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Meine Frau freut sich übrigens auch. — Und wer wird mich vertreten, Sir?“, erkundigte sich Wyan lauernd, denn ihm waren die Personalprobleme seiner Abteilung hinreichend geläufig.

      „Hmm, darüber werde ich nachdenken. Vielleicht Hanson.“

      „Aha, das hatte ich mir gedacht, Sir. Also, dann kann ich ja wohl gehen, nicht wahr?“

      „Ja, ja, und machen Sie sich keine Gedanken über die Anzeige, die wird ganz sicher wieder zurückgezogen, wenn man hört, dass Sie Urlaub haben.“

      Es war unverhüllt, was hier geschah. Hanson war die größte Niete, die im Department frei herumlief. Der Sohn eines Parteifunktionärs. Kam es bei der Wahl zum Umschwung, war Hanson der Erste, den man feuern würde. Aber noch regierten die Demokraten in Oaks.

      Wyan dachte an Helen Teflin und war sich klar, in welch großer Gefahr sie schwebte, wo man es sogar auf ihn als dem bearbeitenden Beamten abgesehen hatte. Das waren die alten Tricks. Anzeigen, Meineide, Entlastung vom Amt, ein Nachfolger, der nichts konnte und nichts tat, wurde eingesetzt, der Fall schlief ein, Ende. Zeugen tauchten auf, die das glatte Gegenteil der Wahrheit berichteten, die sogar für entsprechende Bezahlung den hanebüchensten Meineid ablegten, und wenn nichts wirkte, wurde mit Gewalt nachgeholfen.

      Ohne Ambitionen auf Ruhm und den Dank der Bürger seiner Stadt nahm Wyan seine Aktentasche, stopfte noch einige persönliche Papiere aus der Schreibtischschublade hinein, verabschiedete sich von seinen Kollegen und ging, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Dass ihm Urlaubsgeld, womöglich sogar eine Prämie gezahlt wurde von der Verwaltung, darauf konnte er sich fest verlassen. Niemand fuhr unter Colonel McGowan besser als einer, der genau das tat, was McGowan wollte. Das Wohl der Bürger interessierte McGowan höchstens, wenn es wahltaktisch nützlich war.

      Nun saß Anthony Hanson an Wyans Schreibtisch, strahlte die Kollegen an, die ihn mit hämischem Grinsen beobachteten, und die Akten zum Fall des verunglückten Mexikaners Zamrico wurden fein säuberlich eingepackt und komplett an die Untersuchungskommission des Staates geschickt, damit auch ja nicht die geringste Notiz wie eine abgezogene Handgranate im Büro zurückblieb. McGowan war die Sache los. Die Kommission hatte den Schwarzen Peter.

      5

      Helen Teflin hatte zwar jenes ominöse Ledigenheim gefunden, nicht aber nur einen Menschen, der ihr etwas über den plötzlich aufgetauchten Zeugen und dessen Verbleib hätte sagen können. Dieser McCook hatte seine Aussage vor einem Notar und Friedensrichter abgelegt, sie sogar dort beschworen, was nach amerikanischem Recht möglich war, und dann hatte er sich abgesetzt, um nicht etwa ins Kreuzfeuer einer Gerichtsverhandlung zu geraten. Denn jedes Gericht in den USA würde diese Aussage vor dem Notar und Friedensrichter so werten, als hätte McCook diese Aussage vor jedem ordentlichen Gericht gemacht. Und das zählte.

      Als Helen Teflin vor dem Büro ankam, das Time in der John-Kennedy-Street unterhielt, stand dort ein Polizeifahrzeug hinter einem Krankenwagen. Zwei Polizisten lehnten an ihrem Fahrzeug und unterhielten sich. Als Helen auftauchte und hinter dem Polizeiwagen parkte, reagierten sie gar nicht. Helen stieg aus, schloss ab und ging ins Haus zum Lift. Da stand auch ein Polizist und reinigte sich mit einem Taschenmesser sehr angelegentlich die Fingernägel.

      „Ist hier was passiert?“, fragte Helen in berufsmäßiger Neugier.

      Der Polizist sah sie an, grinste und meinte: „Nee, was soll passieren? Wir holen einen Kranken ab. Übergeschnappt oder so. Die bringen den im Lift. Wenn Sie Angst haben, nehmen Sie die Treppe!“, fügte er hinzu und grinste sie an, musterte sie dann recht begehrlich, und sie machte, dass sie weiterkam. Der Lift, den sie trotzdem nehmen wollte, kam sofort, und sie fuhr bis zum Büro hinauf in den dritten Stock. Als sie ausstieg und zu ihrem Büro gehen wollte, rief jemand hinter ihr, den sie gar nicht gesehen hatte:

