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hat er unsanft vertrieben.“ Dann schluckte Leary auf einmal. Er sprach mit belegter Stimme weiter. „Böse Sachen sind da manchmal vorgekommen, Connally. Dinge, die Anlass geben könnten, mehr als nur den Stier abzuschießen…“

      42

      Es war bereits spät am Abend. Die Dämmerung hatte sich über das Land gelegt, und in New Kildare gingen die ersten Lichter an. Die Kühle der Nacht kündigte sich bereits deutlich an, aber der einsame Reiter, der sein Pferd durch die Straßen der Stadt führte, hatte wohl kaum aus diesem Grund den Kragen seiner Baumwolljacke hochgeschlagen, so dass nur die obere Hälfte der Nase und die Augen zu sehen waren.

      Es machte ganz den Anschein, als würde er sich gut in der Stadt auskennen und nicht zum ersten Mal durch die staubigen Straßen reiten.

      Er traf kaum jemanden.

      Die meisten Leute befanden sich in ihren Häusern oder im Saloon. Eine Gruppe johlender und angetrunkener Cowboys ritt an ihm vorbei, ohne ihn weiter zur Kenntnis zu nehmen.

      Der Reiter lenkte sein Pferd in Richtung des Sheriffbüros, stieg aus dem Sattel und machte es fest.

      Drinnen brannte noch Licht.

      Der Reiter ging zum Fenster und warf einen Blick nach innen. Henry Duggan, der Sheriff von New Kildare, saß hinter seinem Schreibtisch auf einem groben Holzstuhl. Er hatte die Füße hochgelegt und war gerade im Begriff, sich eine dicke Zigarre anzuzünden.

      Der Reiter ging zur Tür, öffnete sie, ohne vorher anzuklopfen, und trat ein.

      Die Rechte befand sich in der Nähe des Colts, den er im Holster stecken hatte.

      „Hey …“

      Duggan nahm die Füße vom Schreibtisch und drehte sich zu dem Mann um. Er runzelte die Stirn und erhob sich dann.

      „Was gibt es, Mister …?“

      „Ich habe mit Ihnen zu reden, Sheriff Duggan!“

      Duggan spürte die unterschwellige Feindseligkeit, die in der Stimme des anderen mitschwang. Seine Hand glitt zur Hüfte, obgleich er wusste, dass er seinen Revolvergurt an einem Haken an der Wand aufgehängt hatte.

      Der Mann schlug den Kragen seiner Jacke herunter, und Duggan öffnete zunächst fassungslos den Mund.

      „Nelson!“, entfuhr es ihm dann einige Sekunden später.

      „Verdammt, was machen Sie hier in New Kildare?“

      Nelsons Gesicht blieb völlig regungslos, nur in seinen Augen blitzte es gefährlich.

      „Eine seltsame Frage, Sheriff, finden Sie nicht auch?“, meinte Nelson. „Habe ich etwa kein Recht, hier in New Kildare zu sein?“ Er schüttelte den Kopf. „Eine merkwürdige Auffassung von Recht und Gesetz wäre das, meinen Sie nicht auch?“

      Duggan war diese Begegnung ganz offensichtlich unangenehm. Im Augenblick schien er sich in seiner Haut ganz und gar nicht wohl zu fühlen.

      „Was wollen Sie von mir?“, fragte er, aber seine Stimme klang schwach.

      Oh, verdammt!, durchzuckte es den Gesetzeshüter.

      Warum muss dieser Mann auch wieder hier auftauchen? Das gibt nur Ärger!

      Nelson ignorierte zunächst die Frage seines Gegenübers und ging zu dem ans Office angeschlossenen Zellentrakt.

      Aber die zwei Zellen, die Duggan zur Verfügung standen, waren leer.

      Nelson lachte heiser und freudlos. Er kam zurück und sah, dass Duggan sich unterdessen seinen Revolver umgeschnallt hatte.

      „Habe ich es mir doch gedacht!“, stieß Nelson wütend hervor.

