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erwiderte Hans und deutete auf ein Fahrzeug.

      – Ja wohl, rief ich, da ist eine Fähre.

      – Das hätte man sagen sollen! Nun, weiter!

      – Tidvatten, fuhr der Führer fort.

      – Was sagt er?

      – Er meint die Ebbe, übersetzte mein Oheim das dänische Wort.

      – Allerdings, wir müssen die Ebbe abwarten.

      – Forbida? fragte jener.

      – Ja.«

      Mein Oheim stampfte mit dem Fuß, während die Pferde auf die Fähre zu gingen.

      Es war mir wohl begreiflich, daß man, um überzusetzen, noch eine Weile warten müsse, bis das Wasser auf seinem Höhestand weder steigt noch fällt, weil dann die Strömung in keiner Richtung wirksam ist, so daß die Fähre nicht Gefahr läuft fortgerissen zu werden.

      Dieser günstige Zeitpunkt trat erst um sechs Uhr Abends ein; mein Oheim, ich, der Führer, zwei Fährmänner und die vier Pferde hatten bereits in der etwas gebrechlichen flachen Barke Platz genommen. Da ich an die Dampffähren der Elbe gewöhnt war, so kamen mir die Ruder der Schiffer als ein armseliger Behelf vor. Wir brauchten über eine Stunde Zeit, um über den Fjord zu setzen; aber endlich kamen wir doch glücklich hinüber.

      Nach einer halben Stunde erreichten wir Gardar.

      Dreizehntes Kapitel

      Eine Bauernherberge

      Es hätte nun dunkel werden sollen, aber unter dem vierundsechzigsten Breitegrad konnte die nächtliche Helle mich nicht in Verwunderung setzen; in Island geht die Sonne während des Juni und Juli nicht unter.

      Doch war die Temperatur niedrig. Es fror mich und ich hatte Hunger. Da war nun das Bauernhaus willkommen, welches uns gastlich aufnahm.

      Die Gastlichkeit dieses Bauers wog die eines Königs auf. Als wir ankamen, reichte uns der Besitzer die Hand entgegen und winkte uns ohne Weiteres ihm zu folgen.

      Zu folgen, denn ihn zu begleiten war nicht möglich. Ein langer, schmaler, dunkler Gang führte in diese aus notdürftig behauenen Balken errichtete Wohnung und bildete den Zugang zu den Gemächern; deren waren es vier: die Küche, die Weberwerkstätte, das Schlafzimmer der Familie, »Badstosa« und das Fremdenzimmer, von allen das beste. Da man beim Bauen des Hauses nicht an die Größe meines Oheims gedacht hatte, so stieß er einigemal mit dem Kopf wider die Vorsprünge der Decke.

      Man führte uns in unser Gemach, ein großes Zimmer mit einem Boden von gestampfter Erde und einem Fenster, dessen Scheiben aus wenig durchsichtigen Häutchen von Hammelfleisch gemacht waren. Das Bettzeug bestand aus dürrem Stroh, das man in zwei hölzerne, rot angestrichene und mit isländischen Sprüchen verzierte Verschläge geworfen hatte. Solch eines Komforts hatte ich mich nicht versehen; nur durchdrang das Haus ein starker Geruch getrockneter Fische, eingemachten Fleisches und saurer Milch. Meinem Geruchsorgan wollte dies nicht behagen.

      Nachdem wir unsere Reiserüstung abgelegt hatten, lud uns der Hauswirt ein, in die Küche zu kommen, die einzige Stelle auch bei größter Kälte, wo Feuerung war.

      Mein Oheim folgte ungesäumt der freundlichen Einladung, und ich schloß mich an.

      Das Kamin der Küche war nach uraltem Muster eingerichtet; in der Mitte des Raums bildete ein einziger Stein die Feuerstätte; im Dach befand sich ein Loch als Rauchfang. Diese Küche diente auch als Speisesaal.

      Bei unserm Eintritt grüßte uns unser Hauswirt, als habe er uns noch nicht gesehen, mit dem Wort »saellvertu«, d.h. seid glücklich, und küßte uns auf die Wange.

      Nach ihm sprach seine Frau die nämlichen Worte, verbunden mit derselben Zeremonie; darauf legten sie die rechte Hand aufs Herz und machten eine tiefe Verbeugung.

      Die Frau war Mutter von neunzehn Kindern, die alle, große wie kleine, mitten in dem Dunst des Herdes, welcher das Gemach füllte, durcheinander wimmelten. Jeden Augenblick sah ich ein anderes blondes, etwas melancholisches Köpfchen aus diesem Nebel hervortauchen. Man hätte sie für eine Gruppe ungewaschener Engel halten können.

