der Hellweg früher verlief.

      Borgholzhausen, Wesel, Singapur

      Bad Salzuflen erreiche ich mit vielen Zwischenstationen wie durch ein Wunder fahrplanmäßig. Ich bin beeindruckt. Mir ist unerklärlich, wie Busse meist pünktlicher sein können als der schienengebundene Zugverkehr. Ist nicht der Straßenverkehr, in dem sich Linienbusse bewegen, chaotischer und unberechenbarer als der zentral gelenkte Verkehr auf der Schiene? Außerdem geht auch immer unkalkulierbar Zeit drauf, wenn vom Fahrer Tickets verkauft oder kontrolliert und langwierige Tarifauskünfte gegeben werden müssen. Im ZOB Bad Salzuflen steige ich im Busbahnhof aus. Was für ein Gebäude! Ich wähne mich in Spanien. Jeder Bussteig hat seinen eigenen Torbogen und ist komplett überdacht.

      Am selben Ort entere ich am nächsten Morgen die Linie 350 und fahre frohgemut meinem Ziel entgegen. An der Haltestelle Borgholzhausen/Strothenke - welch lyrischer Name! - erwartet mich neben einem von vier Umstiegen an diesem Tag eine unangenehme Überraschung. Eine, die international bekannt, verflucht und geächtet ist. Nein, nicht der Tritt in Hundescheiße. Die ist an Haltestellen eher unterrepräsentiert. Ich stolpere auch über keine Zigarettenfilter, dem sichersten Hinweis für die Existenz von Haltestellen.

      Nein, ein frisch ausgespieenes Kaugummi verbindet sich unlösbar mit der neuen Sohle meines bequemsten Schuhwerks. So frisch, dass er sich gefühlt zwei Meter langzieht, als ich den nächsten Schritt mache. Wissenschaftlern im gesamten uns bekannten Universum ist es bislang nicht gelungen, wirksame Mittel gegen diese Plage der Menschheit zu entwickeln.

      Allerdings gibt es wehrhafte Orte, die Widerstand leisten. Wesel erwägt, unabhängig von Größe, Farbe und Geschmacksrichtung eine Kaugummisteuer einzuführen. Mannheim hat in seine Polizeiordnung geschrieben, dass es verboten sei, sowohl Hundescheiße als auch eingespeichelte Kaugummis zu hinterlassen. Und in Singapur hat man die Schnauze respektive die Schuhe wohl richtig voll gehabt. Herstellung, Import und Verkauf von Kaugummis war bis vor kurzem komplett verboten. Neuerdings dürfen Apotheken dort 19 zu therapeutischen Zwecken zugelassene Sorten Kaugummi gegen Notierung von Namen und Reisepassnummer an Kund*innen abgeben. Bei Verstoß gegen diese Regeln drohen dem Drogisten empfindliche Geldstrafen oder gar Kerker. In London dagegen produziert ein phantasiebegabter Künstler Miniaturbilder auf die getrockneten Hinterlassenschaften am Boden, bleibt straffrei und wird damit weltbekannt. Die spinnen bekanntlich, die Briten.

      Mir hilft das alles nichts. Mit klebrigem Schuhwerk erreiche ich nach weiteren Umstiegen früh am Tag das Ziel der Etappe: Bad Laer.

      Privatkur

      Bad Laer? Nie gehört. Macht nichts. Dieser Kurort ist das Ziel meiner Etappe. Am Rande des Teutoburger Waldes, wo die Sole aus der Erde tritt. Salziges Wasser, hilfreich bei jeglichen Zipperlein. Ich solle unbedingt auch bei "da L." ein herrliches Eis schlecken, schlug G. mir vor, als sie mich hierher sandte. Aber das Eiscafé hat noch geschlossen, die Saison hat noch nicht begonnen. Das sagt sich auch die Witterung. Macht den Gute-Wetter-Laden zu und jagt Sturm und Regen über das Land.

      Also mache ich das Beste daraus. Ich genehmige mir eine Tages-Privatkur in der gut geheizten kleinen Solebadeanstalt, dem zentralen Therapiezentrum dieses beschaulichen und überschaubaren Ortes mit kleinstädtischem Charme. Meine Anwendungen gestalte ich in Eigenregie selbst mit ChiGong, mir kürzlich auf Kassenkosten aufgetragenen physiotherapeutischen Übungen gegen die Blockierung meines Iliosakralgelenks, heftigen heißen Soledampfinhalationen und "Totem Mann" auf dem hochkonzentrierten Salzwasser des Badebeckens. Natürlich gibt es danach als Belohnung Sahnetorte mit extrastarkem schwarzem Heißgetränk im Park-Café und abends budgetentlastend Discounter-Kost in meiner von Handwerkern bevölkerten gemütlichen Pension.

