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aufzumuntern.

      „Döös is fei, viel Glück,“ kam prompt die Antwort.

      „Du musst kommen, ich habe eine Menge Leute eingeladen, auch eine Musikergruppe. Du musst kommen, deine Arbeit muss fertig werden.“

      „Die Deppen, ham´s verloren. Magst was zum Saufe?“, sagte Max gleichgültig.

      Carlo wurde langsam wütend.

      „Ich will nichts saufen, verdammt, ich will das du deine Arbeit machst.“

      Wenn's gewinne am Wochenend…“

      „Max, lass mich nicht hängen!“

      Und so kam es das Carlo seine Eröffnung wegen der Weißblauen verschieben musste.

      Zehntausend Kilometer der Heimat entfernt, in der dritten Welt auf einer karibischen Insel saß ein Bayjuware in seinen abgewetzten Lederhosen und trieb Carlo in den Wahnsinn, nur weil die Zuhause kein Tor schießen konnten. Aussteiger aus Deutschland?

      ***

      Schön geplant war die Eröffnungsfeier. Eine kleine Combo hatte Carlo engagiert. Der Inder hatte in seinem Café ein Buffet aufgebaut, Getränke und Snacks: alles Gratis. Das hieß auf Kosten von Angel und Carlo. Angel hatte seine Kamele herausgeputzt, beide trugen ein weißes, zu einem Reif gedrehtes Tuch auf ihrem Haupt. Daran waren goldene Glöckchen befestigt, die bei jedem Schritt einen silberhellen Ton erklingen ließen. Zwischen ihren Höckern lag eine schwere mit Gold durchwirkte Brokatdecke mit bunten Bordeln an der Seite. Max, mit den Weißblauen zufrieden, konnte von ihnen überredet werden, seine Lederhosen auszuziehen, um das Gewand eines arabischen Fürsten anzulegen. Seine Haare wurden komplett von einem Turban verdeckt. Schwarze Pumphosen, spitze nach oben gebogene Schuhe, verziert mit silbernen Glöckchen und eine weite Zigeunerbluse mit schwarzer Weste gehörten zu seiner Ausstattung. Zur Krönung hatte man seinen nach oben gezwirbelten Schnauzbart komplett schwarz eingefärbt. Mit den zwei Kamelen, die er am Strick führte, hätte er gut einen Kalifen abgegeben. Dolores und Patricia waren wie arabische Prinzessinnen gekleidet. Das Gesicht mit einem durchsichtigen Schleier verhüllt, die Arme entblößt und der Bauch unbedeckt, boten sie einen exotischen Anblick. Die Mädchen trugen eine kleine Auswahl Schmuck aus der Kollektion von Angel und Carlo. Auf der kaffeebraunen Haut von Dolores wirkte der silberne Schmuck in Verbindung mit den orientalischen Kleidern wie ein Märchen aus Tausend und einer Nacht. Um die Oberarme trug sie breite Armreife und um die Handgelenke viele kleine Kettchen mit arabischen Symbolen. An jedem Finger kunstvoll gefertigte Ringe, besetzt mit Edelsteinen der verschiedensten Couleurs. Um den Nacken eine ganz feine in sich verschlungene Kette, in deren Mitte ein blauweißer Edelstein gefasst war, der nur hier auf Hispaniola zu finden war. 'Lagrima de Mar': Tränen des Meeres. Patricia hatte die gleichen Stücke in goldgelb angelegt. Seite an Seite zogen die beiden alle Blicke auf sich. Auch die Combo war für die Karibik außergewöhnlich, ihr Repertoire reichte von Calypso über Salsa bis zu arabischen Klängen. Und ihre Sängerin war eine gefeierte Bauchtänzerin.

      Das Café des Inders war so mit dem Schmucklädchen verbunden, dass die Räume fast ineinander übergingen. So hatte man genügend, mit Palmenblättern überdachte Freifläche, wo die Show stattfinden konnte.

      Es wurde sehr früh dunkel in diesen Breiten. Der Tag wechselte zur Nacht in wenigen Momenten. Wenn die Sonne sich mit einem letzten Lächeln für diesen Tag verabschiedete, gab die Finsternis den Blick frei auf einen sternenübersäten Himmel. Überall glitzerte und funkelte es am Firmament und der Wunsch kam auf, einmal, einmal nur auf der Milchstraße spazieren zu gehen, dem Großen Bären ins Auge zu sehen und auf dem Kleinen Wagen durchs All zu gleiten.

      Kaum zu glauben, dass es die gleichen Sterne sind, die ich an wolkenlosen Nächten in Deutschland betrachtet habe, dachte Carlo. Allerdings hatte ich nicht diese Emotionen, die ich in diesem Land empfinde… die Sterne scheinen zum Greifen nahe. Man ist versucht, die Hände nach ihnen auszustrecken, um sie zu berühren.

