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Albert, hör auf!“, kicherte Stephanie. „Du bringst mein Haar ganz durcheinander und ich muss noch zu dem Empfang gehen, den meine Eltern für die Verlobung meines Bruders geben.“

      Albert stöhnte leise auf. „Wir haben noch eine halbe Stunde.“ Als er sie weiter liebkoste, warf sie endlich ihre Arme um ihn und erwiderte seine Zärtlichkeiten.

      Nachdem er sie nach Hause gebracht hatte, schlenderte er langsam zu seinem Quartier zurück und grübelte über eine Hochzeit nach. Er fühlte sich für eine derartige Verpflichtung noch zu jung; außerdem wohnte er immer noch in der Kaserne und würde die Erlaubnis seines Kommandanten benötigen, um heiraten zu können, etwas, das nicht leicht zu kriegen war. Er war sicherlich nicht dazu in der Lage, sich mit seinem Gehalt eine Frau und eventuelle Kinder zu leisten. Gewiss, Steffi war eine verlockende Partie, ihre Eltern waren gut situiert. Sie besaßen mehrere Kachelofen Fabriken, in denen viele Arbeiter angestellt waren. Aber es widerstrebte ihm seine eventuelle zukünftige Ehefrau wegen ihres Geldes zu heiraten. Sie hatte ihn bereits einige Male gebeten, beim Militär zu kündigen und für ihren Vater und ihren Bruder zu arbeiten, eine Vorstellung, die ihn mit Grauen erfüllte. Er sehnte sich nach einem Leben als Offizier und Pilot; er wollte keine Keramikfliesen herstellen. Und Heinz war sein kommandierender Offizier – er hatte sein Auge ebenfalls auf Steffi geworfen. War er wirklich verheiratet? Albert glaubte es nicht.

      Er erreichte die Kaserne gerade zum Zapfenstreich und entschied, etwas Abstand zwischen Steffi und sich zu halten. Der Zeitpunkt dafür war gerade richtig, da er zur Fliegerausbildung einige Monate nach Norddeutschland versetzt würde.

      Albert liebte die Fliegerausbildung. Er war ein erstklassiger Schüler und durfte schnell allein fliegen. Es gab einfach kein Gefühl, was dem gleichkam – hoch über dem Boden zu schweben, den blauen Himmel über und die weißen Wolken neben sich. Das Gefühl völliger Freiheit war so mächtig, dass er wünschte, es würde niemals aufhören.

      Und dann eines Tages wurde er zum Dienstzimmer seines Kommandanten beordert.

      „Klaproth, kennen Sie eine Stephanie Brandt?“

      „Ja, Herr Kommandant, das tue ich“, antwortete Albert leicht verwirrt.

      „Nun, ihr Vater hat sich bei Ihrem früheren Offizier, Heinz Meister, beschwert, dass seine Tochter schwanger ist. Sie nennt Sie als den Vater ihres ungeborenen Kindes und fordert Sie auf, dass Sie augenblicklich das Richtige tun und sie heiraten.“

      Albert war sprachlos. Wie weit konnte sie schon sein? Er hatte sie seit einigen Wochen nicht mehr gesehen und sie hatte ihm in ihren wenigen Briefen absolut nichts davon gesagt. Er kehrte sofort nach Erfurt zurück, um Stephanie zur Rede zu stellen.

      „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Kind erwartest?“, wollte Albert wissen. „Und wie weit bist du schon? Wir sind schon zwei oder drei Monate nicht mehr miteinander intim gewesen – ist das Kind wirklich meins?“

      „Albert, bitte, du musst mir glauben, es ist dein Kind.“ Steffi weinte und wiederholte wieder und wieder dasselbe, sie schwor, dass das Kind, das sie erwartete, wirklich seines war, und flehte ihn an, sie zu heiraten.

      „Ich denke, dass du nur nach einem Sündenbock suchst“, sagte Albert außer sich vor Zorn. „Du warst mit mehreren Männern zusammen und jetzt hast du mich als wehrloses Opfer ausgesucht.“

      „Nein, Albert, ich bin mir ziemlich sicher, dass das Baby von dir ist.“ Albert schüttelte konsterniert den Kopf. „Ich weiß nicht, Steffi – ‚ziemlich sicher‘ ist mir nicht sicher genug.“

      „Es muss an dem Tag passiert sein, bevor du zu deinem Posten zurückgekehrt bist – erinnerst du dich? Der Tag, an dem ich zu der Verlobungsfeier meines Bruders gehen musste.“ Inzwischen war Steffi vollkommen aufgelöst.

