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bedeutet wie »Souffleurkasten«.

      Die heutige Wissenschaft weiß es besser. Der Mistral, ein kalter, meist trockener Wind polaren Ursprungs, weht durchschnittlich 151 Tage im Jahr aus Norden/Nordwesten Richtung Frankreich. Dort wird er durch die Alpen zur Rhône hin umgeleitet. Das lange, untere Rhônetal wirkt dabei wie ein Tunnel: Der Luftstrom wird dort gleichsam hineingepresst, sodass seine Geschwindigkeit, ungebremst durch natürliche Hindernisse, stark zunimmt.

      Der Mistral ist also immer ein Nordnordwestwind. Das erklärt, warum man sich oben in der Mondlandschaft in einem Moment die Seele aus dem Leib treten muss, um voranzukommen, und im nächsten Moment etwas durchatmen kann. Schließlich schlängelt sich die D 974 dort in einem kurvenreichen Zickzackkurs hinauf: ein Stückchen nordwärts (Gegenwind), nach der Kurve dann Richtung Westen (Seitenwind), nach der nächsten Kurve wieder gen Norden (Gegenwind) und so weiter.

      Als Radfahrer hat man es in der Regel mit dem sogenannten weißen Mistral zu tun. An einem überwiegend blauen Himmel schweben hier und da hohe Wolken, die die Form von Linsen oder Sepiaschalen haben, diesen weißen Rückenknochen von Tintenfischen, die man manchmal am Strand findet. Aber gelegentlich hat man Pech und der Himmel hat sich zugezogen und es regnet; dann ist man dem ausgesetzt, was schwarzer Mistral genannt wird.

      Am häufigsten bläst der Mistral Ende Winter/Anfang Frühling und im Juli, und je höher man kommt, desto kräftiger.

      Daneben gibt es noch den Marin, einen feuchten Wind, der vor allem im Herbst aus Süden/Südosten vom Mittelmeer her nach Frankreich hineinweht; das geschieht durchschnittlich 91 Tage im Jahr. Wenn der Marin sich erhebt, wissen die Menschen, dass es bald aus Kübeln schütten wird.

      Aber es gibt nicht nur Grund zum Klagen, denn wir haben auch noch den Ventoureso, »die Brise vom Ventoux«. Die Einwohner von Arles, einer Stadt südwestlich des Mont Ventoux, gaben diesem Namen jenem trockenen, frischen Wind, der für sie gelegentlich aus Nordosten kommt, also aus Richtung des Ventoux. Besonders in heißen Sommern ist diese angenehm frische Brise mehr als willkommen.

      Extreme Windgeschwindigkeiten. Es ist klar, dass in großen Höhen – und der Gipfel des Ventoux liegt ziemlich hoch – der Wind häufiger und heftiger weht als in der Ebene der Provence. Hinzu kommt, dass der beinahe senkrecht aus der Ebene aufsteigende Ventoux den heranströmenden Wind zu noch höheren Geschwindigkeiten antreibt.4 Einige behaupten, dass oben auf dem kleinen Gipfelplateau an 256 Tagen im Jahr ein starker Wind weht, andere sprechen von 173 Tagen, wieder andere kommen auf 130 Mistraltage im Jahr. An 118 davon soll der Nordwind mehr als 100 km/h erreichen; mehrmals wurden schon über 250 km/h gemessen.

      Nach Angaben des Verteidigungsministeriums steht der absolute Windgeschwindigkeitsrekord seit dem 15. Februar 1967 bei 320 km/h, ein Wert, der am 19. November desselben Jahres noch einmal gemessen wurde; übrigens war es seinerzeit nicht der Mistral, sondern der Marin, der über den Berg hinwegfegte. Am 20. März 1967 erreichte der Mistral seine (vermeintliche) Höchstgeschwindigkeit: 313 km/h.

      Zum Vergleich: Als Windrekord in den Niederlanden gilt bisher ein Stundenmittelwert von 132,2 km/h, den die Messstelle KNMI Maastricht am 4. Juni 1912 vermeldete. Die bisher stärkste offiziell auf dem niederländischen Festland gemessene Böe bekam Hoek van Holland ab: Am 6. November 1921 zeigten die Messgeräte dort einen Ausreißer von 162 km/h an – Peanuts im Vergleich zur geschätzten Geschwindigkeit des Wirbelsturms auf Vlieland am 5. November 1948: 202 km/h. Aber Vorsicht: Unterschiedliche Quellen liefern jeweils abweichende Zahlen.

      Man erzählt sich – und mehrere Leute behaupten, es mit eigenen Augen gesehen zu haben –, dass bei den oben genannten Windgeschwindigkeiten auf dem Ventoux die Steine die Hänge hinaufgeweht werden. Se non è vero, è bon trovato – wenn es nicht stimmt, ist es zumindest gut erfunden… Es ist generell ratsam, all diese Informationen mit Vorsicht zu betrachten. In der Vergangenheit haben sich die Windmesser nicht gerade durch ihre Genauigkeit ausgezeichnet, sie zeigten oft zu hohe Werte an. Dies ist seit dem 7. Juli 2016 anders – siehe Der braune Turm in: Der Berg, S. 33.