      „Miss Teflin?“

      Sie drehte sich um. Ein Polizist kam auf sie zu. Ein großer, stämmiger Polizist. Und er sagte lächelnd: „Nur eine Routinesache, wenn Sie uns da bitte keine Schwierigkeiten machen wollen ...“

      „Was reden Sie?“

      Die Tür ihres Büros wurde von innen geöffnet. Der Polizist gab Helen plötzlich einen Stoß, dass sie, die damit überhaupt nicht gerechnet hatte, ins Zimmer flog. Dort fing sie jemand auf, der einen weißen Kittel trug, und eine stämmige Walküre in Schwesterntracht packte sie, wirbelte sie herum, sie bekam einen Schlag ins Gesicht, und als sie sich zur Wehr setzen wollte, hatte man eine Decke um sie geschlungen. Dann pikte sie etwas in den Unterarm. Sie sah dicht vor sich einen Mann im weißen Kittel, der sich über sie beugte, und seine Stimme sagte sonor: „Nur ruhig, dann ist alles ganz einfach.“

      Sie roch noch seinen nach Knoblauch stinkenden Atem, dann wurde ihr auf einmal so merkwürdig, als sei sie betrunken. Es störte sie nun gar nicht mehr, dass man sie auf einer Trage festband, dass man sie aufhob und dann wegtrug. Bevor man mit ihr im Lift ankam, war sie eingeschlafen. Unten verlud man die Bahre ins Krankenauto und fuhr damit weg. In direkter Fahrt ging es zum staatlichen Krankenhaus für Neurologie und Psychiatrie. Der Wagen hielt in der Tordurchfahrt beim Pförtner. Ein Hüne von Mensch saß dort und fragte: „Was ist es?“

      „Verdacht auf schwere Psychose und Einweisung in die geschlossene Abteilung. — Hier ist der amtsärztliche Beschluss.“ Der Beifahrer des Krankenwagens reichte einen Zettel zum Pförtner, der las ihn, stempelte ihn ab und steckte ihn in eine Mappe.

      „Okay, Block 3, ihr wisst ja Bescheid!“

      6

      „Wenn sie sich beruhigt hat, werden wir ein EEG machen“, sagte Dr. Hamilton zu seinen beiden Mitarbeitern. Er streifte sich seinen weißen Kittel ab und wandte sich an die Sekretärin, die schon darauf wartete, von ihm ein Diktat zu hören. Mit Bleistift und Block saß sie, die schönen langen Beine gewinkelt, auf ihrem Hocker.

      Die Assistenten Dr. Hamiltons, beides jüngere Ärzte, warfen dem verhinderten Pinup-Girl einen fantasiegeschwängerten Blick zu, dann waren sie draußen.

      Dr. Hamilton, klein, agil und sensibel, marschierte vor seiner Sekretärin auf und ab. Er galt unter Fachleuten als Koryphäe, aber es gab auch Leute, die ihn für so verrückt hielten wie die meisten seiner Patienten.

      „Haben Sie die Papiere von der amtsärztlichen Stelle angefordert?“, fragte er hastig.

      „Ja, ist alles da. Verdacht auf schwere Gemüts- und Geistesstörung.“

      „Hmm. Der Einweisungsbeschluss ist dabei?“

      „Ja, von den beiden Amtsärzten unterschrieben. Der Chef des Gesundheitsamtes ist in Urlaub, aber die Vertreter genügen für die Unterschriften.“

      „Also dann. Notieren Sie für die Abteilung! — Zwei Tage geben wir ihr Ruhe. Wir geben ihr heute einen milden Tranquilizer, morgen knappe Kost, wenig zu trinken, keine Gewürze. Am Nachmittag wird das EEG gemacht. Ich möchte auch eine Aufnahme von vorn und seitlich vom Schädel, im Übrigen fehlt mir noch die histologische Aufzeichnung der Patientin. — Sie ist Journalistin?“

      „Ja, so steht es in den Papieren.“

      „Welches Blatt?“

      „Time, Sir, und von New York ist schon hier angerufen worden. Vor ein paar Minuten. Ich habe keine Auskunft gegeben.“

      „Sehr gut. Wir geben auch weiterhin keine. Wer etwas wissen will, muss sich schon ans staatliche Gesundheitsamt wenden. So, die weitere Untersuchung führe ich dann in drei Tagen durch. Bis zu meiner Entscheidung bleibt sie in diesem Einzelzimmer der Einweisungsabteilung. Sollte sie Schwierigkeiten machen, und sie sieht so aus, als fiele ihr da etwas ein, kommt sie in der Zwangsjacke aufs Bett. — Alles klar?“

      „Wenn ein Rechtsanwalt mit ihr reden will? Ich meine, das hat man aus New York schon angekündigt.“

      „Kein Besuch!“

      „Aber ein Anwalt muss von ihr die Vollmacht unterschrieben haben“,

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