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vorhin noch alles überstrahlend, war weg. Es wurde düster. Schnee hing in der Luft.

      Der Baron half Helen aus der Maschine, trug sie wie ein Kind weg vom Flugzeug. Hinter ihm keuchte James, der die junge Schwarze trug.

      „Warum, warum schleppen Sie mich so weit weg?“, fragte Helen.

      Der Baron, der sich im hohen Schnee mit der Last quälte, antwortete nicht. Da schrie hinten Le Beau: „Deckung!“

      Und im selben Moment krachte es. Erst die gleißend helle Stichflamme, die rundherum alles so grell erleuchtete, als sei die Sonne wieder am Himmel. Dann der Knall.

      Der Baron hatte sich mitsamt seiner Last in den Schnee fallen lassen. James reagierte nicht ganz so schnell, Er spürte einen indirekten Stoß, achtete aber nicht weiter darauf. Le Beau, der Maschine noch näher, war ebenfalls untergetaucht.

      Die Explosion ließ die Steuerbordtragfläche bersten. Der letzte Treibstoff, zu wenig, um damit zu fliegen, zu viel, um nicht noch zu brennen, ergoss sich in den Schnee. Zischend, prasselnd verbrannte er dort. Und kurz darauf krachte es wieder. Benzin spritzte vom zweiten Tank her durch die Luft wie ein Feuerwerk. Dann war es vorbei, und nur die Flammen loderten zischend und sprühend, weil der Schnee in ihnen taute, und das Wasser im Sprit spritzte wie in heißem Fett.

      Der Baron hatte Helen Teflin sich selbst überlassen, und rannte, so gut er das im hohen Schnee konnte, zurück zur aufgerissenen Maschine. Er hörte den schrillen Schrei eines Menschen. Dann sah er eine Fackel aus dem Flammenmeer herauskommen. Eine Fackel, die plötzlich in den Schnee fiel und sich in ihm herumwälzte, dann aber ruhig liegenblieb, als die Flammen erloschen waren.

      Wieder stürzte jemand aus dem Flammenmeer heraus, rollte sich in den Schnee, dann lag auch diese rußgeschwärzte Gestalt still.

      Le Beau tauchte neben dem Baron auf. Sie erreichten zusammen die beiden schwarzen Gestalten im Schnee. Der eine war Horell. Er war völlig verbrannt, Gesicht. Kleidung, alles. Der Baron kniete sich neben ihn. Aber da half niemand mehr, kein Arzt, kein Wunder. Horell war tot.

      Als Alexander aufsah, winkte ihm Le Beau, der zusammen mit James neben dem anderen kniete. „Es ist Mores.“

      Bradley kam, beugte sich über seinen Kameraden und sagte: „Der ist im Eimer.“

      Le Beau sah wild zu ihm auf.

      „Das Verbandszeug, du Idiot! Los, das Heck ist unversehrt. Man kommt von außen dran!“

      Bradley lachte wütend auf.

      „Wenn welches drin ist. Das weiß man so genau niemals.“

      20

      Eisig kalter Wind wehte pulvrigen Schnee in dünnen Schleiern über die verkohlten Trümmer. Dort, wo das Feuer den Schnee geschmolzen hatte, war jetzt Eis. Schwarzes, schmutziges Eis, das ölig schillerte. Der Mond stand am Himmel, Vollmond. Und nicht nur deshalb war die Nacht so hell. Die Männer hatten ein Feuer angezündet, um sich daran zu wärmen. Was an Decken und Stoffbezügen in den Trümmern überhaupt noch zu finden gewesen war, hatten sie über Mores und unter ihn gebreitet oder den beiden Mädchen gegeben.

      Die junge Schwarze schnatterte vor Kälte mit den Zähnen. Ihr war ein Stück Aluminiumblech an die Schulter geschlagen und hatte ihr dort das Fleisch tief aufgerissen. James hatte die Wunde verbunden. Man hätte den Riß nähen müssen - aber wie und womit?

      Mores lag im Windschutz des ausgeglühten Flugzeugrumpfes, die Männer kauerten um ihn herum. Die Brandwunden hatte Le Beau mit Aluminiumpuder bestreut, mit Brandtüchern bedeckt und in die Decke gehüllt. Es ging Mores trotzdem nicht gut. Er musste entsetzliche Schmerzen haben. Er klagte über Atemnot, japste und fror offenbar fürchterlich, obgleich sie alles taten, um ihn zu wärmen. Der Baron und James hatten sogar ihre Jacken ausgezogen, um Mores damit zuzudecken. Dennoch wich die Kälte nicht von ihm. Er schnatterte noch lauter mit den Zähnen als die junge Schwarze. Zwischendurch hörten sie sein Wimmern. Und keiner konnte ihm helfen.