      Weil der Gipfel dieses Berges nun mal so vortrefflich die Fantasie anregt, im Folgenden noch ein paar weitere Daten und Fakten zu den Wetterbedingungen dort oben – mit Dank an die französischen Meteorologen, das Verteidigungsministerium sowie verschiedene Tourismusbüros und Naturschutzorganisationen.

      Die Winter auf dem Gipfel des Ventoux wollen kein Ende nehmen. Mehr als 140 Tage im Jahr liegt dort oben Schnee, an 173 Tagen herrscht Frost und es kann wirklich sehr kalt werden: Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt zwischen 3 und 4 °C, aber die niedrigste in der kalten Jahreszeit gemessene Temperatur beträgt jedes Jahr etwa –27 °C. Selbst im Juli und August können die Temperaturen manchmal unter den Gefrierpunkt sinken. Andererseits: Während der Hitzewelle Ende Juni 2019 wurden oben auf dem Gipfel 33 °C gemessen siehe Wetter in: Tipps, S. 177.

      Im Sommer sind es am Gipfel meist zwischen 10 und 18 °C, was etwa elf Grad kühler ist als am Fuße des Berges – nicht wenige Besucher lassen sich davon überraschen.

      Das Wetter auf dem Ventoux ist nicht nur eigenwillig, es kann auch in kurzer Zeit von einem Extrem ins andere umschlagen, und es ist oben immer ein Stückchen kälter als im Tal. La Provence, die lokale Tageszeitung des Vaucluse, formuliert es so: »En terme de météo, il se passe toujours quelque chose au Ventoux. Sa normalité, c’est l’excès. On y est, le plus souvent, dans le trop. Trop chaud, trop froid ou trop venté…«. Frei übersetzt: »Was das Wetter betrifft, ist auf dem Ventoux immer etwas los. Das Abnormale ist dort die Norm und meistens ist es hier ›zu‹: zu heiß, zu kalt oder zu windig.« Etwas, was insbesondere Radfahrer und Wanderer stets bedenken sollten.

      Und dann versteckt sich der Gipfel auch noch an 200 Tagen im Jahr in den Wolken, auch das natürlich keine perfekten Fahrradbedingungen entlang der leeren Hänge. Obwohl, leer? Das Syndicat Mixte d’Aménagement et d’Equipement du Mont Ventoux (SMAEMV), das sich mit der Organisation von allen möglichen Dingen befasst, die sich auf dem Gipfel des Berges abspielen, schätzt, dass jedes Jahr rund 700.000 Menschen das Vaucluse von oben herab in Augenschein nehmen… Fast 70 Prozent davon sind Franzosen, die Gäste aus dem Ausland kommen hauptsächlich aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Nach Angaben der Gemeinde Bedoin erreichen von diesen 700.000 Besuchern rund 130.000 den Gipfel mit dem Fahrrad.

      Beeindruckende Zahlen, aber man sollte der Ehrlichkeit halber noch mal betonen, dass keine zwei Quellen die gleichen Zahlen liefern. Eine Frage der Definitionen? Von Messmethoden? Das berühmte französische Laissez-faire? Die einzige zuverlässige Schlussfolgerung, die Sie aus all den Daten ziehen können, sollte lauten: Beim kahlen Berg weiß man nie wirklich, woran man ist.

       Wälder

      Der Ventoux ist ein erstaunliches Phänomen. Man sollte meinen, dass es so weit im Süden überall ein mediterranes Klima mit der dazugehörigen Flora und Fauna geben würde. Im Tal stimmt das auch, aber wenn man den Berg genauer betrachtet, sieht man bemerkenswerte Dinge. Klimatisch gibt es große Unterschiede zwischen z.B. der Nord- und der Südseite – siehe Klimazonen in: Der Berg, S. 22.

      Aber es gibt noch mehr Auffälligkeiten. Nur der Gipfel des Ventoux über 800 Metern besteht aus reinem Kalkstein; in den unteren Lagen wechselt der Kalkstein mit anderen Gesteins- und Bodenarten. Vor allem die Südflanke weist zahlreiche Störungen der ursprünglichen Erdschichten auf. Dies hat Konsequenzen für die Wasserversorgung und damit für die Vegetation.

      Die Nordhänge sind im Allgemeinen feucht und dem kalten Mistral voll ausgesetzt. Hier leben nicht sehr viele Menschen; auf dieser Seite des Berges wachsen hauptsächlich Nadel- und Laubbäume.

      Die Südhänge liegen direkt in der Sonne. Sie sind trockener und werden von den Menschen viel stärker kultiviert. Denken Sie nur an die Obstplantagen rund um Bedoin und die Weinberge, die man auf dem Weg nach Saint-Estève passiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass man auf der Südflanke keinem Baum begegnen würde. Im Gegenteil: Wer von Bedoin zum Chalet Reynard

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