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zurück und meinte, in zwei Stunden bringe sie das Abendbrot. Nach etwa zwei Stunden stellte Karlo den Becher, in dem die Würfel bis dahin unablässig geklappert hatten, zur Seite. Das deftige Abendessen, welches die freundlich lächelnde Wirtin auf den Tisch gestellt hatte, wurde nun genüsslich verspeist. Alle drei waren in Gedanken versunken und ließen sich das Essen schmecken.

      Karlo konnte von seinem Platz aus fast den ganzen Hof überblicken. Plötzlich sah er zum Fenster hinaus. Eine Kutsche war auf dem Hof vorgefahren. Ein sehr beleibter, stattlicher Mann stieg aus der Kutsche und lief zur Eingangstür der Wirtschaft. Als der stattliche Herr hereingekommen war, stellte er sich mitten in den Raum der Wirtschaft und schaute sich erst einmal in aller Ruhe um. Als sein Blick auf Karlo fiel, kam er sofort an den Tisch der drei.

      „Darf ich mich zu ihnen setzen?“ fragte er.

      „Ja, bitte setzen sie sich zu uns“, antwortete Karlo freundlich. Bevor sich der vornehme Mann setzte, zog er seinen dicken Mantel mit Fellkragen aus und legte ihn über die Lehne des letzten freien Stuhles. Was für ein Bild, der schmächtige Felix und der beleibte große Mann, der sich neben ihn gesetzt hatte. „Ich bin der Schlachter Hermann Bergner aus Magdeburg.“ Die drei am Tisch stellten sich ebenfalls vor. Als Felix seinen Onkel Max erwähnte, zu dem er und Konrad wollten, horchte Herr Bergner auf.

      „Zu Max Vogelsang wollt ihr, na den kenne ich gut. Wir sind so etwas wie Geschäftspartner. Ich habe drei Fleischereien in Magdeburg. Bei mir gibt es alles, was mit gutem Fleisch zu tun hat. Das sieht man ja auch an mir“, und sein schallendes Lachen durchdrang den Wirtsraum.

      Karlo fragte den Schlachter Bergner, ob er Felix und Konrad mit nach Magdeburg nehmen könne.

      „Na selbstverständlich nehme ich die Verwanden von Max Vogelsang mit. Ihr braucht auch kein Wegegeld zu bezahlen. Ich bin froh, wenn ich etwas Unterhaltung während der Fahrt habe.“

      Nach einer Stunde verließen die vier den Wirtsraum und gingen in ihre Schlafkammern. Felix und Konrad schliefen sofort ein. Sie waren von den Strapazen der Flucht sehr erschöpft und mitgenommen. Zeitig früh am Morgen weckte eine Magd die beiden jungen Männer. Noch etwas verschlafen bemerkten sie, dass Karlo seine Schlafstelle gar nicht angerührt hatte. Na ja, sie konnten sich schon denken, wo der Fuhrmann die Nacht verbracht hatte. Die Kutsche für die Weiterfahrt nach Magdeburg war schon angespannt und stand fahrbereit auf dem Hof. Herr Bergner kam mit schnellen Schritten über den Hof und forderte die zwei zur Eile auf. „Wenn alles gut geht, sind wir am Abend vor Einbruch der Dunkelheit in Magdeburg.“

      Konrad und Felix schauten sich nochmals um, aber Karlo, der Fuhrmann, war weit und breit nicht zu sehen. Etwas traurig stiegen sie in die Kutsche. Sie hätten sich gern nochmal bei Karlo bedankt und verabschiedet.

      Das Wetter am Morgen war leicht bewölkt und noch etwas kühl. Die Decken, die die beiden zum Glück immer noch bei sich trugen, legten sie eilig über ihre Beine, denn sie hatten nicht so einen langen, wärmenden Mantel wie Herr Bergner. Der Fleischermeister stieg vorn auf die offene Kutsche, schlug den Mantel über seine Beine, nahm die Zügel in die Hände und gab den Pferden das Kommando zur Abfahrt.

      Auf der Reise ohne Zwischenfälle wurde über Gott und die Welt geredet. Angehalten wurde nur zwei Mal zum Essen und Trinken. Der Tag war sonnig, am Himmel zeigten sich nur wenige Wolken. Was für ein Glück, kein Vergleich zu dem Mistwetter von vor drei Tagen. Schon von weitem konnte man den alles überragenden massiven Dom der Stadt sehen. Die Umrisse und die Ausdehnung von Magdeburg waren nun von ihrer Kutsche aus ebenfalls gut zu erkennen. Die Stadtwache ließ die Kutsche ohne zu kontrollieren durch die offenen Stadttore in die Stadt hinein fahren. Die Soldaten der Stadtwache kannten den Schlachter Hermann Bergner natürlich sehr gut, er war durch seine vielen Reisen bekannt. Zudem war er ein ständiges Mitglied im Bürgerrat.

      An einer Straßeneinmündung hielt Herr Bergner an. „So, schaut, dort drüben das große schöne Stadthaus, da wohnt die Familie Vogelsang. Steigt hier aus. Ihr könnt auch zu jeder Zeit zu mir kommen, ich würde mich sehr freuen.“

      Felix und Konrad verabschiedeten sich von Herrn Bergner und bedankten sich nochmals für alles. Sie stiegen aus, die Kutsche setzte sich in Bewegung und verschwand nach wenigen Metern hinter dem nächsten Eckhaus.

