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und setzte sich auf ihren großen Balkon. Die Veilchen, die ihre Mutter im Frühjahr dort gepflanzt hatte, waren mittlerweile aufgegangen und blühten in einem wunderschönen kräftigen Violett. Gerade als Clementine ihre Kopfhörer aufsetzen wollte, um ein bisschen Musik zu hören, ertönte die Klingel.

      Irritiert legte sie die Kopfhörer zurück auf den kleinen Tisch aus Glas, der neben ihr stand. Dann erhob sie sich, ging zurück ins Zimmer und öffnete ihre Zimmertür einen Spalt. Hatte sie sich verhört? Nein, offenbar nicht, denn die Klingel ertönte ein zweites Mal.

      „Wer kann das wohl sein?", überlegte Clementine leise und schritt eilig die Treppe hinunter. Als sie die große schneeweiße Tür öffnete, begann sie zu strahlen:

      „Kai! Was machst du denn hier? Ich dachte du hättest heute ein wichtiges Training?", bombardierte sie ihren Freund mit Fragen und fiel ihm um den Hals. Er roch so gut nach dem Parfüm, das Clementine ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte.

      „Ich wollte nur meine Freundin besuchen, da war mir das Spiel egal", lächelte er, doch Clementine hätte schwören können, dass er sie traurig ansah, als der Junge sich geschickt aus ihrer Umarmung löste.

      „Kann ich vielleicht kurz reinkommen?", bat Kai sie und fuhr sich durch seine perfekt sitzenden blonden Haare.

      „Kurz? Du kannst natürlich so lange bleiben, wie du willst!", erwiderte Clementine und schloss die Tür hinter den beiden.

      „Du siehst so besorgt aus Kai, was ist denn?", fragte sie dann leise und wollte ihrem Freund eine weitere Umarmung schenken, doch diesmal wich er absichtlich aus und kratzte sich nachdenklich und irgendwie auch nervös am Arm. Clementine runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust: „Was ist los Kai?", fragte sie eindringlich und starrte ihn an. Er hatte noch nie eine Umarmung von ihr ausgeschlagen. Das hier war das erste Mal gewesen.

      „Es ist so, Clementine… Du, du bist wirklich ein tolles Mädchen und ich mag dich, aber…ich …ich habe einfach keine Gefühle mehr für dich und ich dachte, es wäre nur fair, wenn du es von mir hörst. Nimm es bitte nicht persönlich okay? Du wirst darüber hinwegkommen", sagte er fast ohne zu zögern, aber dafür gänzlich ohne Bedauern in der Stimme. Clementine stand ihm fassungslos gegenüber und starrte ihn verletzt an, sie konnte nicht glauben, was er da sagte.

      „Soll das etwa heißen, du willst mit mir Schluss machen?“, fragte sie bestürzt.

      „Clem, es tut mir wirklich leid, aber ich liebe dich einfach nicht mehr", sagte er sachlich und schwieg dann.

      „Warum tust du das? Was soll diese Aktion! Ich habe doch nie irgendwas falsch gemacht, ich habe mich immer bemüht, eine gute Freundin zu sein! Warum tust du mir das an!“, rief sie sauer und verletzt und hielt sich die Hände an den Kopf.

      „Was soll ich sagen, die Gefühle sind verschwunden und es ist besser es zu beenden, als eine gefühllose Beziehung zu führen!?“ antwortete er kopfschüttelnd und sah sie an.

      „Soll das etwa heißen, dass es ein anderes Mädchen gibt? Ist es das, was du mir damit sagen willst??!“, fauchte Clementine ihn wütend an und ihr fiel es nun schon schwer, ihre Tränen zurückzuhalten. Kai zögerte einige Sekunden, bevor er antwortete:

      „Nein, gibt es nicht“. Aber Clementine war nicht dumm. Das Zögern hatte ihr die Antwort bereits geliefert.

      „Ich gehe dann mal wieder", versuchte er beiläufig zu sagen und wollte gerade nach der Klinke greifen, als Clementine sprach: „Oh nein, du wirst nirgendwo hingehen, mein Lieber."

      „Clem, was…?" fragte Kai verwirrt und drehte sich um, aber das, was er sah, ließ ihn das Blut in den Adern gefrieren. Clementine stand völlig regungslos ein paar Meter vor ihm entfernt. Sie merkte, wie sie wütend wurde, und zwar sehr, sehr wütend. Auf einmal durchzuckte sie ein übler Schmerz; es fühlte sich an, als würden tausende Klingen ihren Körper durchstechen. Ihr Kopf schmerzte und sie schrie auf. Kai drückte sich ängstlich an die Tür und wollte wegrennen, aber Clementine sah auf und schrie: „Du verfluchter Mistkerl! Zur Hölle mit dir!"

