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Inkareiches. Cusco ist eine wunderschöne, sehr gut erhaltene, alte Stadt auf einer Höhe von 3400 Metern inmitten der beeindruckenden, größten Gebirgskette der Welt in den Anden. Jene archäologische Stadt wird sehr gerne als Ausgangspunkt für eine Wanderung zur mystischen Ruinenstätte Machu Picchu genommen, weshalb auch wir dorthin wollten. Aber leider gab es vor unserer Ankunft äußerst langanhaltende, heftige Regenfälle, die alle Pfade zu diesem Ort völlig überschwemmten und somit blieb uns die Stadt der Ruinen versperrt.

      Darüber waren wir natürlich nicht gerade glücklich, doch für mich sind und waren ja ohnehin berühmte, unbedingt-gesehen-habensollende Sehenswürdigkeiten nicht ganz so wichtig. Außerdem und glücklicherweise bestanden das Reich und der Reichtum der Inkas nicht bloß aus Machu Picchu; das besagte Gebiet hatte einiges mehr zu bieten. Zudem redete ich Karina und mir selbst ein, dass an diesem Ort doch ohnehin viel zu viele Menschen gewesen wären und jene Wesen somit das bestimmt beeindruckende Gefühl inmitten der wunderschönen Landschaft zerstört hätten. „Und die Umgebung ist bestimmt auch toll“, sagte ich und ohne dass wir beide in Unmut verfallen wären, erfreuten wir uns noch am selben Tag daran, einfach dort zu sein und pilgerten durch viele kleine Dörfer in den Bergen. Wir blieben hin und wieder an manch einer Hütte stehen und staunten, denn damit diese eigentlich langweilig aussehenden Bauten aus braunem Lehm nicht völlig in der schönen Natur untergehen, wurden sie öfters mit großen indianischen Figuren liebevoll bemalt. Aber es gab natürlich in dieser Region viele uralte Gebäude aus der Inkazeit, daher lernten wir das sehr reiche archäologische Erbe kennen und schauten stets in einem gesunden Abstand den gelangweilt dreinblickenden Lamas beim Kauen zu.

      Diese Tiere gehören in jenen Regionen einfach zu den Menschen dazu und der Zweibeiner wusste schon recht früh, dieses Tier richtig zu schätzen. Dies wird klar, wenn man betrachtet, dass die Ureinwohner bereits 4000 vor Christus mit der Züchtung dieser Vierbeiner begannen. Aber davon wissen diese Getiere natürlich nichts, genauso wenig Ahnung haben sie von der sehr interessanten Geschichte ihres Landes und so setzte ich mich an einem wärmeren Tag ins Gras, in die Nähe einer Lamafamilie und klärte sie auf, indem ich ihnen einiges zur Historie Perus vorlas. „Höret nun gut zu, ihr Viecher“, und ich begann laut vorzulesen. Die Lamas hatten nach den dann doch sehr viel verlorenen Worten von mir die Schnauze voll und gingen von dannen. Auch wir wollten uns wieder auf Achse machen und so begaben wir uns nach herrlichen Tagen im „alten Herzen“ der Inkas auf den Weg nach Puno am Titicacasee.

      Bevor wir diese Stadt erreichten, kreuzten wir Julica, den für mich bis dato hässlichsten Ort überhaupt. Er befand sich gänzlich im Rohbau und somit erschien es, als ob sich die Menschen auf einer riesigen Baustelle bequem gemacht hätten. Zwischen den unvollendeten, kleinen und unverputzten grauen Backsteinhäusern ohne Dach standen zudem keinerlei Bäume und auch nach klitzekleinen Grünflächen suchten meine trüben Augen vergebens. Die Unterkünfte hatten meistens bloß eine einzige Etage und eine abschließende Decke, aus welcher meterhoch gen Himmel zahlreiche Metallstangen ragten, welche ein Vorhaben für einen Weiterbau in ferner Zukunft erahnen ließen und mehrere imaginäre Stockwerke versinnbildlichten. Dazu gesellte sich ein kalter Wind, welcher den grauen Staub der Straßen in alle Himmelsrichtungen pustete. Schnell weg hier, dachte ich und so war ich sehr froh, als wir endlich Puno, die Hauptstadt der Folklore, erreichten, welche jedoch ebenso zu einigen Teilen aus den unvollendeten, hässlichen Backsteinhäusern bestand, und das direkt an diesem großen, schönen und heiligen See. Denn die Inkas benannten eben diesen Titicacasee als ihren, der Inkakultur zugehörigen Ursprungsort, und ihn somit zum heiligsten See des Reiches. Außer den traditionellen Schilfrohrbooten fanden wir aber an jenem Platz nichts, was weiter interessant gewesen wäre und einen längeren Aufenthalt gerechtfertigt hätte. Deshalb verabschiedeten wir uns von dort nach nur einem Tag. Stattdessen fuhren wir aus Peru heraus und in Richtung Copacabana. Nein, natürlich noch lange nicht an den Strand von Rio de Janeiro, sondern erst einmal an einen weiteren Platz direkt am Titicacasee, auf bolivianischen Boden gelegen. Vorher jedoch mussten wir uns noch einer langwierigen Grenzkontrolle geschlagen geben. Welch ein perfekter Zeitpunkt, um ein wenig in der Geschichte des kommenden Staats zu lesen.

