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Freiheit in Kaponga. Jo Moe
Читать онлайн.Название Freiheit in Kaponga
Год выпуска 0
isbn 9783347032491
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
„Was ist los mit dir? Bist du krank?”
„Ehm nö, warum?“, fragte er mich leicht verwirrt und so zeigte ich auf sein Getränk, an dem er nippte und dann lachte auch er. Zunächst unterhielten wir uns über unsere vergangenen Reisewege, bis Kieran meinte, dass er für die kommenden Tage vorhatte, in Montevideo bleiben zu wollen.
„Was, echt? Ist doch wirklich langweilig und irgendwie trostlos hier, oder? Findest’ nicht?”
Irgendwie schaffte es Kieran jedoch, im Laufe des Abends und bei der gemütlichen Stimmung um das Heißgetränk herum, mich umzustimmen und so machten wir uns für die nächsten drei Tage gemeinsam ein lustiges Dasein in der wahrscheinlich langweiligsten Hauptstadt der Welt. Aber was war mit meinen Fragen? Was war mit meinem Wunsch das Land sehen zu wollen?
Ich musste schließlich erkennen, dass all das in nur einer einzigen Woche Aufenthalt einfach nicht umzusetzen sein konnte! Oder wäre es doch irgendwie möglich gewesen, wenn ich Kieran nicht getroffen hätte? Ein wenig dachte ich noch darüber nach, doch wurde gleichzeitig von einem angenehmen Gefühl überrumpelt, dass mir die Erkenntnis brachte, mich niemals hetzen zu lassen, schon gar nicht von mir selbst: Ich muss nicht alles sehen und schon gar nicht dann, wenn ich viel zu wenig Zeit dafür habe. Viel lieber möchte ich mich einfach treiben lassen. Und wenn mich dann jemand in der Heimat fragen sollte, was die Menschen und das Land Uruguay denn eigentlich ausmachen würden? Dann muss ich eben ehrlich zugeben, dass ich mir darüber kein Urteil erlauben darf.
Ich mag es nicht, wenn jemand überschnell urteilt, gerade diejenigen, welche vielleicht nur eine Woche Urlaub in ihrer gebuchten Hotelliege am Strand verbracht haben, sollten sich eine derartige Bewertung verkneifen. Wie kann man unter solchen Umständen schon erzählen, man würde etwas über Land und Leute in Erfahrung gebracht haben?
Der Herbst wehte mit immer größeren Böen durch die Gassen der Stadt und deshalb freute ich mich umso mehr auf die Sonne sowie das Meer in Brasilien, weshalb ich mich frohen Mutes und flotten Schrittes auf direktem Weg zum Flughafen nach Rio machte. Als ich dann im Flugzeug hockte, überkamen mich einige Gedanken sowie ein paar Gefühle und ein Empfinden rückte dabei schnell in den Vordergrund — das Gefühl, in den letzten Tagen etwas vermisst zu haben. Ich sehnte mich, so merkwürdig es vielleicht klingen mag, nach dem Fremdsein. In Buenos Aires und ganz besonders in Montevideo fühlte ich mich Deutschland schon wieder viel zu nah gekommen. Das lag natürlich daran, dass der indigene Anteil der Bevölkerung in Argentinien und besonders in Uruguay der geringste in Südamerika ist, aber in Brasilien sollte sich das wieder ändern. Deshalb beglückte mich der Gedanke, in diesem Land wieder eine völlig andere Kultur anzutreffen und ich machte mich im Anschluss über diese etwas schlau.
Sobald ich mir ein für mich zufriedenstellendes Bild zur Geschichte des Landes gemacht hatte, klappte ich das Buch wieder zu, kippte meinen Sitz verpflichtend in die aufrechte ungemütliche Position, spürte bereits, wie es „bergab“ ging und wartete darauf, dass die Räder sanft auf dem Boden aufsetzen würden. Ja, noch immer flog die Flugangst mit mir mit und besonders bei der Landung überkommt mich jedes Mal ein ungutes Gefühl.
Als ich dann dem Flughafen in Rio den Rücken zugekehrt hatte, wurde mir an der Bushaltestelle in die Stadt gezeigt, dass ich fortan mit meinen spanischen Wortlauten nicht mehr weit kommen würde. Ich wusste zwar um die Ähnlichkeit zwischen Portugiesisch und Spanisch, aber dass die Leute mich überhaupt nicht verstehen würden, ja, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Doch ich wollte es ja schließlich so, heißt, mich wieder völlig fremd fühlen, und so fand ich mich dann mit der kleinen Odyssee aus Busfahrten und ziellosem Herumgerenne auf dem Weg zu meinem Hostel einfach mit einem dauerhaft-über-mich-selbst-Grinsen damit ab.
Schweiß überströmt, aber glücklich stand ich irgendwann vor einem unscheinbaren Häuschen in einer ruhigen Nebenstraße. Zwischen saftig grünen Bananenstauden beobachtete ich ein paar kleine Äffchen, die zwischen den Bäumen hin und her sprangen und mich zu begrüßen schienen. Was war das noch für eine komplett andere Welt wenige Stunden zuvor?
