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Spuren finden, und ich sehe nichts …

      – Aber ich sehe etwas, rief ich aus, und stürzte auf einen Gegenstand, der im Sande glänzte.

      – Was ist’s denn?

      – Dies«, erwiderte ich.

      Und ich zeigte meinem Oheim einen verrosteten Dolch, den ich aufgehoben hatte.

      »Ah! sagte er, Du hattest also doch diese Waffe mitgenommen?

      – Ich? Keineswegs! Aber Sie …

      – Nein, soviel ich wüßte, versetzte der Professor. Ich habe diesen Gegenstand nie im Besitz gehabt.

      – Das ist aber eigentümlich!

      – Nein, es ist sehr einfach, Axel. Die Isländer haben oft Waffen dieser Art, und Hans, dem diese angehört, wird sie verloren haben …«

      Ich schüttelte den Kopf. Hans hatte diesen Dolch nie in Besitz.

      »Ist’s vielleicht die Waffe eines urweltlichen Kriegers, rief ich aus, eines lebenden Menschen, Zeitgenossen des riesigen Schäfers? Aber nein! Es ist nicht ein Werkzeug aus dem Zeitalter des Steins! nicht einmal der Bronze! Diese Klinge ist von Stahl …«

      Mein Oheim unterbrach mich bei diesem Gedanken und fügte mit kaltem Tone bei:

      »Beruhige Dich, Axel, und komme zur Vernunft. Dieser Dolch ist eine Waffe aus dem sechzehnten Jahrhundert, ein wirklicher Dolch, wie die Edelleute ihn am Gürtel trugen, um den Gnadenstoß zu geben. Er ist spanischen Ursprungs. Er gehört weder Dir, noch mir, noch dem Jäger, noch auch den menschlichen Wesen, welche vielleicht im Schoße des Erdballs leben!

      – Wagen Sie dies zu behaupten? …

      – Sieh, man hat ihn nicht durch Menschenmord schartig gemacht; seine Klinge ist mit einem Rost bedeckt, der älter ist, als ein Tag, ein Jahr, ein Jahrhundert!«

      Der Professor ereiferte sich wie gewöhnlich und ließ sich durch seine Phantasie fortreißen.

      »Axel, sagte er, wir sind der großen Entdeckung auf der Spur! Diese Klinge liegt hier auf dem Sande seit hundert, zweihundert, dreihundert Jahren, und ist an den Felsen dieses unterirdischen Meeres schartig geworden!

      – Aber sie ist nicht allein gekommen, rief ich aus; es ist Jemand vor uns hier gewesen! …

      – Ja! Ein Mann.

      – Und dieser Mann?

      – Dieser Mann hat mit diesem Dolch seinen Namen eingegraben! Dieser Mann hat noch einmal eigenhändig den Weg nach dem Mittelpunkt zeigen wollen! Suchen wir nur!«

      Und mit erstaunlichem Eifer gingen wir längs der hohen Felswand und forschten nach den geringsten Spalten, die zur Galerie werden konnten.

      So gelangten wir zu einer Stelle, wo das Gestade enger wurde. Das Meer drang fast bis an den Fuß der Vorberge und ließ nur eine oder zwei Klafter als Weg frei. Zwischen zwei Felsenvorsprüngen gewahrte man den Eingang zu einem dunkeln Tunnel.

      Hier zeigten sich auf einer Granitfläche zwei geheimnißvolle halb verwitterte Buchstaben, die beiden Anfangsbuchstaben des kühnen und abenteuerlichen Reisenden:

      »A.S.! rief mein Oheim. Arne Saknussemm! Stets Arne Saknussemm!«

      Vierzigstes Kapitel

      Cap Saknussemm

      Seit Anfang der Reise habe ich viel Erstaunliches erlebt, und ich durfte glauben nun vor Überraschungen sicher und gegen Verwunderung abgestumpft zu sein. Doch beim Anblick dieser beiden seit dreihundert Jahren hier eingegrabenen Buchstaben erstaunte ich ganz über die Maßen. Nicht nur die Handschrift des gelehrten Alchymisten stand auf dem Felsen, sondern auch das Stilet, womit er sie eingegraben hatte, war in meinen Händen. Wollte ich nicht ganz allen Glauben verleugnen, so konnte ich die Existenz des Reisenden und die Wirklichkeit seiner Reise nicht mehr in Zweifel stellen.