      „Es gibt nur eine Chance“, sagte Le Beau. „Wenn sie uns im Radar gehabt haben sollten, dann werden sie uns finden.“

      Bradley schüttelte den Kopf.

      „Dazu sind wir zeitweise viel zu tief geflogen. Ich glaube nicht, dass uns irgendeiner sucht. Wir müssen sehen, dass wir hier aus dem Gebirge wegkommen.“

      „Und wie wollen Sie Mores transportieren? Der geht dabei drauf“, sagte Le Beau und betrachtete den schwer durch die Brandwunden verletzten Navigator.

      Horell hatte es ausgestanden, aber Mores lebte. Vielleicht würde er noch zehn, vielleicht zwanzig Stunden leben, womöglich auch zwei, drei Tage. Vielleicht würde er sogar durchkommen. Aber eines war gewiss: Er musste getragen werden, und er brauchte wegen der großen verbrannten Flächen auf seiner Haut Wärme.

      Sicher, es war immerhin möglich, dass man sie hier fand. Es war auch möglich, dass der plötzliche Winter wieder zurückgedrängt wurde. Schließlich hatte man erst September. Dann hielt sich der Schnee hier auch nicht lange. Aber dem Schnee hatten sie eine relativ glatte Bauchlandung zu verdanken. Hätten Horell und Mores nicht so lange mit dem Aussteigen gezögert, wären sie vielleicht beide noch gesund, Horell noch am Leben.

      Vielleicht, wenn, könnte und müsste - lauter Wörter, die jetzt in jedem Satz und in jedem Gedanken vorkamen. Aber die Wirklichkeit ließ sich nicht auf Konjunktivformen ein. Es war Winter, und wenn zehnmal erst September auf dem Kalender stand. Und es lag Schnee, es wehte eiskalt von Norden, und sie wussten nicht einmal präzise, wo sie sich befanden.

      „Wo sind wir überhaupt, Bradley?“, fragte der Baron. „Sie haben doch die letzte Berechnung gemacht.“

      „Berechnung ist gut“, meinte Bradley. „Roy ist auf Sicht geflogen und kannte sich hier aus. Wenn es stimmt, was er zuletzt gesagt hat, sind wir irgendwo zwischen Hazelton und Dawson Creek.“

      „Dann müsste doch südlich von dieser gedachten Linie Prince George liegen, damit auch die Canadian Pacific Railroad.“ Der Baron sah sie der Reihe nach an. „Nicht wahr, Bradley, das bedeutet, dass wir dann, wenn wir südwestlich marschieren können, in jedem Falle auf die Bahn stoßen müssten.“

      „Ja“, stimmte Bradley zu, ,,sie verläuft von Edmonton aus über Prince George und Hazelton nach Prince Rupert am Pazifik.“

      „Hazelton ist eine ziemlich kleine Stadt“, meinte Le Beau.

      „Du wirst hier keine großen finden, von Edmonton abgesehen. Hazelton hat siebentausend Einwohner. In Kanada ist das schon etwas.“ Der Baron wandte sich an Helen Teflin, lächelte und sagte: „Dort sind bestimmt wunderbare Geschäfte, in denen Sie sich neu einkleiden können.“

      „Wollen Sie mich verspotten?“, fragte Helen und sah zu ihm auf. Sie hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, hielt die Knie angezogen und saß so nahe am Feuer, dass man fürchten musste, sie könnte sich verbrennen. Auch die Schwarze tat, als wollte sie in die Flammen kriechen, so sehr fror sie.

      „Ich möchte Sie nicht verspotten, Miss Teflin. Wir haben das Beste für Sie gewollt. Niemand konnte ahnen, dass Sie vom Regen in die Traufe geraten.“

      „Man hätte ein besseres Flugzeug nehmen sollen“, sagte Schwester Betty, deren Kleidung aussah, als hätte sie damit in ausgelaufenem Altöl gelegen.

      „Schwester, Sie wollten freiwillig mit.“ Le Beau kauerte sich vor ihr hin. „Es ist nicht so einfach, eine Maschine zu bekommen, deren Besitzer sie für eine Entführung hergibt. Sie können es auch Befreiung nennen.“

      „Ich sage schon nichts mehr.“ Die Schwester sah starr auf den Schwerverletzten, durch dessen Körper ein Schütteln ging. Er stöhnte und wimmerte auch nicht mehr. „Mein Gott, er stirbt!“ sagte Schwester Betty, beugte sich über Mores, dann blickte sie auf. „Er ist erlöst. Er wäre niemals durchgekommen. Nicht hier.“

      21

      „Und

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