Da die Preise hier im Vergleich zu Uruguay wieder bedeutend höher lagen, war ich gezwungen, mich in einem Sechsmannzimmer einzuquartieren. Die kommende Nacht blieb ich hingegen zum Glück der Einzige im Zimmer und schlief trotz der fehlenden Klimaanlage hervorragend. Am nächsten Tag zog es mich als Erstes an den lebhaften Strand von Copacabana, wo fast jedes einzelne Sandkorn von einem Menschen bedeckt wurde. Dazu fiel mir auf, wie sportbegeistert die meisten der dortigen Besucher waren. Ob auf joggende Weise, mit einem Ball in der Hand oder am Fuße — es schien kaum einen zu geben, der nicht in irgendeiner Form in Bewegung war und auf dem Weg zum Strand bemerkte ich einige Fruit-Imbisse, bei denen man sich mit zahlreichen gesunden Shakes und Müslis der verschiedensten Arten regelrecht zuschütten konnte. Also alles in allem legten die Menschen großen Wert auf Äußerlichkeiten und schienen sich außerdem in der Mehrheit bewusst zu ernähren. Ja, an diesem Ort fühlte ich mich richtig wohl und verbrachte ganz entspannt, öfters mit einem Fruit Shake in der Hand, die nächsten Tage an den beiden lebendigen Stränden von Copacabana sowie Ipanema. In meinem Hostel herrschte ein kunterbuntes, ansteckendes Treiben, so dass es mir sehr einfach gemacht wurde, ein paar nette Jungs kennenzulernen, mit denen ich an so manch einem Abend in kultigen Bars sacken blieb oder wir am Tag viel Zeit zusammen am Strand verbrachten. Aber das Highlight war definitiv der Besuch des Fußballendspiels der „Copa Libertadores de America“. Das ist ein Wettbewerb, der in etwa vergleichbar mit der Champions League in Europa ist.
Bei strömendem, sintflutartigem Regen spielte der Club „Flamengo“ aus Rio gegen die „Corinthians“ aus Sao Paulo. Der Regen war an diesem Tag so heftig gewesen, dass sich innerhalb von kürzester Zeit mehrere kleine Teiche auf dem Rasen gebildet hatten. In Europa hätte man ein Spiel unter solch katastrophalen Bedingungen längst abgepfiffen, denn somit litt die Technik und natürlich das komplette Match enorm. Doch ich hockte ja im alten Maracana-Stadion in Rio de Janeiro und nicht in der Rhein-Neckar-Arena in Hoffenheim.
Die hartnäckigen Regentropfen schafften es nicht, die tobende sensationelle Stimmung im Stadion niederzutrommeln. Ja, die Atmosphäre war trotz alledem sehr beeindruckend. Nicht nur durch den Besuch des Stadions, sondern darüber hinaus im Allgemeinen durch das lebendige Leben in der Stadt sowie in den Straßen wurde meinen neuen Kumpels und natürlich auch mir die Zeit gehörig versüßt. So war es nicht verwunderlich, dass wir gemeinsam insgesamt zehn Tage am Zuckerhut verweilten. Aber dann war die Zeit wieder reif, um aufzubrechen und mich weiter alleine auf den Weg zu machen. Ein Bus brachte mich nach Angra an den Hafen und von dort aus schipperte ich mit einem kleinen, wackeligen Boot zur Insel Ihla Grande. Dort angekommen und in dem Moment, als ich über den klapprigen Steg zum Ufer torkelte, merkte ich sofort, dass dieser Schritt genau der richtige war. Ich war wieder umgeben von fantastischer, grüner Natur und wenigen Menschen; den Wechsel empfand ich zu diesem Zeitpunkt als einfach genial. Anschließend spazierte ich in den kleinen Fischerort, suchte und fand dort ein gemütliches Zimmer mit Kühlschrank sowie TV und das für gerade mal umgerechnet zwanzig Euro.
Am ersten Tag reichte es mir, faul an einem Strand in der Nähe des Hotels im Sand zu liegen, jedoch für den nächsten Tag hatte ich mir vorgenommen, zehn Kilometer quer durch den Dschungel und über die Insel zu einem anderen schöneren Strand zu wandern.
In meiner Unterkunft erhielt ich eine bunte Karte von der Insel und startete ganz gemütlich nach der beißenden Mittagssonne mit Flip-Flops an den Füßen bei aber noch immer sehr hitzigen Temperaturen in den Urwald. Nach circa zweieinhalb Stunden erreichte ich einen wirklich wundervollen sowie dazu noch menschenleeren Strand und ärgerte mich etwas darüber, dass es schon gegen fünf Uhr nachmittags zu dämmern anfangen würde, was bedeutete, dass ich nur etwa eine gute Stunde Zeit für eine ordentliche Abkühlung hatte. Nachdem ich frisch und munter wieder zurück aus dem Wasser war, in alle Richtungen blickte sowie noch immer keine Menschenseele weit und breit zu sehen war, blieben mir ein paar Minuten zur Erholung übrig. Ich schlüpfte aus der nassen Badehose und legte mich auf den Bauch. Viel fehlte nicht und ich wäre bei dieser herrlichen Ruhe beinah eingeschlafen. Doch plötzlich schmetterten mir zwei tiefe und böse klingende Stimmen in meine sensiblen Ohren und