      „Steffi, hör mir zu.“ Er warf seine Hände in die Luft. „Ich liebe dich nicht, ich will dich nicht heiraten, ich will an diesem Zeitpunkt meines Lebens kein Kind und ich glaube nicht, dass es überhaupt mein Kind ist! Ich liebe mein Leben genauso, wie es jetzt ist, und ich kann mir gerade jetzt sowieso keine Familie leisten.“

      „Albert, was soll aus mir werden?“ Steffi war beinahe hysterisch. „Es ist zu spät, um noch über eine Abtreibung nachzudenken, selbst wenn es noch einen Arzt gäbe, der sich dazu bereit erklären würde.“

      Albert starrte sie an. „Denk nicht mal daran“, fuhr er sie. „Du weißt, dass auf Abtreibung die Todesstrafe steht.“

      Die beiden starrten sich lange Zeit nur an. Gedanken rasten durch seinen Kopf. Sie war ein törichtes Mädchen, aber er mochte sie dennoch. Das letzte, was er wollte, war Unglück über sie zu bringen, und vielleicht, vielleicht war es ja sein Kind. Er wollte nicht in einer Ehe wie der seiner Eltern enden. Aber Steffi war nicht seine Mutter – sie war liebenswert und freundlich, freundlicher, als gut für sie war.

      Albert seufzte tief auf. „Also, wie stellst du dir die Hochzeit vor?“

      Steffi blickte ihn hoffnungsvoll an, die Augen rot vom Weinen. „Ich weiß nicht, Albert. Ich weiß nur, dass ich lieber tot wäre, als einen Bastard auf die Welt zu bringen.“

      Sie sah erbärmlich aus und das war der Moment, in dem Albert sie in seine Arme zog, sie festhielt und murmelte: „Es ist gut, Steffi, es ist gut – ich werde dich heiraten und wir werden das Beste daraus machen.“

      Sie brach in unkontrollierbares Schluchzen aus, vor Erleichterung. „Ich werde Dir eine gute Frau sein, Albert“, schniefte sie tränenüberströmt. „Wir können bei meinen Eltern leben. Ich werde nichts weiter von Dir verlangen, ich verspreche es!“

      Er musste darüber lächeln. Sie ist noch so ein Kind, dachte er sich.

      „Steffi, wir werden heiraten, aber ich werde meine Karriere als Pilot weiterverfolgen. Ich werde immer wieder monatelang nicht da sein; bist du sicher, dass du damit klarkommst?“

      „Ja“, antwortete Steffi und Tränen rannen ihr das Gesicht herab. „Du bist ein viel größerer Ehrenmann als Heinz. Du und ich, wir werden zusammen ein gutes Leben führen“, schluchzte sie.

      „Heinz?“, brüllte Albert. „Was hat er damit zu tun? Bist du dir sicher, dass nicht er der Vater ist?“

      Jetzt wurde sie hysterisch. „Nein, nein, das Baby ist von Dir!“, schrie sie. „Bitte glaube mir!“

      Oh Gott, was für ein Chaos, dachte Albert. Ich habe keinerlei Wahl – vielleicht ist es trotz allem von mir. Er seufzte und legte seine Arme um sie. „So, jetzt hör mit dem Geflenne auf – leg ein Hochzeitsdatum fest und ich werde da sein. Und jetzt lass mich deine Eltern kennenlernen, sie sollten ja zumindest wissen, wen ihre Tochter heiratet“, schlug Albert vor. „Dein Vater muss mir die Erlaubnis und seinen Segen geben.“

      Da er gedacht hatte, dass es lediglich ein Höflichkeitsbesuch sein würde, war er angenehm überrascht über den warmen Empfang seitens ihrer Eltern. Sie waren offene und freundliche Leute, glücklich miteinander und ihren Kindern und gute Eltern. Sie waren aufgeregt darüber, so kurz hintereinander zweimal Großeltern zu werden – ihr Sohn Lothar hatte vor kurzem geheiratet und das junge Paar erwartete ihr erstes Kind.

      Albert und Steffi heirateten im Februar 1930 im Erfurter Dom, einer 1200 Jahre alten Kirche. Das war ein Zugeständnis an ihre Eltern. Er selbst war Protestant, weigerte sich aber zu konvertieren; dennoch versprach er, dass ihre Kinder als Katholiken erzogen würden. Die Hochzeit fand einen Monat nach der Geburt von Gisela statt. Mein Schwiegervater muss sehr großzügig mit der Spende gewesen sein, dachte er etwas zynisch. Ein paar Monate später wurde das Baby getauft.

      Albert hatte große Schwierigkeiten damit, zu seiner Tochter eine Beziehung aufzubauen, und er sah sie oft gedankenverloren an, fragte er sich immer wieder, ob sie wirklich seine Tochter war. Sie war ein dickköpfiges kleines Mädchen, anfällig für Wutausbrüche und in ständiger Suche nach Aufmerksamkeit. Mit ihrem mürrischen kleinen Gesicht, ihren dunklen Locken und ihrem quirligen Temperament wurde sie bald zum Liebling ihrer Großeltern.

      Albert

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