      Chile war schuld. Denn falls die Chilenen während der Zeit des Pazifikkrieges die Küste nicht für sich erobert hätten, so würde Bolivien heutzutage alle geografischen Zonen Südamerikas in einem vereinen können. Unsere erste Station war der beschauliche Ort und von Historikern vermutete Namensgeber für das weitaus bekanntere Copacabana in Brasilien. Aber wir brauchten keinen Beleg dafür und sahen, dass sich im Vergleich zu den kurz zuvor bereisten, noch staubigen Städten auf einmal alles total verändert hatte. Ja, plötzlich war jeglicher Ort sauberer, ordentlicher und auch gemütlicher.

      Aus vielen Ecken hauchte uns der lauwarme Wind den Gesang Bob Marleys in die Ohren. Hier war Multikulti angesagt und neben den Indianern schienen sich wohl auch einige Hippies aus den verschiedensten Orten des Planeten in jenes Örtchen verliebt zu haben. Dazu roch es nach einem seltsamen Gemisch aus Marihuana und Popcorn, wovon letzteres zahlreich in übergroßen Säcken auf der Straße angeboten wurde.

      Folgte man dann einem gepflasterten Weg bergab und aus der kleinen Innenstadt heraus, so war dort der Strand aus Kies und noch vor der Ankunft an diesem lag als dritter Geruch toter Fisch in der Luft und mischte sich mit den anderen zuvor genannten. Dennoch mochte ich das niedliche und gemütliche Städtchen. Mir gefiel der beschriebene Ort auch deshalb, da ich als Touri dem indianischen Leben der Menschen ganz nah sein konnte und dass trotz der mächtigen Popcornsäcke für die Eindringlinge. Zum Glück wurde aber selbst dadurch der traditionelle Charme (noch) nicht zerstört und das Gute war vielleicht, dass die Ureinwohner kaum Interesse an den Fremden zeigten. Somit konnte ich völlig ungestört dem kunterbunten Leben auf den Straßen zuschauen und fand besonderes Gefallen an den traditionellen, sehr bunten Kleidungen der älteren Damen, die als „Cholita“ bezeichnet werden. Diese bestehen aus einem langen Überrock, mehreren Unterröcken, einem Schultertuch und einem Hut, welcher mich oft an den von Charlie Chaplin erinnerte.

      Diese Kluft sah wirklich toll aus und ich beobachtete jedes Mal einen gewissen Stolz in den Gesichtern jener Frauen, wenn sie an mir vorbeiliefen. Die Männer hingegen schienen sich dagegen fast alle an die westliche Welt und dessen langweiligeren Kleidungsstil angepasst zu haben. Zudem legten sie sehr viel Wert auf den Zustand ihrer gebügelten Schuhe, welche sie sich zu allen Uhrzeiten liebend gerne von einem Schuhputzer perfekt stylen ließen. Dabei setzten sie sich gerne auf eine Parkbank, ließen den eifrigen Schuhputzern freies Spiel an der Fußbekleidung und zur gleichen Zeit blätterten sie angestrengt durch die lokale Zeitung.

      An den Abenden schlenderten wir meistens an dem kleinen Fischerhafen entlang und ließen uns den frischen Fisch mehr als genüsslich, im roten Plastestuhl sitzend, direkt am See mit Meerblick schmecken. Wir fühlten uns rundum wohl und so sollte ein Weiterreisen erst nach ein paar Tagen möglich werden — jedoch wohin? Das wusste ich noch nicht, aber Karina war sich darüber schon ein paar Stunden sicher, bevor ich es dann überraschend zu Ohren bekam. Wir saßen gemütlich in einem der vielen Fischrestaurants am See und plötzlich verkündete mir meine Reisebegleitung mit einem noch nie an ihr zuvor gesehenen breitem Grinsen, dass uns mein Bruder David besuchen und in ein paar Tagen in La Paz treffen wollte. Die Liebschaft zwischen ihm und Karina war also seit dem Abschied am „Fluchthafen“ in Panama noch nicht für beendet erklärt worden. Sie ging demnach still, leise und über den Ozean hinweg ganz einfach weiter. Natürlich war ich darüber verblüfft, aber freute mich an dieser Stelle, David bald wiederzusehen.

      Aus diesem Grund führte uns faktisch der kommende Weg in die Hauptstadt Boliviens. La Paz liegt auf einer Höhe von 3600 Metern und beheimatet den höchstgelegensten Regierungssitz des abwechslungsreichen Planeten. Politiker haben wir nicht gesehen, doch auch ohne sie ging es in dieser großen Stadt wieder so richtig chaotisch zu. Als mein Bruder von uns herzlich in Empfang genommen wurde, hatte er die darauffolgenden Stunden zunächst sehr mit der Höhe von La Paz und der dünneren Luft zu kämpfen. Von daher beschlossen wir, noch zwei weitere Nächte vor Ort zu bleiben. David erzählte uns, dass er uns gerne für die nächsten drei Wochen begleiten wolle und über diese Info grinste ich etwas lauter, denn Karina und ich reisten sowie speisten zwar zusammen, allerdings verstanden wir uns nicht so gut, dass wir vorgehabt hätten, in Zukunft beste Freunde zu werden. Als wir noch zu zweit in Copacabana waren, entluden sich bei mir ein einziges Mal ein paar angesammelte Spannungen,

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