      Während diese Gedanken meinen Kopf in Bewegung setzten, gab sich der Professor Lidenbrock einem Schwung der Begeisterung gegen Arne Saknussemm hin, indem er das Vorgebirge, wo er dieses Meer, entdeckt hatte, nach seinem Namen Cap Saknussemm benannte.

      Diese Begeisterung zündete in mir ein gleiches Feuer. Ich vergaß alle Gefahren der Reise und der Rückkehr; was andere vollbracht, wollte ich auch fertig bringen, und nichts, was menschlich ist, schien mir unmöglich.

      »Vorwärts, vorwärts!« rief ich aus.

      Ich stürzte schon auf den dunkeln Gang zu, als der Professor mich hemmte, und der ungestüme Mann riet mir Geduld und Gemütsruhe an.

      »Erst wollen wir zu Hans zurück und das Floß herbeiholen.«

      Ich folgte der Weisung nicht ohne Mißbehagen, und schlüpfte rasch zwischen den Felsen des Ufers hin.

      »Wissen Sie, Oheim, sagte ich beim Fortgehen, daß wir bisher viel Glück gehabt haben!

      – So, Du meinst, Axel?

      – Allerdings, und sogar der Sturm hat uns glücklich auf den rechten Weg geführt; gutes Wetter hätte uns davon entfernt. Dann wäre uns Saknussemm’s Name nicht zu Gesicht gekommen, und wir befänden uns jetzt verlassen ohne Ausweg.

      – Ja, Axel, es ist eine Art göttlicher Fügung, daß wir, südwärts schiffend, nach dem Norden verschlagen wurden zum Cap Saknussemm. Diese Tatsache enthält wirklich etwas Unerklärliches.

      – Nun, gleichviel! Es gilt hier nicht die Tatsachen zu erklären, sondern zu benutzen.

      – Allerdings, lieber Junge, aber …

      – Aber wir wollen uns jetzt wieder nach dem Norden wenden, unsern Weg unter Schweden, Rußland, Sibirien und was es sonst für Nordländer Europas gibt, einschlagen, anstatt unter den Wüsten Afrikas oder den Fluten des Ozeans.

      – Bah! rief ich aus, das ist wahrhaftig nicht der Rede wert! Also vorwärts! Auf den Weg!«

      Solche unsinnige Reden führten wir noch, bis wir zu dem Jäger kamen. Alles war zur sofortigen Abfahrt gerüstet, wir bestiegen das Floß, das Segel wurde aufgespannt, und Hans steuerte längs der Küste nach dem Cap Saknussemm.

      Der Wind war für ein solches Fahrzeug nicht günstig. Wir mußten daher an manchen Stellen unsere Stöcke zu Hilfe nehmen, um vorwärts zu kommen. Ost waren wir durch Felsen, die bis an die Oberfläche des Wassers strichen, genötigt, einen weiten Umweg zu nehmen. Endlich, nach drei Stunden, gegen sechs Uhr Abends, kamen wir an einen günstigen Landungsplatz.

      Ich sprang ans Land, hinter mir mein Oheim und der Isländer. Diese Überfahrt hatte mich nicht ruhiger gemacht. Ich schlug sogar vor, »unsere Schiffe zu verbrennen«, um uns die Rückkehr abzuschneiden. Aber mein Oheim war dagegen; ich fand ihn äußerst lau.

      »Wenigstens, sagte ich, wollen wir unverzüglich uns auf den Weg machen.

      – Ja, lieber Junge; aber zuvor müssen wir diese neue Galerie untersuchen, um zu wissen, ob wir unsere Leitern dazu bereit machen müssen.«

      Mein Oheim setzte seinen Ruhmkorff’schen Apparat in Tätigkeit; das Floß wurde am Ufer angebunden; übrigens war die Mündung der Galerie kaum zwanzig Schritte von da, und wir begaben uns, ich voran, unverzüglich dahin.

      Die fast kreisrunde Öffnung hatte etwa fünf Fuß Durchmesser; der dunkle Tunnel war in lebendig Gestein gebrochen und durch ausgeworfene Gegenstände, welche durch denselben ihren Weg gefunden, geglättet; unten reichte sie an den Boden, so daß man ohne Schwierigkeit hinein konnte.

      Wir gingen erst ganz horizontal, als uns nach sechs Schritten der Weg durch einen ungeheuren Felsblock versperrt war.

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