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Larry drehte sich nicht um. Nur sein Lächeln wirkte eine Spur kantiger. Kopfschüttelnd nahm der Saloonkeeper eine Flasche aus dem Regal.

      »Bist du betrunken oder wirklich so kaltschnäuzig wie du tust? An deiner Stelle würde ich das Geld nehmen, verschwinden und nicht anhalten, bis mindestens fünfhundert Meilen zwischen mir und Redcliff liegen. Verdammt, Langtry, weißt du denn nicht, wen du da erwischt hast?«

      Grinsend griff Larry nach der Flasche.

      »Du wirst es mir sicher erzählen, Mac. Aber nicht jetzt. Du siehst, dass ich zu tun habe.«

      Er tätschelte Jennys Schulter, von der der Träger des gewagt ausgeschnittenen Kleides gerutscht war. Der Dicke verdrehte seufzend die Augen.

      »Du liebe Zeit, bring du ihn zur Vernunft, Jenny!«

      »Nicht hier, Darling, sondern oben in meinem Zimmer«, lachte der drahtige Spieler leise. Jenny schmiegte sich an ihn. Seine Umarmung und sein Lächeln ließen sie den Geruch des Pulverdampfes und des Todes vergessen, der noch zwischen den schmucklosen Bretterwänden hing.

      »Du bist der wildeste und verrückteste Kerl, der mir je begegnet ist, Larry, und hol’s der Teufel, wahrscheinlich mag ich dich gerade deswegen so sehr! Aber Mac hat recht. So leid’s mir tut, wenn du schon wieder weiterreitest, doch hier bist du deines Lebens nicht mehr sicher. Zum Teufel, Larry, du hast ausgerechnet Russ Tamblin erschossen! Sein Bruder Scott wird die Hölle loslassen, wenn Meeker ihm berichtet, was geschah!«

      »Scott Tamblin? Nie gehört.«

      »Er haust mit ein paar rauen Kerlen droben in den Bergen«, berichtete das Saloongirl in beschwörendem Tonfall. »Niemand in Redcliff weiß, wovon diese Männer eigentlich leben, und keiner ist so neugierig, es herausfinden zu wollen. Denn wer gegen die Tamblins und ihre Anhänger auch nur ein falsches Wort fallen lässt, der muss damit rechnen, dass er nicht alt wird.«

      Larry zog mit den Zähnen den Korken aus der Flasche, spuckte ihn über die Theke und trank.

      »Meine Großmutter hat mir prophezeit, dass ich mindestens neunzig werde, und verdammt will ich sein, wenn ich irgendwelchen Gerüchten mehr Bedeutung zumesse als ihr. Jenny, mein Schatz, du willst mir doch nicht diesen prachtvollen Abend verderben, auf den ich mich so gefreut hab?«

      »Was soll ich machen, Mac? Ich bring’s einfach nicht fertig, ihn rauszuwerfen!«

      »Das wird Scott Tamblin auch viel besser und endgültiger besorgen als du«, brummte Mac wütend. »Den wickelt dieser Teufelsjunge nicht um den kleinen Finger wie dich und mich.«

      Trotzdem stellte er eine zweite Flasche hin, die Larry sich prompt unter den Arm klemmte. Dann verzog der Dicke sich murrend und kopfschüttelnd in die angrenzende Küche. Larry Langtry strahlte das Mädchen an.

      »Wenn du auch ein so goldenes Herz hast wie Mac, dieser alte Whiskypanscher, dann werde ich trotz aller Scott Tamblins dieser Welt heute noch der glücklichste Mann sein.«

      2

      Ein schussbereiter, auf ihn gerichteter Revolver hätte Coltpoker-Larry nicht so überrascht wie die hochgewachsene junge Frau, die in seinem Zimmer am Fenster stand und sich mit einem ruhigen »Hallo!« umdrehte. Große, dunkelblaue Augen und ein voller Mund beherrschten ihr klargeschnittenes Gesicht. Das kastanienfarbene Haar war zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt, und das hochgeschlossene, bis zu den Hüften enganliegende Kleid betonte noch die Rundungen ihrer makellosen Gestalt.

      Larrys Verblüffung dauerte jedoch nur einen Augenblick. Dann tauchte auf seinem scharflinigen Gesicht wieder jenes Lächeln auf, von dem er wusste, wie es auf Frauen wirkte.

      »Guten Abend, Ma’am! Ich hoffe, Sie sind auch sicher, dass Sie sich nicht im Zimmer geirrt haben.«

      Die Stimme der Fremden war so kühl wie ihr Blick.