      Carlo stand etwas abseits vom Fest, im Schatten einer niedrigen Palme und beobachtete das Treiben. Nachdem die Sängerin den Reigen mit einem Bauchtanz eröffnet hatte, hielt der Araber einen Vortrag über die Bedeutung des Schmucks in der Antike. Viele Gäste hatten sich eingefunden, sogar den TV-Sendern waren sie einige Minuten wert. Angels Idee mit den Kamelen und den orientalischen Prinzessinnen waren wohl der Anlass für das Interesse. Carlo sah, dass Dolores und Patricia den Rumpunsch nachschenkten, anmutig, graziös, zauberhaft. Du darfst nicht nach den Sternen greifen, sagte ihm eine innere Stimme

      ***

      Patricia wurde in Schweden geboren, ihre Kindheit verbrachte sie auf dem Land an einem der vielen Seen. Sie liebte die kalten Nächte und die kurzen Wintertage, schwärmte vom Frühling und dem herrlichen Sommer. Nachts saß sie mit ihren zwei kleineren Brüdern vor dem knisternden, wärmespendenden Kamin und lauschte den Geschichten, die ihr Vater zu erzählen wusste. Das war ein guter Mann, der genug Geduld hatte, auf alle Querelen seiner Kinder einzugehen. Er war ein guter Erzähler. Er verstand es seine Kinder mit märchenhaften Worten in eine Zauberwelt zu entführen, die ihnen so plastisch erschien als gingen sie mit den Trollen, Gnomen und Zwergen Hand in Hand durch magische Wälder. Sogar das Paulchen konnte er fliegen lassen. Paulchen ist ein kleiner Esel, den Patricia als Kind zum Geburtstag bekam. „Schließe die Augen meine kleine Prinzessin, siehst du wie ihm die Flügel wachsen.“ Auf dem Rücken von Paulchen sah sie wie ihm tatsächlich welche wuchsen. Flieg, Eselchen, flieg! Und Paulchen erhob sich empor und flog der Sonne entgegen. Niemals brauchte der Vater ein Buch, und wiederholen tat er sich nur wenn die Kleinen es forderten. Patricia war sein Liebling und durfte sich fast alles erlauben. Ihre Mutter hatte Nachsicht mit den winzigen Ungerechtigkeiten die sich für die Buben ergaben. Auf ihre ruhige und bedachte Art bügelte sie alles wieder gerade, und da sie ziemlich weit draußen lebten kamen höchst selten die Nachbarn vorbei, um zu sehen ob alles okay war. Die Mutter unterrichtete die Kinder selber. Das war die einzige Zeit in der sie streng und unnachgiebig war. Alle sechs Monate musste sie mit ihnen in die Stadt, dort wurden sie von der Schulbehörde einem Test unterzogen, um zu überprüfen, ob es Mängel an ihrer schulischen Erziehung gab. Patricia war täglich mit Paulchen zusammen, sie ging mit ihm spazieren, zum Baden, erzählte ihm die Geschichten vom Vater nach.

      An einem Wochenende war ein Ausflug auf dem See geplant. Das Boot wurde flott gemacht, Proviant, Tee und ein Radio mitgenommen. Die Stimmung war ausgelassen, fröhlich winkten sie Patricia aus dem Boot zu, und sie winkte zurück. Als das Boot nicht mehr zu sehen war begab sie sich zu Paulchen, der sich den Huf verletzt hatte. Sie wollte ihn nicht alleine lassen und verbrachte den ganzen Tag bei ihm im Stall.

      Abends stand sie am See und wartete auf ihre Eltern und die Brüderchen um sie zu begrüßen. Die Nacht war längst hereingebrochen, doch sie waren noch immer nicht zurück. Sie entzündete ein Feuer damit sich der Vater orientieren konnte. Wochen später fand man das abgemagerte Kind am Ufer sitzen. Man brachte sie in die Stadt, und der dortige Pfarrer kümmerte sich um die Kleine. Polizei und Militär starteten eine groß angelegte Suchaktion, Es war sinnlos, nicht einmal die Leichen hatte man finden können.

      Nach langen Recherchen fand man weitläufige Verwandte in Deutschland. Onkel Albert und Tante Herta waren gutmütige Menschen. Sie hatten Patricia schnell ins Herz geschlossen und versuchten alles um sie vergessen zu lassen.

      In der Schule lernte sie Manni kennen. Er war anders als die anderen, statt ihr den Hof zu machen wie seine Freunde, erzählte er ihr Geschichten. Von Seeräubern und Piraten, die den Spaniern so viel Ungemach breiteten. Von Truhen voller Gold, von Schatzinseln und von der Karibik. Er brauchte kein Buch dazu, alle Geschichten kannte er auswendig und nie wiederholte er sich, es sei denn, sie wollte die Geschichten ein zweites Mal hören. Wohin er auch ging, sie folgte ihm. Über Jamaika, Kuba, Martinique, landeten sie schließlich auf Hispaniola. Hier lebte er seinen Traum. Mit finsteren Gesellen tat er sich zusammen, um mit ihnen Schiffe zu überfallen. Sie organisierten ein Schnellboot, um auf Raub in die See zu stechen - moderne Piraterie.

      Immer stand Patricia am Strand, um auf ihn zu warten. Jetzt saß er eine hohe Haftstrafe in Fortaleza ab. Patricia wartete mit traurigen blauen Augen, wunderschön anzusehen - so stark war sie und doch so zerbrechlich.

      Du darfst nicht nach

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