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nicht auch beißen können, aber immerhin bleibt bei denen der Finger dran. »Also was ist, gehen wir?«

      Ein Schulgebäude an einem unterrichtsfreien Tag ist unheimlich und leer, eine ausgestorbene Festung voller Gänge und hallender Schritte, in deren Ecken etwas zu lauern scheint. Etwas Altes, Wissendes. Etwas, das schon ganze Generationen von Schülern zum Frühstück verspeist hat und sicher noch Appetit auf einen Nachschlag hat.

      Clara beneidet Fee um ihre Schuhe, die nicht zu hören sind. Fee läuft voraus, als würde sie schweben, während ihre eigenen Sneakers quietschende und leicht aufzuspürende Geräusche von sich geben. »Es ist unheimlich«, sagt sie und widersteht dem Drang, ständig über die Schulter zu sehen. Jetzt wäre ihr sogar die Anwesenheit der strengen Frau Seifert recht, die sicher keine Angst in einer leeren Schule hat. Obwohl: »Schon ulkig, dass sie sich eingeschlossen hat, oder?«, fragt sie und blickt sich nun doch um. Nichts, obwohl sie hätte schwören können …

      »Ulkig? Frau Seifert?« Fee scheint die gefräßige Schule nicht weiter zu beunruhigen. Unverdrossen schwebt sie voran, der Pullover schlabbert um sie herum wie ein löcheriger, mottenzerfressener Umhang.

      Kein Wunder, dass nichts sie fressen will: In dem Ding sieht sie auch wenig appetitlich aus, denkt Clara. »Ja klar, Frau Seifert«, antwortet sie laut. »Sie muss Angst haben. Man schließt sich nur ein, wenn man Angst vor etwas hat.« Damit kennt sie sich aus. Sie macht das auch immer, wenn ihre Eltern ausgehen und sie allein lassen. Sie sei zwar alt genug und bräuchte eigentlich keine Angst zu haben, wie ihr ihre Eltern immer versichern, doch Clara schließt ab und beobachtet so lange die Türklinke ihres Zimmers, bis ihre Eltern wieder da sind. Nur vorsichtshalber.

      »Vor was sollte Frau Seifert denn Angst haben?«, fragt Fee.

      »Keine Ahnung. Aber sie sah gestresst aus. Hatte überall rote Flecken.«

      »Die hat sie immer«, erwidert Fee und schüttelt den Kopf. Ihre Haare fallen ihr dabei ins Gesicht und Clara muss sich beherrschen, um ihr nicht die Bürste anzubieten, die sie immer in der Tasche dabeihat.

      Den Gang hinunter, gleich rechts beim Eingang, stehen wie versprochen die Gartengeräte vor dem Glaskasten des Hausmeisters. Zwei Harken, ein Eimer, in dem eine Gartenschere und zwei Schaufeln liegen, dazu noch eine Palette irgendwelcher Blumen.

      Clara geht in die Hocke, um die Blumen näher in Augenschein zu nehmen. Sie hebt eines der Töpfchen hoch. »Wir sollten den Jungs Bescheid sagen, dass sie das ganze Zeug hier schon mal … oh.« Die Tür ist aufgegangen. Vor ihr ragt ein Paar lederner Hosenbeine auf. Rasch richtet sie sich auf.

      »Hallo, Herr Kratzek«, begrüßt Fee den Hausmeister, der ihre Herzlichkeit nicht erwidert. Der niemandes Herzlichkeit erwidert, zumindest kann man das nicht so genau erkennen, denn er ist reichlich zugewuchert mit seinen langen dunklen Haaren und einem buschigen Vollbart. Außerdem ist er überall tätowiert. Wenn man sich in der Pause einen Kakao oder eine Brezel bei ihm kauft, wird sie einem von der zähnefletschenden Ratte auf seinem rechten Unterarm serviert. Man muss schon mutig oder sehr hungrig sein, um sich bei Herrn Kratzek etwas zu bestellen.

      »Oh. Du bist es«, sagt Herr Kratzek und seine Stimme klingt nicht gerade freundlich.