      »Wenn Sie Coltpoker-Larry Langtry sind, dann bin ich hier goldrichtig.«

      »Zum Teufel, Larry, das ist doch die Frau, die sich heute im Zimmer nebenan eingemietet hat!«, rief Jenny ärgerlich. »Was will sie von dir?«

      »Das musst du sie schon selber fragen, Süße.« Larry grinste und gab sich keine Mühe, die Bewunderung in seinem Blick zu verbergen. Ein Blick, der an der ausdruckslosen Miene der Frau beim Fenster abzuprallen schien.

      »Mein Name ist Linda Coleman«, stellte sie sich vor. »Ich habe mit Ihnen zu reden, Langtry, mit Ihnen allein.«

      Das blonde Saloongirl hängte sich noch fester an den großen, jungen Mann.

      »Schick sie weg, Larry! Sie hat kein Recht, hier einfach reinzuplatzen und ...«

      »Es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit, Langtry«, erklärte die Frau, ohne Jenny auch nur mit einem Blick zu beachten. »Und ich warte hier schon ziemlich lange.«

      »Reg dich nicht auf, Jenny Darling!«, sagte Larry schnell, als das Saloongirl wieder aufbrausen wollte. »Vielleicht ist es wirklich wichtig. Sei so gut, Honey, lass uns ein paar Minuten allein!«

      Jenny zog einen Schmollmund.

      »Deine paar Minuten kenne ich! Wenn du wirklich willst, dass ich wegen der da gehe, dann rechne nur ja nicht, dass du nur zu pfeifen brauchst, damit ich zurückkomme!«

      »Seien Sie unbesorgt«, sagte Linda Coleman verächtlich. »Was ich mit ihm zu besprechen habe, ist rein geschäftlich.«

      Jenny lachte schrill.

      »Ja, sicher! Und deswegen warten Sie stundenlang auf seinem Zimmer, in der Hoffnung, ihn allein zu erwischen.«

      »Sei lieb, Jenny!«, mahnte Larry. Er fingerte eine zerknitterte Banknote heraus und schob sie ihr in den Ausschnitt. »Lass dir von Mac einen Drink dafür geben! In zehn Minuten rufe ich dich, Ehrenwort.«

      Er wollte ihr noch einen Kuss auf die Wange drücken, aber sie bog den Kopf weg, riss sich los und schlug heftig die Tür hinter sich zu. Wieder reagierte die fremde Frau mit keinem Wimpernzucken. Kühl beobachtete sie, wie Larry die beiden Whiskyflaschen auf das runde Tischchen neben dem Bett stellte. Ihre Gelassenheit faszinierte und reizte ihn.

      »Wollen Sie sich nicht setzen, Miss Coleman?« Er zeigte absichtlich nicht auf einen Stuhl, sondern auf das Bett. Und als sie sich nicht rührte: »Na schön, aber Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen, wenn ich es mir ein bisschen bequem mache.«

      Die Federn knarrten, als er sich auf die Schlafstelle warf, die Hände unterm Kopf verschränkte und die Frau angrinste. Wieder kerbte sich ein verächtlicher Zug um ihren schönen Mund.

      »So habe ich Sie mir vorgestellt, Langtry: Ein Kartenhai, Revolverschwinger und Weiberheld, der sich für unwiderstehlich hält, aber nichts weiter als ein grober Flegel ist!«

      »Sind Sie hergekommen, um mich zu beleidigen, oder sind Sie nur eifersüchtig auf Jenny?«, konterte Larry spöttisch.

      »Lassen wir das!« Linda Colemans Schultern strafften sich. »Ihre Weibergeschichten interessieren mich nicht, Langtry, nur ihr schneller Revolver.«

      Larry pfiff leise durch die Zähne.

      »Daher weht also der Wind! Aber woher wussten Sie, wo Sie mich finden würden?«

      »Die Zeitung, die vor zwei Wochen über Ihre Schießerei mit Bob Harper in Springfield berichtete, brachte mich darauf, dass Sie wieder in Colorado sind. Von Springfield aus war es dann nicht mehr allzu schwer, Ihnen hierher nach Redcliff zu folgen. Ich komme von Canyon City herunter. Wenn wir uns beeilen, könnten wir übermorgen vielleicht schon dort sein.«

      »Vorausgesetzt, dass ich der Mann bin, für den Sie mich offenbar halten«, lächelte Larry glatt. »Sie scheinen ja eine Menge über mich zu wissen, nur nicht, dass ich noch nie mein Schießeisen an irgendwen vermietet habe und das auch nie tun werde. Ich hab immer nur gekämpft, wenn es um meine eigene Haut ging. Auch vorhin wieder. Außerdem ist gerade Canyon City ein Ort, um den ich sogar einen weiten Bogen

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