Скачать книгу

ihr erzählt, dass sie das alles nicht gewollt hatte und es ein riesiges Missverständnis war. Aber was sollte sie denn zu ihr sagen? Oh hallo Mama, ich habe meinen Freund ermordet, weil ich sauer war, hoffentlich macht es dir nichts aus, dass er hier tot in unserem Flur liegt, wollen wir ein Eis essen? Sicher nicht. Stattdessen begann Clementine wieder zu weinen und schluchzte:

      „Es… es tut mir so leid, Mum… ich wollte das nicht machen… ich habe mich verwandelt… etwas hat von mir Besitz ergriffen… ich weiß nicht, was ich bin."

      Mrs. Campbell lief schnell zu ihrer Tochter und schloss sie fest in die Arme. Clementine war irritiert:

      „Mum, ich bin eine MÖRDERIN! Wie kannst du mich jetzt mit dem Wissen noch in den Arm nehmen?", heulte sie völlig überfordert und sackte wieder in sich zusammen. Die Leiche in ihrem Haus ließ ihre Mutter wohl völlig kalt, denn sie lief zu Clementine und bückte sich zu ihr nach unten.

      „Sieh mich an, Clem", sagte sie in einem ernsten Ton. Das Mädchen hob den Kopf und versuchte zu erkennen, wie enttäuscht ihre Mutter von ihr war. Aber zu ihrem Erstaunen sagte sie etwas völlig anders, womit sie niemals gerechnet hätte: „Das ist das Erbe deines Vaters."

      Verständnislos musterte Clementine ihre Mutter und wollte einfach nicht glauben was sie da sagte:

      „Welches Erbe? Ich kenne meinen Vater doch gar nicht! Was hat das denn mit ihm zu tun?!", fragte sie total und sichtlich überfordert. Mrs. Campbell half ihrer Tochter wieder auf die Beine und sagte:

      „Setz dich, ich muss dir etwas erzählen".

      Clementine warf noch einen schmerzvollen Blick auf Kais Leiche, dann kam sie immer noch etwas wackelig auf den Beinen zu ihrer Mutter ins Esszimmer und setzte sich an den Esstisch.

      „Also, wer ist mein Vater?", fragte Clementine, nachdem sie sich etwas beruhigt hatte und lehnte sich gespannt etwas vor. Mrs. Campbell holte tief Luft.

      „Du darfst mich aber nicht für verrückt erklären", forderte sie und sah Clementine fast flehend in die Augen.

      Die Tochter lachte sarkastisch auf: „Nach diesem Tag halte ich gar nichts mehr für verrückt", versprach sie.

      „Nun gut, Clem. Dein Vater ist der Teufel."

      „Das ist ein Witz, oder?", fragte Clementine ungläubig und starrte ihre Mutter schockiert an: „Den Teufel gibt es doch gar nicht!"

      „Würde es ihn nicht geben, würde es dich auch nicht geben", erwiderte Mrs. Campbell traurig und Clementine wurde plötzlich bewusst, dass ihre Mutter die Wahrheit sagte. Das war zu viel für sie.

      „Bitte Clem, du musst mir glauben! Ich wusste, dass das eines Tages passieren würde! Du bist die Tochter des Teufels und ich hätte es dir wirklich schon früher gesagt, ich habe gehofft du würdest nicht so werden wie er. Aber nun wissen wir es ja beide. Du bist der nächste Teufel und ich wünschte, ich könnte dir dieses Schicksal ersparen, aber die Dinge sind nun einmal so, wie sie sind", sagte ihre Mutter ernüchternd und sah Clementine fest in die Augen.

      „Mum, ich habe gerade einen Menschen getötet! Und das nimmst du einfach so hin? Belastet es dich denn gar nicht, was für ein Monster ich bin? Könntest du mir vielleicht auch gleich mal erklären, weshalb ich mich in so ein schreckliches Ding verwandelt habe?", fragte sie gereizt und schlug die Hände verzweifelt über ihrem Kopf zusammen. Mrs. Campbell nahm vorsichtig die Hand ihrer Tochter und drückte sie sanft:

      „Hör mir zu. Ich weiß, ich bin nicht gerade erfreut darüber, dass du jemanden umgebracht hast. Aber ich kannte deinen Vater. Glaubst du, er hat nie jemandem etwas getan?", fragte sie mit ruhiger Stimme. „Außerdem, glaube ich, hattest du einen guten Grund ihm sowas anzutun, denn normalerweise ist das nicht deine Art", fügte ihre Mutter noch hinzu. Clementine sah sie an: „Es ist generell nicht meine Art Leute abzuschlachten, Mum", schluchzte sie leise, zog die Knie an ihren Körper und schlang die Arme darum.

      „Clementine, warst du in dem Moment, in dem du Kai angegriffen hast, wütend?", fragte Mrs. Campbell forsch und versuchte mit ihrer Tochter Blickkontakt herzustellen. Clementine wich ihrem Blick jedoch aus.

