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angelegt?«

      »Die?«, fragte Rebecca. »Wen meinst du mit die?«

      »Keine Ahnung«, sagte Joe. »Eben die, die diesen Tunnel gebuddelt haben. Einer alleine wird das ja wohl kaum gewesen sein.«

      »Der Graf von Monte Christo hat seinen Tunnel auch alleine gegraben«, gab Rebecca zu bedenken. »Nur mit einem Löffel!«

      »Der Graf von Monte Christo ist eine ausgedachte Geschichte, die nichts mit der Wirklichkeit …«

      »Vorsicht!«

      Fast wäre Joe gegen die Tür gerannt, die plötzlich vor ihnen aufgetaucht war und den Gang verschloss. Joe leuchtete sie mit der Taschenlampe ab. Die Tür bestand aus massivem Holz, das mit Eisenbeschlägen verstärkt worden war. Das Holz war so dunkel, als hätte es schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel. Die Tür war schmal und kaum höher, als Joe groß war, und sie hing in einem Rahmen, der sich perfekt in den Gang einpasste und fest in ihm verankert war.

      Joe packte den geschwungenen Metallgriff und rüttelte daran. »Abgeschlossen.« Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Tür und drückte mit aller Kraft dagegen. »Keine Chance«, ächzte er. »Da kommen wir nicht durch.«

      »Nicht ohne Schlüssel«, stellte Rebecca klar und zeigte auf ein altes, leicht verrostetes Türschloss. »Wenn derjenige, der die Tür eingebaut hat, der Besitzer unseres Hauses war und nicht wollte, dass jeder hier durchkann, dann hat er den Schlüssel vielleicht irgendwo im Haus versteckt.«

      »Und du denkst, dann ist der Schlüssel immer noch da? Du hast wohl vergessen, dass das Haus von innen renoviert wurde«, gab Joe zu bedenken. »Wenn dabei ein Schlüssel aufgetaucht wäre, hätten sie den doch bestimmt weggeschmissen.«

      »Einen Schlüssel schmeißt man doch nicht einfach weg! Sicher haben die Handwerker ihn zu den anderen gelegt. In so einem Haus gibt es ja haufenweise Schlüssel. Vielleicht bewahren Mom und Dad sie irgendwo auf.«

      »Das müssen wir checken«, sagte Joe. »Und falls wir den Schlüssel nicht finden, müssen wir die Tür irgendwie anders …«

      »Pst!«

      »Was …?«

      Rebecca streckte den Arm aus und presste ihre Hand auf Joes Mund. Joe wollte protestieren, doch dann verstummte er. Denn plötzlich waren Geräusche zu hören – Geräusche, die von der anderen Seite der Tür kamen.

      Rebecca nahm die Hand vom Mund ihres Bruders. »Da ist jemand«, flüsterte sie.

      »Wer kann das sein?«, flüsterte Joe zurück. Rebecca zuckte mit den Achseln. Sie warteten. Nichts geschah. Auch die Geräusche waren verstummt.

      »Ich seh mal nach«, sagte Rebecca leise und beugte sich hinab. Sie kniff das linke Auge zusammen und linste mit dem rechten durch das Schlüsselloch. Ein kaltes Auge starrte ihr entgegen. Erschrocken zuckte Rebecca zurück. Gleich darauf wurde der Griff heruntergedrückt und an der Tür gerüttelt. Dann war es eine Zeit lang still und schließlich hörten Joe und Rebecca, wie sich auf der anderen Seite leise Schritte entfernten.

      Joe atmete erleichtert auf. »Wer kann das gewesen sein?«

      »Keine Ahnung«, erwiderte Rebecca. »Aber gute Absichten hatte der bestimmt nicht.«

      »Wie kommst du darauf?«

      »Weil er sonst irgendwas gerufen hätte, Hallo oder so. Gibt ja keinen Grund, hier so rumzuschleichen.«

      »Na ja, wir tun das ja auch«, sagte Joe und legte die Stirn in Falten. »Was hast du gesehen, als du durchs Schlüsselloch geguckt hast?«

      Rebecca schluckte. »Ein Auge. Aber kein normales.« Bei der Erinnerung lief es ihr kalt den Rücken herunter. »Es wirkte irgendwie kalt und starr. So wie das Auge von einem Reptil.«

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      Joe kam ins Grübeln. »Und wenn der jetzt in unser Haus kommt?«

      »Der hat keine Ahnung, wohin unsere Seite des Tunnels führt«, widersprach Rebecca. »Sonst wäre er schon längst bei uns gewesen. Schließlich war das Haus einige Monate lang unbewohnt. Zeit genug, um sich in aller Ruhe umzusehen.«

      »Vielleicht war er sogar schon da und hat bloß den Geheimgang nicht gefunden«, überlegte Joe.