      Während die beiden nun festen Schrittes auf das gezeigte Haus zuliefen, konnten sie ihre Blicke kaum von diesem bürgerlichen massiven Bauwerk lassen. Mit leichtem Herzklopfen läutete Felix an der großen Eingangstür. Es dauerte nicht lang und die Tür wurde geöffnet. Ein strammes Dienstmädchen stand an der Tür. „Sie wünschen, meine Herren?“ fragte sie bestimmt, aber freundlich.

      „Wir möchten zu Herrn Vogelsang, zu meinem Onkel.“

      „Treten sie ein, Herr Vogelsang speist gerade zu Abend.“

      Das Dienstmädchen bat die zwei im Nebenraum Platz zu nehmen. Sie eilte in den kleinen Speisesaal und meldete ihrem Dienstherrn die Ankunft seines Neffen mitsamt seinem Freund. Max Vogelsang wischte sich mit der Serviette den Mund ab, sprang auf und lief in den Gästeraum, wo Felix und Konrad warteten. Max umarmte seinen Neffen stürmisch und konnte es vor Erstaunen gar nicht fassen, dass sein Neffe wahrhaftig vor ihm stand. Max begrüßte Konrad ebenfalls aufs Herzlichste. In der Zwischenzeit betraten auch Tante Hedwig und die beiden Geschwister Jutta und Anton den Raum. Die innigen Umarmungen setzten sich fort bis sich alle begrüßt hatten. Felix und Konrad wurden von Hedwig erst einmal in den Speiseraum gebeten.

      „Ihr habt bestimmt noch nichts gegessen, ihr habt doch Hunger nach so einer langen Reise. Wenn ihr euch gestärkt habt, treffen wir uns alle im Lesezimmer der Bibliothek.“

      Nachdem die beiden beim Abendessen tüchtig zugelangt hatten, begaben sie sich in das Lesezimmer. Max und Hedwig sowie Jutta und Anton hatten schon auf den bequemen Ledersesseln Platz genommen. Max zündete sich genüsslich eine Zigarre an und begann zu paffen. „Greift zu, seid nicht so schüchtern, fühlt euch hier wie zu Hause.“ Konrad ließ sich nicht lange bitten und steckte sich auch eine Zigarre an. „So, nun spannt uns nicht länger auf die Folter. Wir wollen alles ganz genau wissen. Ihr seid bestimmt nicht zufällig hier.“ Alle Vogelsangs in der Runde schauten mit neugierigen Blicken zu den beiden jungen Männern, die sie noch nicht so oft zu Besuch hatten. Felix begann zu berichten, wie es dazu gekommen war.

      „Albert, mein Vater, gab mir vor einer Woche den Auftrag, den fertigen Goldschmuck nach Wolfenbüttel zu bringen. Herr Brettschneider hatte den Goldring, mit Diamanten besetzt, sowie eine goldene Halskette für seine Frau vor einiger Zeit bei uns bestellt. Seine Frau feiert in einer Woche ihren sechzigsten Geburtstag. Die Bezahlung wurde wie üblich schon bei der Bestellung erledigt. Der Einkauf der edlen Materialien konnte dadurch ohne Risiken für meinen Vater auch in diesen schwierigen Zeiten erfolgen. Solche Reisen hatte ich schon das eine und das andere Mal unternommen“, fuhr Felix fort. „Die Kundschaft ist sehr angetan von der Goldschmiedearbeit meines Vaters. Mit einem Geschäftsmann aus unserer Nachbarschaft fuhr ich in der Kutsche mit nach Wolfenbüttel. Während der holprigen Fahrt schaute ich immer wieder in die verschneite winterliche Landschaft hinaus, die an uns vorbeizog. Meine Gedanken schweiften ab und ich malte mir die buntesten Bilder aus, wie schön und aufregend mein Leben noch werden würde. Da wurde ich plötzlich durch die lauten Worte von Herrn Kunze, der neben mir mit dem Finger zum Fenster hinaus zeigte, aus meinen Träumen gerissen.“

      „Schau Felix, da vorn ist Wolfenbüttel zu sehen.“ Nach kurzer Zeit hielt Herr Kunze die Kutsche an. Wir waren in einem Vorort von Wolfenbüttel an gekommen. Er musste jetzt nach links abbiegen, und erklärte mir noch den kürzesten Weg bis in die Stadt. Ich verabschiedete mich von ihm, stieg aus und lief schnurstracks auf das große Tor in der Stadtmauer zu. Den Beutel mit dem wertvollen Goldschmuck presste ich fest unter meinen Arm. Ohne weiteres ließen mich die Torwachen in die Stadt. Auf einem Platz, wo Waren aller Art angeboten wurden, herrschte ein buntes Treiben. Ich fragte eine Marktfrau, wo ich das Haus vom Herrn Brettschneider finden könnte. Die Frau, die dreimal so dick war wie ich, lachte kurz auf und zeigte dann auf das gegenüber stehende Stadthaus mit zwei kleinen Türmchen.“ „Das da mit den Türmchen?“ fragte ich.

      „Ja genau, das ist das Haus von Herrn Brettschneider“ bestätigte sie meine Nachfrage. Eiligst lief ich los und schon klopfte

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