      »Keine Sorge«, sagt Fee unbekümmert. »Gulliver ist draußen. Ich weiß ja, dass Sie Hunde nicht so mögen.«

      »Sichtbare Hunde mag ich schon«, brummt der Hausmeister und streicht sich über den Bart. »Also, was wollt ihr?«

      Clara hält immer noch den Blumentopf mit beiden Händen vor der Brust umklammert. Ihre Mutter hat behauptet, Herr Kratzek hätte ganz sicher mal im Gefängnis gesessen. Wahrscheinlich hat er die Blumen gestohlen.

      »Den Schlüssel«, sagt Fee. »Wir brauchen den Schlüssel zur Biologiesammlung, um die Schildkröten ins Terrarium zu bringen.«

      Der Hausmeister schnaubt. »Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich euch einen Schlüssel überlasse?«

      Nein, daran glaubt Clara nicht eine Sekunde.

      Fee allerdings schon. »Wäre am bequemsten. Sie können allerdings auch mitkommen und uns aufschließen«, sagt sie. »Ooooder wir packen die Schildkröten alle in den Eimer hier und bringen sie bei Ihnen vorbei und …«

      »Schon gut, schon gut.« Die Aussicht auf einen Eimer voller Schildkröten vor seinem Büro scheint Herrn Kratzek nicht zu gefallen, denn er verschwindet in seinem Glaskasten. Der ist Büro und Wachturm in einem, von hier aus hat er eine gute Sicht auf die Eingangshalle. Dahinter schließt sich seine Wohnung an, in die jedoch kein Schüler je einen Blick hat werfen können. Zumindest keiner, der danach noch davon hätte berichten können … Clara klammert sich fester an ihre Blume.

      Als der Hausmeister wieder auftaucht, hält er einen Schlüssel in der riesigen Hand. »Das ist ein Generalschlüssel, Felicitas. Verstehst du das? Wenn der weg ist, bekommst du eine Menge Ärger.«

      »Verstehe ich schon.« Fee nickt.

      »Und wenn die Schildkröten drin sind, dann bringst du ihn mir wieder, verstanden? Heute ist Fußball.«

      »Klar«, sagt Fee, die den Zusammenhang zwischen Schildkröten, Generalschlüssel und Fußball zu verstehen scheint.

      Ganz im Gegensatz zu Clara. »Was sollte denn das mit dem Fußball?«, flüstert sie, kaum dass Herr Kratzek in seinem Glaskasten abgetaucht ist und die beiden auf dem Weg zur Biologiesammlung sind. Wieder muss sie sich beeilen, um mit Fees schwebenden Schritten mithalten zu können. Blöderweise hat sie auch noch vergessen, die gestohlene Blume zurückzustellen, was sie jetzt irgendwie zu Herrn Kratzeks Komplizin macht.

      »Samstag wird Fußball gespielt. Herr Kratzek guckt das im Fernsehen und wettet darauf«, erklärt Fee, den Schlüssel in der Hand.

      Clara wirft ihr einen Blick zu. »Woher weißt du das denn alles?« Sie ist schon ein wenig beeindruckt.

      »Ich bin jeden Samstag hier«, entgegnet Fee.

      »Weil …?«, fragt Clara, die ein paar Hüpfer macht, um aufzuholen.

      »Weil ich ein Problemfall bin. Wegen Gulliver.« Sie sagt es ohne besondere Betonung, als sei das selbstverständlich. »Ich muss so lange kommen, wie ich Gulliver sehen kann.«

      »Aha«, erwidert Clara. Mit einem Mal hat sie das starke und beunruhigende Gefühl, als sei Fee in Gefahr, was ulkig ist. Als müsse sie sie vor irgendwem oder irgendetwas beschützen. »Mach dir nichts draus«, sagt sie tröstend. »Gulliver ist eben nur für sensible Menschen zu sehen.« Und das kann ja wohl so verkehrt nicht sein.

      »Genau«, erwidert Fee, ohne hochzublicken. Aber ihre Schritte werden fast unmerklich langsamer, sodass Clara zu ihr aufholen und neben ihr gehen kann.

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