      »Der Geheimgang interessiert ihn nicht«, vermutete Rebecca. »Der führt ja bloß zu unserem Haus und im Gang selber ist nichts von Wert.« Sie schüttelte den Kopf. »Wer auch immer durch diese Tür will, weiß nicht, wohin der Gang führt und wo er endet.«

      »Lass uns zurückgehen«, schlug Joe vor. »Hier lösen wir das Rätsel sowieso nicht. Und wenn Mom und Dad den Gang entdecken, war’s das mit unserem Geheimnis. Wir kriechen zurück und tarnen die Zugänge. Wie hast du deinen entdeckt?«

      »Da ist ein Gitter an der Wand«, sagte Rebecca. »Unter der Dachschräge. Ich dachte zuerst, dass da so ein kleiner Raum dahinter ist, in dem man Zeug aufbewahren kann. Aber als ich das Gitter abgemacht habe, ging es weiter.«

      »Also kannst du das Gitter einfach wieder anbringen und von außen ist nichts zu sehen?«, fragte Joe. Rebecca nickte. »Gut. In meinem Zimmer stellen wir das Regal davor, das verdeckt den Durchbruch. Und dann überlegen wir in Ruhe, was wir tun. Okay?«

      »Okay«, sagte Rebecca. Damit machten sie sich auf den Rückweg.

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      Als Rebecca und Joe aus dem Obergeschoss ins geräumige Wohnzimmer herunterkamen, war Dad gerade damit beschäftigt, den großen Flachbildschirm anzuschließen. Auf dem Rücken liegend hantierte er unter dem Fernsehtisch an den Kabeln herum.

      »Wem hat das Haus eigentlich vor uns gehört?«, fragte Rebecca.

      »Der Immobilienfirma«, ächzte ihr Vater und versuchte, ein Kabel in die Rückwand des Flatscreens zu stecken.

      »Ich glaube, Rebecca meint, wer hier gewohnt hat«, sagte Joe. »Vor uns.«

      »Irgendein Verrückter«, gab Dad zurück. »War es nicht so ein komischer Zauberer, der seine Frau loswerden wollte und sie auf der Bühne zersägt hat? Darling?«

      »Blödsinn!«, schimpfte Mom, die mit einem Tablett voll dampfender Pizzastücke ins Wohnzimmer kam. »Und du wunderst dich, woher Rebecca ihren schwarzen Humor hat!« Sie blieb vor ihren Kindern stehen und reichte ihnen den Teller. Joe und Rebecca griffen zu. »Soweit ich weiß, hat hier zuletzt der alte Mac gewohnt, bis er gestorben ist.«

      »Wer ist der alte Mac?«, fragte Joe.

      »Der Friedhofswärter«, sagte seine Mutter.

      »Ganz allein in so einem großen Haus?«, wunderte sich Joe und biss von seiner Pizza ab.

      Seine Mutter zuckte mit den Schultern. »Es stand ja leer und irgendwo musste er schließlich wohnen. Als dann vor ein paar Jahren die Pflege des Friedhofs an einen professionellen Service übergeben wurde, haben sie ihn hier weiterwohnen lassen. Im Frühjahr ist er dann gestorben.«

      »Und wo ist er begraben?«, fragte Joe mit vollem Mund.

      »Na wo schon«, meldete sich Dad wieder zu Wort und schob sich unter dem Fernsehtisch hervor. »Auf dem Friedhof natürlich.« Er angelte nach der Fernbedienung auf dem Sessel und schaltete den Fernseher ein. Auf dem Bildschirm schneite es. »Mist«, fluchte er und schob sich wieder unter die Holzkonstruktion.

      »Wir wissen nicht, wo er begraben ist«, sagte Sara Bookman. »Vielleicht auf dem Friedhof, vielleicht auch nicht.«

      »Und wer hat vor dem Friedhofswärter hier gewohnt?«, fragte Rebecca. Ihre Mutter dachte nach. »Ich glaube, das Haus stand viele Jahre lang leer.«

      Rebecca wurde ungeduldig. »Ja, aber davor muss doch auch jemand hier gewohnt haben.«

      Mom schüttelte den Kopf. »Ich weiß aber beim besten Willen nicht

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