      „Wovon sprechen Sie?“

      „Weshalb haben Sie Dan McLeish nicht hier in Ihrer Zelle?“

      „Waas?“

      „Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass er schon gehenkt wurde, oder?“

      „Hören Sie, Mr. Nelson …“

      „Nein, verdammt noch mal, Sie hören jetzt mir zu …“

      Er machte eine kleine Pause, bevor er fortfuhr: „Sheriff Duggan!“ Nelson sagte das mit tiefer Verachtung, und Duggans Gesicht lief puterrot an. „Dieser McLeish hat meine Farm abgebrannt, mein Kind ist in den Flammen umgekommen, meine Frau wurde erschossen, die Schafe massakriert! Ich selbst bin nur mit knapper Not dem Tod entronnen! Sie werden doch davon gehört haben, oder?“

      „Ja, ich habe von ein paar Cowboys im Saloon etwas gehört. Da war irgendetwas los, aber genau weiß ich nicht, ob …“

      „Haben Sie sich den Tatort angeschaut, Duggan?“

      „Ich …“

      „Ja oder nein?“

      „Nein.“

      „Dann werden wir das jetzt gleich nachholen!“

      „Aber … wissen Sie, wie spät es ist?“

      „Weiß ich. Wenn Sie den Tatort besichtigt haben, reiten wir zur Ranch von McLeish, und Sie werden den Kerl dann verhaften!“

      „Mr. Nelson, vielleicht sollten wir zusammen auf einen Drink in den Saloon gehen und alles noch einmal in Ruhe besprechen … Sie scheinen mir jetzt etwas zu erregt, um …“

      „Es sind zwei Morde geschehen, einer davon an einem wehrlosen Kind! Und es ist Ihre verdammte Pflicht, dem nachzugehen und dafür zu sorgen, dass solche Verbrechen nicht ungesühnt bleiben!“ Nelson machte eine Bewegung mit der Hand. „Satteln Sie Ihr Pferd!“

      Sie wechselten einen kurzen Blick miteinander, und Duggan erschrak, als er den Schmerz und den Hass in den Zügen des anderen sah.

      „Es ist besser, wenn Sie wieder dorthin zurückgehen, wo Sie jetzt herkommen! Seit Sie hier in der Gegend mit Ihren Schafen aufgetaucht sind, hat es nichts als Schwierigkeiten mit Ihnen gegeben, Nelson!“

      „Ist das Ihre Auffassung von Gerechtigkeit? Einen Mörder zu decken?“

      „Mr. McLeish ist ein Ehrenmann“, erklärte der Sheriff.

      „Ich habe keinerlei Veranlassung, etwas gegen ihn zu unternehmen!“ Duggan wandte das Gesicht ab und starrte zu Boden. „McLeish hat viel für diese Stadt getan, Nelson. Und was Ihre Anschuldigungen angeht …“

      „Keine Anschuldigungen! Beweisbare Tatsachen, verdammt noch mal!“ Nelson schrie es fast heraus, sah dann aber das puterrote, unsichere Gesicht des Sheriffs und schwieg.

      Duggan hat die Hosen gestrichen voll!, wurde ihm mit einem Mal klar. Er hat Angst!

      Es war sinnlos, von jemandem wie ihm zu erwarten, gegen einen Mann mit McLeish vorzugehen.

      Nelson atmete tief durch.

      Dann zischte er: „Es gibt zwei Möglichkeiten, Duggan: Entweder Sie sorgen in diesem Fall für Gerechtigkeit, wie es Ihrer Aufgabe entsprechen würde, oder …“

      „Oder was …?“

      „… oder ich nehme die Sache selbst in die Hand! Aber es wird dieser Mord gesühnt werden, so wahr ich hier stehe!

      Davon kann mich niemand abhalten!“

      „Ich kann Ihnen nicht helfen“, erklärte der Sheriff.

      „Aber einen guten Rat kann ich Ihnen geben!“

      „Pah!“, machte Nelson. „Darauf kann ich verzichten!“

      „Wenn Sie die Sache selbst in die Hand nehmen sollten, bekommen Sie es nicht nur mit McLeish zu tun, sondern auch mit mir!“

      Nelson verzog spöttisch den Mund.

      „Im Augenblick sind Sie kaum

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