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Grünes Gold. Helmut Ginzinger
Читать онлайн.Название Grünes Gold
Год выпуска 0
isbn 9783957800206
Автор произведения Helmut Ginzinger
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Readbox publishing GmbH
Für meine Ermittlungen hilft mir das alles im Moment wenig. Der Minister beendet seine Rede und ich renn mit den Fotografen mit, um ein paar Fotos zu schießen. Mein Dok, die Hopfenkönigin und dazu noch ein paar graue Eminenzen scharen sich um den Minister, und ich knipse, was der Apparat hergibt. Dann dreh ich mich um und mach mehrere Fotos von den Fotografen, von den ganzen Zuhörern und was sonst noch so im Saal rumläuft, man weiß ja nie.
Für die geladenen Gäste geht’s nach der Ministerrede per Bus durch unsere eindrucksvolle Hügellandschaft, die jetzt, zu Beginn des Hopfenzupfens Mitte/Ende August, am schönsten ist. Die Hopfengärten sind voll mit ganz nach oben gewachsenen Hopfenreben, und der Hopfen selbst verbreitet während der Erntezeit diesen wunderbar herben, aromatischen Duft. Eine schöne Zeit!
Die Rundfahrt kann ich mir sparen, ich kenne meine Hallertau. Laut Programm landen die Busse, wie gesagt, am Ende in Buchkirchen beim Grantlbauern. Ich steig in meinen Wagen und fahr los.
Es bildet sich ein kleiner Konvoi von fünf Autos, deren Fahrer anscheinend alle die gleiche Idee haben. Wir folgen nicht den Bussen, sondern fahren direkt zum Grantlbauern. FS, PAF und KEH fahren vor mir und hinter mir ein DD. Bis auf den DD alles lokale Kennzeichen. Während der Hopfenernte sind die Straßen in der Hallertau nicht gerade die saubersten und somit wirbeln die paar Fahrzeuge ganz schön Staub auf. Das Autowaschen kannst du dir während dieser Zeit sparen.
Der Autokonvoi biegt nach einigen Kilometern Fahrt in den Hof vom Grantlbauern ein, wo schon ein paar Parkplatzeinweiser stehen. Immer mehr Autos sammeln sich hier, und nach circa einer halben Stunde treffen die Busse ein. Eng wird’s trotzdem nicht auf dem prächtigen Anwesen, da könntest du noch immer Fußball spielen. Manchen Hopfenbauern geht’s dann doch nicht so schlecht, sind halt alles fleißige Leut.
Doktor Treikert steigt als einer der Ersten aus seinem Bus, dicht gefolgt von einer attraktiven Dame im Dirndl, es ist allerdings nicht die Hopfenkönigin. Er unterhält sich sehr angeregt mit ihr, die scheinen sich gut zu kennen. Während nun eine Art Führung am Hof beginnt und der Minister sich bei der Arbeit an der Hopfenpflückmaschine versucht, beginnt wieder die große Knipserei. Dabei fällt mir auf, dass sich nicht alle Pressefuzzis dem Minister widmen, sondern einer sehr oft auf meinen Doktor und seine Begleitung zielt. Das könnt zwar auch Zufall sein, aber den schau ich mir trotzdem näher an. Jeans, blaues T-Shirt und ein dunkelblaues Sakko, wir haben anscheinend denselben Schneider. Einen Presseanstecker hat er am Revers, wenn das mal kein plumper Trick ist!
Was soll’s, für mich ist das mein erstes Zielobjekt und ich mach ein paar Schnappschüsse von ihm und bleib an ihm dran. So, wie es aussieht, kennt er auch einige von den Silberrücken oder zumindest einen, mit dem unterhält er sich sehr angeregt. Sicherheitshalber mach ich ein Foto von meinen beiden Verdächtigen.
Nach geschätzten drei Minuten Arbeit an der Hopfenzupfmaschine ist unser Landwirtschaftsminister inzwischen ganz schön ins Schwitzen gekommen. Anmerken lässt er sich allerdings nichts. Bereitwillig und äußerlich locker nimmt er nach einer kurzen Pause die mindestens vierzig Stufen hinauf zur Hopfendarre, die Hightech-Trocknungsanlage will doch bewundert werden. Einigen seiner Politikerkollegen fällt der Weg nach oben nicht gar so leicht und auch die Pressevertreter schwächeln etwas. Auf halbem Weg ist für die meisten Schluss. Den wenigen, die es bis nach oben schaffen, wird’s in der Darre schnell zu warm. Die Technik wird nicht so eingehend erklärt, schließlich soll ja der Hopfen die Flüssigkeit verlieren und nicht die Prominenz. Ein öffentlichkeitswirksames Foto, bei dem sich neben dem Minister auch die wenigen Feierabendpolitiker, die es bis nach oben geschafft haben, in Szene setzen können, muss allerdings schon noch sein. Beim Weg hinunter über die steilen Stufen heißt es dann schön aufpassen, damit man nicht direkt im kalten Buffet landet, das inzwischen vorbereitet wurde. Sichtlich erschöpft lässt sich die Obrigkeit auf den bereitgestellten Biertischgarnituren nieder. Sattgrüne Hopfenkränze liegen auf den weißblauen Tischdecken mit Rautenmuster - wenn’s einen da nicht nach einem guten Bier und einer Brotzeit gelüstet, dann weiß ich auch nicht mehr.