      „Clem! Wenn Du Antworten auf deine Fragen haben willst, dann musst Du mit mir kooperieren!", schimpfte ihre Mutter ärgerlich und sah auf die Uhr. „Wir haben nicht viel Zeit bis dein Stiefvater zurückkommt! Also, warst du in diesem Moment wütend, oder nicht?", fragte sie erneut.

      Clementine hob den Kopf: „Ja, ich war sogar sehr wütend. Ich konnte mich nicht kontrollieren. Es ist einfach passiert", sagte sie und man konnte großes Bedauern an ihrer Stimme spüren. Clem wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht.

      „Na also. Denn genau das ist der Grund deiner Verwandlung, Clem. Durch das Gefühl der Wut verwandelst du dich in ein Teufelswesen. Das ist dein anderes Ich. Du musst lernen, diese Wut in den Griff zu bekommen, sonst werden noch viele Menschen, die dir etwas bedeuten, leiden müssen. Und das willst du doch nicht, oder?"

      Clementine schüttelte sofort energisch den Kopf. Mrs. Campbell stand auf und seufzte:

      „Nun, wo deine Kräfte erwacht sind, bist du nirgendwo mehr sicher. Sie werden Jagd auf dich machen", flüsterte das Model angespannt und lief unruhig im Raum auf und ab. Clementine sah ihre Mutter verwirrt an:

      „Wer wird Jagd auf mich machen? Und vor allem: Warum?", fragte sie, doch sie bekam nicht sofort eine Antwort.

      „Weil du mächtig bist und weil du anders bist. Hier bist du definitiv nicht mehr sicher. Ich muss dich fortbringen, an einen sicheren Ort. Geh schnell nach oben in dein Zimmer und packe das nötigste zusammen, Clem. Es wird wohl ein Weilchen dauern, bis du wieder hierherkommen kannst.“

      A Kind of Magic

      (Queen, 1986)

      „Autsch, verflixt", fluchte Tarik leise und rieb sich den schmerzenden Arm, als er die Haustür öffnete. Die Schlägerei in der Schule hatte ihre Wirkung erzielt, sein Arm fühlte sich geprellt an und sein Gesicht schmerzte, als wäre jemand ein paar Mal mit einem Mähdrescher darüber gefahren (und so sah es, ehrlich gesagt, auch aus). Jake lief dem Jungen freudig entgegen, sprang voller Freude an ihm hoch und bellte ein paar Mal.

      „Hallo, mein Freund", begrüßte Tarik den Vierbeiner und streichelte den schwarz-weißen Husky ausgiebig. „Warte mal kurz, ich räume nur kurz meine Schulsachen auf", fügte er mit ruhiger Stimme hinzu, warf sich seinen Rucksack mit Camouflage-Muster über den Rücken und lief in sein Zimmer hinauf. Hier war er sowieso am liebsten. Hier nannte ihn niemand einen „Spinner" oder einen „Tier-Freak". Hier war er einfach nur Tarik und mehr wollte er auch nicht sein.

      „Wuff", bellte Jake von unten und kläffte ein paar Mal ungeduldig.

      „Ich komme doch gleich", rief der schwarzhaarige Junge hinunter und warf dann doch noch schnell einen Blick auf eine seiner Tierzeichnungen auf dem Schreibtisch, die er in seiner Freizeit anfertigte. Diese hier war eine ganz besondere. Sie zeigte ein Wolfsrudel bei der Jagd. Auf dieses Bild war Tarikfurchtbar stolz und er wollte es nachher unbedingt seiner Mutter zeigen. Also schnappte er sich das Papier und rannte schwungvoll die alte Holztreppe wieder hinunter. Jake kratzte erwartungsvoll am Boden herum und seine hellen Augen leuchteten freundlich und fröhlich. Bei diesem süßen Anblick musste Tarik einfach grinsen. Schon damals, als sie Jake im Welpenalter adoptiert hatten, war der Husky unfassbar süß gewesen. Das war noch gar nicht so lange her. Zwei Jahre vielleicht oder zweieinhalb. Länger aber nicht.

      „Weißt du was? Ich glaube, wir haben noch Fleisch von gestern Abend übrig. Ich schaue mal schnell", sagte Tarik und schlängelte sich flink an seinem Hund vorbei in die Küche, denn der Husky stand mal wieder mitten im Weg. „Aha, wusste ich es doch, hier ist es!", triumphierte Tarik und angelte ein Stück Restfleisch aus dem Kühlschrank. „Aber so ein großes Stück bekommst du nicht", ermahnte der Junge seinen Hund und holte sich noch ein Messer und ein Schneidebrett, um ein Stück für den Vierbeiner zurechtzuschneiden. Tarik erhob das scharfe Messer und setzte an.

      „Autsch", erschrak er und ließ das Messer fallen. „Verdammt!" Schnell versuchte Tarik das herablaufende Blut von seinem Finger

Скачать книгу