      Wir begegneten dieser »Nestbrut« recht freundlich, und bald hatten wir drei oder vier der Meerkätzchen auf unsern Schultern, ebensoviel auf dem Schoß, die übrigen zwischen den Beinen. Die sprechen konnten, ließen das »saellvertu« in allen erdenklichen Tonarten vernehmen. Die noch nicht sprechen konnten, schrien um so mehr.

      Das Konzert wurde durch die Ankündigung der Mahlzeit unterbrochen. In diesem Augenblick trat der Eiderjäger ein, welcher inzwischen für Fütterung der Pferde gesorgt hatte, d.h. er hatte sie sparsamer Weise, auf dem Felde zu weiden, losgezäumt; die armen Tiere mußten sich mit spärlichem Moos der Felsen und einigem wenig nahrhaften Seegras begnügen, um Tags darauf von selbst wieder zur Tagesarbeit zu kommen.

      »Saellvertu«, rief Hans.

      Darauf folgte ruhig, automatisch, ohne daß ein Kuß lebhafter war als der andere, dieselbe Szene der Begrüßung von Seiten des Wirts, seiner Frau und der neunzehn Kinder.

      Als die Zeremonie zu Ende war, setzte man sich zu Tische, vierundzwanzig an Zahl, folglich eins auf das andere, im wörtlichen Sinne. Wer nur zwei auf den Knieen hatte, kam dabei gut weg.

      Jedoch als die Suppe kam, ward das Völkchen stille. Unser Wirt reichte uns eine Moossuppe, die nicht übel schmeckte, dann eine stattliche Portion getrockneten Fisch in Butter schwimmend, die seit zwanzig Jahren etwas scharf geworden und also nach isländischen Begriffen vorzüglicher war als frische Butter. Dazu gab es »Skyr«, eine Art geronnener Milch, mit Zwieback und einer Brühe von Wachholderbeeren; endlich ein Trank, Molken mit Wasser gemischt, der »Blanda« genannt wird. Ob diese seltsame Nahrung gut war, oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Es hungerte mich, und zum Dessert verschlang ich einen dicken Haidekornbrei bis auf den letzten Mund voll.

      Nach beendigter Mahlzeit verliefen sich die Kinder wieder; die erwachsenen Personen umgaben die Feuerstelle, wo sie Torf, Reiser, Kuhmist und Gräten getrockneter Fische brannten. Darauf, nachdem sie dergestalt sich gewärmt, begaben sich die einzelnen Gruppen wieder in ihre Gemächer. Die Wirtin erbot sich, der Gewohnheit gemäß, uns Strümpfe und Beinkleider auszuziehen; aber nach unserer höflichen Ablehnung bestand sie nicht darauf, und ich kam endlich dazu, mich auf mein Streulager zu kauern.

      Am folgenden Morgen um fünf Uhr verabschiedeten wir uns von dem isländischen Bauer; mit Mühe konnte mein Oheim ihn bewegen, eine angemessene Vergütung anzunehmen, und Hans gab das Zeichen zur Abreise.

      In einer Entfernung von hundert Schritten bekam die Gegend ein anderes Aussehen; der Boden wurde sumpfig und für die Reise weniger geeignet. Rechts zog sich die Gebirgsreihe unendlich hin, wie ein System natürlicher Festungswerke; oft stieß man auf Bäche, die man notwendig durchwaten mußte, ohne daß jedoch das Gepäck allzu naß wurde.

      Die Öde der Gegend nahm zu; mitunter jedoch schien eine menschliche Gestalt in der Ferne zu fliehen. Da wir auf einem Umwege unversehens einem dieser Gespenster nahe kamen, wandelte mich unwillkürlich ein Ekel an beim Anblick eines geschwollenen Kopfes ohne Haare mit glänzender Haut, und ekelhaften Wunden, die zwischen elenden Lumpen durch zu erkennen waren.

      Das unglückselige Geschöpf reichte nicht seine Hand zum Gruß entgegen; vielmehr floh es so rasch, daß ihm Hans nicht sein »saellvertu« zurufen konnte.

      »Spetelsk, sagte er.

      – Ein Aussätziger!« verdeutschte mein Oheim.

      Und dies einzige Wort wirkte so abstoßend. Diese erschreckliche Krankheit ist in Island gewöhnlich; sie ist nicht ansteckend, sondern angeerbt. Darum ist auch solchen Unglücklichen das Heiraten untersagt.

      Diese Erscheinungen waren nicht geeignet, die traurige Landschaft heiterer zu machen. Die letzten Kräuter erstarben unter unseren Füßen; kein Baum, außer einigem Gestrüpp von Zwergbirken. Nicht ein Tier, außer etlichen Pferden, die, weil ihr Herr sie

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