Mein Doktor sitzt neben dem Minister, ganz wie es sich gehört. Jeder hat eine Maß Bier vor sich stehen, randvoll eingeschenkt mit einer werbereifen Schaumkrone. Vermutlich werden die hohen Herrschaften nur alkoholfreies Bier trinken, sie müssen ja noch arbeiten. Aus dem Hintergrund drängt sich nun mein zweiter Verdächtiger an den Tisch des Ministers. Das gefällt meinem Doktor gar nicht und er bekommt einen roten Bimbus auf. Ich geh näher ran und erkenn erst jetzt, dass das ja einer der Mitbewerber für den Professorenjob ist. Das ist Dr. Knochert, wenn ich die Bilder aus dem Internet recht in Erinnerung hab.
Wie schon gesagt, das schmeckt meinem Doktor überhaupt nicht, dass der sich nun den Minister krallt und ihn zutextet. Jetzt heißt es fighten, Dok!
Die meisten anderen Besucher haben sich nun von dem alkoholfreien Blembbe abgewandt und sind, wie man rasch an der Stimmung merkt, zum weitaus beliebteren normalen Hellen und Weißbier übergegangen. Es hat schon seinen Grund, wieso die Leute mit Bussen hierher kutschiert wurden. Der Grantlbauer spart ausnahmsweise nicht mit Freibier und Brotzeit, was wiederum zur Folge hat, dass viele Besucher gar nicht mitbekommen, dass der Minister schon nach dreißig Minuten wieder abhaut. Wichtige Termine, versteht sich. Seine Staatskarosse war ohne ihn brav den Bussen gefolgt, als sich der Minister volksnah im Bus die Hallertau zeigen ließ.
Nur einige wenige Köpfe sieht man im ersten Bus, der bereits kurz nach der Ministerkarosse den Bauernhof verlässt. Die zweitwichtigsten Leute eben. Meinen Dok glaube ich in vorderster Reihe zu erkennen. Einige Sitzreihen dahinter seinen »Nebenbuhler« um die Professur.
Etwas abseits der ganzen Meute verschwindet mein Verdächtiger Nummer eins, der Presseheini, Richtung Parkplatz. Den werd ich mir näher anschauen, denk ich, und folge ihm. Er geht schnurstracks zum Auto mit DD-Kennzeichen, sperrt auf, steigt ein und beginnt zu telefonieren. Ich schleich mich hinter den Wagen, kann das Telefonat aber nur schwer verstehen. Was ich allerdings verstehe, ist, dass der keinen Dialekt spricht, sondern auf Englisch telefoniert.
»I’ve taken some very nice pictures of Mr. Treikert and his girlfriend, you will be excited.«
Ja so ein Bazi, also kein Fotograf, sondern ein Kollege? Der Treikert ist sicherlich nicht begeistert, dass einer Fotos von ihm und seiner Begleitung macht, ohne ihn zu fragen.
Der Kerl telefoniert noch weiter, spricht aber zu leise und ich hör nix mehr. Als er den Motor startet, mach ich mich besser vom Acker, bevor der mich noch sieht oder mich gar arschlengs, also rückwärts (kommt halt vom Allerwertesten) mit dem Auto über den Haufen fährt.
Die Blaskapelle hat inzwischen zu spielen begonnen und etwa fünfzig bis sechzig lustige Gäste scheinen wohl noch für längere Zeit beim Grantlbauer zu bleiben. Da vermutlich keiner der Anwesenden meinen Doktor verfolgen will, pack ich meine Kamera weg und misch mich unters Volk, vielleicht erfahr ich noch was Interessantes. Den Grantlbauern kenn ich von früher. Wie er mich sieht, geht er gleich zu mir her:
»Ja sag einmal, Vinzenz, was hat dich denn heute nach Buchkirchen verschlagen?«
»Servus, Sepp, wenn du schon so hohe Prominenz bei dir hast und ausnahmsweise Freibier ausgibst, interessiert mich das halt auch. Wen hast du denn da wieder geschmiert, dass die Großkopferten alle bei dir sind?«
»Weißt, Vinzenz, es könnt ja sein, dass man irgendwann mal einen von denen braucht, und in dem Moment ist es nicht schlecht, wenn du auf die eine oder andere ›gute Tat‹ hinweisen kannst.«
Wir unterhalten uns noch ausgiebig und der Sepp weiß mancherlei über seine hohen Gäste zu erzählen. Mir werden dabei auch verschiedenste Zusammenhänge klar, zumindest während der ersten Maß, später wird’s dann etwas undurchsichtiger.
Weil der Sepp auch Zimmer vermietet – »Urlaub auf dem Bauernhof « – und ich im Laufe des Abends locker die 0,8-Promillegrenze überquere, bleib ich lieber gleich bei ihm. Schöne Zimmer, zu einem Bruchteil des Preises von Bad Wiessee.
Am nächsten Morgen bin ich fast topfit. Beim Frühstück kann ich mir noch Zeit lassen, danach muss ich allerdings