      „Was passiert mit dir?!", keuchte Kai atemlos und zitterte, als er sah, wie die Augen von Clementine sich komplett schwarz färbten. Auf einmal verwandelten sich ihre zarten Finger in lange messerscharfe Klauen, und ihr wuchsen gewaltige dunkel gedrehte Hörner an beiden Seiten aus dem Kopf. Ihre blasse Haut bekam einen rötlichen Ton, aus ihren Schultern schossen riesige schwarze, Fledermaus-artige Flügel und lange scharfe Eckzähne kamen zum Vorschein. Bedrohlich, als wäre sie besessen, schritt sie auf Kai zu und leckte sich genüsslich über die Lippen.

      „Clementine…. das ist nicht lustig… bitte… nein!", flehte Kai und kauerte sich auf dem Boden zusammen. Clementine ragte über ihm wie ein Wolf vor einem Schaf und sagte:

      „Dafür wirst du bezahlen! Wenn ich dich nicht bekomme, soll es auch keine andere! Das ist alles allein deine Schuld, ganz allein deine Schuld!", kreischte sie und holte mit ihren langen, gefährlichen Klauen weit aus. Kai sah sie mit vor Schreck geweiteten Augen an und flüsterte:

      „Du bist nicht Clementine. Du bist ein Monster".

      Doch im gleichen Augenblick versenkte Clementine ihre Klauen im Hals ihres Ex-Freundes und riss ihn förmlich in Fetzen. Dabei schrie sie immer wieder aufs Neue:

      „Du verdammter Mistkerl! Du sollst LEIDEN! Was hast du mir nur angetan!?!".

      Blut, dunkelrot wie manche Rosen, die im Garten der Villa wuchsen, spritzte an die weißen Wände und färbte auch die helle Couch. Immer wieder, obwohl Kai schon tot war, schlug sie auf ihn ein, riss seine Haut in Fetzen, kreischte wütend und bohrte ihre Krallen tief in sein Fleisch, bis sie sogar die blanken Knochen spüren konnte. Doch sie konnte nicht aufhören. Nach einiger Zeit wurden ihre Schläge jedoch schwächer, ihre Bewegungen langsamer und ihre Haut bekam wieder eine normale Farbe. Die Flügel verschwanden, auch die Hörner waren weg und ihre Zähne schrumpften wieder auf die normale Größe. Clementine stand blutverschmiert und völlig schockiert vor der komplett zerstückelten Leiche von Kai. Traumatisiert vor Schreck wich sie einige Schritte zurück.

      „Kai… was habe ich nur getan… es tut mir so leid", schluchzte sie tränenerstickt und hielt ihre Hände vors Gesicht. Als sie aber sah, dass dort noch mehr Blut von der Person klebte, die sie doch so geliebt hatte, begann sie heftig zu zittern. Das ganze Blut an den Wänden war machte es für sie nur noch schlimmer.

      „NEIN!", schrie sie panisch und begann sich vor dem Schmerz zu winden, der sich in ihr breitmachte: „Das wollte ich nicht Kai, ich wollte dich nicht töten!", weinte sie und brach in der Eingangshalle zusammen. Unter Tränen und furchtbaren Schuldgefühlen wusste sie tief in ihrem Inneren, dass nichts mehr so sein sollte, wie es einmal war. Das war nicht sie gewesen. Hatte sie gerade eine Art Transformation erlebt? Wer war sie? Was war eben mit ihr passiert? Clementine schluchzte und lehnte sich immer noch unter Schock stehend an die Wand. Jetzt, in genau diesem Moment stand sie in einer für Hollywoods Verhältnisse völlig normalen Villa in Los Angeles, der man von außen nichts von all dem Übel, das gerade geschehen war, anmerken konnte, und neben ihr lag eine brutal zugerichtete Leiche. Ein ganz normaler Tag eben.

      Immer noch betäubt von ihrer herzlosen Tat stand Clementine in der Eingangshalle und konnte sich nicht von der Stelle rühren. Da lag er, oder besser gesagt, das, was noch von ihm übrig war, denn überall im Umkreis von mindestens drei Metern waren Teile seines Körpers verteilt. Sie schluchzte und konnte einfach nicht fassen, dass sie das gewesen war. Wie hatte das nur passieren können? So derartig war sie noch nie ausgerastet. Doch was war das?

      Heftig atmend wischte sich das blonde Mädchen die Tränen aus dem Gesicht, als sie draußen das verräterische Geräusch eines parkenden Autos hörte.

      „Was mache ich jetzt nur?", keuchte sie atemlos und versuchte einige der Körperteile unter das Sofa zu schieben. Sie wusste nicht einmal genau, warum sie das tat; derjenige, der jetzt zur Tür hereinkommen würde, würde sowieso sehen, was sie angerichtet hatte. Und in genau diesem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss und ihre Mutter schob sich ins Haus:

      „Hallo Schatz, ich bin wieder zu… WAS zum???“,

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