      Zwei Postkarten müssen noch auf den Weg gebracht werden. Ich sende sie regelmäßig von unterwegs an meine kleinen Enkel. Von einem Kiosk, der keine Touristenware im Sortiment hat, werde ich zu einer Buchhandlung geschickt. Ein altertümlicher Leuchtkasten über dem Eingang trägt den Namen Eugen B. in einem nicht mehr gebräuchlichen Schriftfont. Im selben althergebrachten Stil verkünden die Schaufenster ‚Papierwarenhandlung‘ und ‚Buchhandlung‘ in einem. Ich betrete einen bis zum letzten Quadratmilimeter von oben bis unten vollgepackten Verkaufsraum und fühle mich in eine vergangene Zeit versetzt.

      Feuerzeuge, Tornister, Bücher, Schreibwaren, Taschenlampen, Zeitungen, Postkarten, Druckerpatronen und Wundertüten. Wo gibt es denn heute noch Wundertüten? In Bad Laer, im überquellenden Sortiment und Sammelsurium von Eugen B. Zwei Mädchen, vom Alter her erste Grundschulklasse, suchen sich gegenseitig beratschlagend Devotionalien in Form moderner Heldenfiguren aus, die wohl gerade ‚in’ sein müssen. Sie finden etwas, Material Plastik, Farbe Pink, das wohl ihrem Taschengeldbudget entspricht. Die Euro-Münzen in die kleinen Hände gepresst stellen sie sich zum Bezahlen an. Ein Bild aus meiner Kindheit schiebt sich über diese Szenerie. Ich sehe mich, Wundertüten sorgfältig auswählend, befühlend, in der Hoffnung, einen Löwen oder gar Elefanten aus Plastik zu finden. Meistens wurde ich enttäuscht. Dennoch wiederholte ich diesen Nervenkitzel bei der nächsten finanziellen Zuwendung. Zurück in die Gegenwart. Die Ladenbesitzerin nimmt gerade per Telefon einen Suchauftrag nach einem Buch an. Ihre Mutter, augenscheinlich schon weit im Rentenalter, prüft derweil an der Kasse ausführlich die Funktionsfähigkeit eines Stempels. Der ganze Laden atmet diese Bedächtigkeit, mit der sie ihre Verrichtungen vornimmt. Der ‚Stempelkunde‘ wartet geduldig. Und die hinter ihm in der Reihe Wartenden ebenso. Am Ende derselben auch ich. Man stelle sich das einmal an der Kasse irgendeines Discounters vor. Längst hätte da schon einer der wenigen wartenden Männer unter den Frauen aus dem Hintergrund nach der Öffnung der nächsten Kasse gebölkt.

      Am nächsten Morgen erwache ich mit einer starken Erkältung und schleppe mich mit dieser und anderen erkälteten Menschen gemeinsam im öffentlichen Nahverkehr nach Osnabrück, um von dort per Intercity zügig zurück nach Hannover und ins traute Heim zu gelangen. Trotz der gestern gründlich eingeatmeten soleträchtigen gesundheitsfördernden Atemluft meldet meine Nase: Habe geschlossen. So wie Eis-Café und Wetter auch. Dumm gelaufen.

      Nachrichten aus Hannover, Deutschland und der Welt:

      Während einer der zahlreichen Messen in Hannover kostet ein Hotel-Zimmer über 500,- €. Die Bundeswehr soll nach dem Willen der Bundesregierung kräftig wachsen und Peugeot garantiert die übernommenen Opel-Jobs in Deutschland. In Afrika droht 1,4 Millionen Kindern der Hungertod.

      traumbild

      ich fahre mit dem rad einen schmalen sandigen naturweg in eine weite grüne grassteppe hinein beidseitig ragt zum teil menschenhohes gras über den wegesrand ab und zu unterbrochen von frischem buschwerk entfernt im hintergrund kontrastiert von einem dunklen wald in grauem feuchtmattem nebel von links nach rechts über den gesamten horizont reichend vielleicht so etwas wie ein regenwald es ist diesig keine sonne dringt herab kein wind weht.

      näher kommend erkenne ich am waldesrand viele schwarzweißborkige birken der wald wird wohl doch kein regenwald sein die birken sind krumm und schief gewachsen alle miteinander als wäre es ihre art wie sie sich schlangenförmig hin und her windend nach oben strecken dann weiß ich nicht weiter soll ich nun nach links oder wieder nach rechts fahren oder wohin aber ich fahre weiter und kann den wald doch nicht erreichen

      überhaupt nicht. nie und nimmer.

      4.Etappe

      Zum Mittelpunkt Deutschlands, zum Hainich und weiter nach Bamberg

      30.März – 4.April

      Reiseverlauf

      Diese vierte Reiseetappe führt mich von Sachsen-Anhalt durch Thüringen nach Bayern, von Wernigerode durch den Harz, am Rande des Eichsfelds entlang, den Thüringer Wald

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