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      IRON ANNIE

      Lisa M.Hutchison

      Übersetzt von Maya Grünschloß

      Überarbeitet von Lisa M. Hutchison

       Gewidmet all den zahllosen Flüchtenden und Vertriebenen über Generationen hinweg, deren unnötige Leiden und Kummer unermesslich waren und immer noch sind.

       © 2020 + Lisa M. Hutchison

       Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

       ISBN:

      978-3-347-10063-3 (Paperback)

      978-3-347-10064-0 (Hardcover)

      978-3-347-10065-7 (e-Book)

       Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Original Ausgabe aus dem Englischen „Iron Annie and a long journey” Tredition 2018"

      EHRE DEINEN VATER UND DEINE MUT-TER"

      Dann werdet ihr ein langes und erfülltes Leben in dem Land leben, das der HERR, euer Gott, euch gibt.

      Ich habe immer geglaubt, dass das vierte Gebot der Eckpfeiler aller Gebote ist, ja das Leitlicht meines ganzen Lebens.

      Ob ich ein langes Leben führen werde, weiß ich nicht, aber es ist mit Sicherheit ein reiches Leben, erfüllt von Segnungen und Fülle.

      Meine Eltern waren die wichtigsten Menschen in meinem Leben und ohne ihre Liebe, Führung, Respekt und totale Akzeptanz von mir und meinen Entscheidungen hätte ich nie "ICH" sein können.

      Auch wenn sie schon seit vielen Jahren verstorben sind, leben sie immer noch in mir, und ich werde sie für immer ehren und in Ehrfurcht vor all den Opfern stehen, die sie für ihre Kinder gebracht haben.

      Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an sie!

       Gewidmet all den zahllosen Flüchtenden und Vertriebenen über Generationen hinweg, deren unnötige Leiden und Kummer unermesslich waren und immer noch sind.

       Prolog

      Zsofia linste um die Ecke des Stationszimmers im Pflegeheim, „Guten Morgen meine Liebe.“

      „Wünsche ich Ihnen auch“, antwortete ich. „Es ist aber noch nicht Zeit für Ihre Augentropfen.“

      „Ich weiß“, lächelte sie, „ich wollte nur ‚Hallo‘ sagen und sehen, wie es Ihnen geht.“

      „Danke, alles gut bei mir. Wie geht es Klara heute?“

      „Sie ruht sich aus – sie ist noch etwas schwach seit der Operation, aber es geht ihr gut genug, dass sie nachher zum Mittagessen herunterkommt.“ Sie winkte kurz und verschwand wieder.

      Ich arbeitete bereits einiger Zeit in der Pflegeabteilung einer jüdischen Seniorenresidenz in Toronto, und die beiden Nemeth-Schwestern gehörten zu meinen Lieblingsbewohnern. Sie hatten mich direkt ins Herz geschlossen, vielleicht wegen meines ungarischen Nachnamens, und wir plauderten bei vielen Gelegenheiten miteinander. Beide waren Damen der alten Zeit, stets selbstsicher, gut gekleidet und gepflegt. Sie waren gebildet und standen noch mitten im Leben. Keine der beiden hatte je geheiratet und sie waren unzertrennlich. Jede hatte ihr eigenes Apartment in der Residenz, aber sie verbrachten dennoch die meiste Zeit gemeinsam. Klara hatte kürzlich eine neue Hüfte erhalten, die Operation aber gut überstanden. Ich wandte mich wieder meiner Arbeit zu, beschäftigt damit, die Medikamente auszuteilen, Termine zu organisieren und verärgerte Bewohner zu beruhigen, und so ging der Morgen rasch vorbei.

      Als ich in einem der Aufenthaltsräume saß, um mein belegtes Brot zu essen, näherte sich Benny mit einem Stirnrunzeln. Er schien immer schlechte Laune zu haben und heute war keine Ausnahme. „Haben Sie gestern ferngesehen?“, fragte er ärgerlich. „Sie müssten doch wissen, was Ihre Leute uns angetan haben!“

      Er bezog sich auf meine deutschen Wurzeln. Ich seufzte; Benny war ein Unruhestifter. „Benny, ich war damals noch nicht einmal geboren und Sie sollten nicht unschuldige Leute für vergangene Sünden verantwortlich machen.“

      „Ich habe meine gesamte Familie da drüben verloren!“, brodelte es aus ihm hervor und sorgte bei mir für Verwirrung.

      „Benny, Sie wurden hier geboren und Ihre Familie besucht Sie regelmäßig, warum also sagen Sie so etwas?“

      „Ach so, ich glaube, das habe ich vergessen“, war seine kleinlaute Antwort. „Aber es hätte ja so sein können“, fügte er selbstgerecht hinzu.

      „Nun, Benny, wenn Sie das irgendwie beruhigt, ich habe den Großteil meiner Familie in diesem entsetzlichen Krieg verloren und ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie keine Unwahrheiten mehr über Ihre Familie verbreiten würden.“ Ich war wütend auf ihn; er schien es zu genießen, mich regelmäßig zu piesacken.

      „Alles klar, Zeit fürs Mittagsessen“, sagte er und schlurfte von dannen.

      Zsofia, die Klara zum Esszimmer half, hatte Bennys Bemerkungen aufgeschnappt. „Ich muss mit Benny mal ein ernstes Wörtchen sprechen und ihm meine Geschichte erzählen“, sagte sie zu mir. „Es ist eine wahre Geschichte und keine ausgedachte.“

      „Warum eigentlich kommen Sie nicht einmal für einen Tee an Ihrem freien Tag vorbei,“ fügte sie hinzu, „Klara und ich erzählen Ihnen unsere Geschichte. Ich sollte Benny ebenfalls einladen, vielleicht kann er dann noch die eine oder andere Sache lernen.“

      „Abgemacht.“ Lächelnd verabredeten wir uns für den folgenden Dienstagnachmittag zum Teekränzchen.

      Die nächsten Tage verliefen ereignislos und am Dienstagnachmittag erreichte ich Zsofias Apartment mit einem Strauß Blumen und mit Vorfreude darauf, etwas Zeit mit den entzückenden Schwestern zu verbringen. Klara saß gemütlich zurückgelehnt auf einem Liegesitz mit einem Kissen im Rücken und ich konnte meinen Augen nicht trauen – da saß Benny, auf dem Sofa, und nippte an seinem Tee.

      Zsofia goss mir Tee aus einem silbernen Samowar ein und reichte ein paar selbstgemachte Kekse herum.

      „Nun, Benny“, sage sie, „du magst denken, was du willst, aber bitte unterbrich uns nicht, während wir Dir unsere schier unglaubliche Geschichte erzählen.“

      Wir machten es uns gemütlich und warteten auf den Bericht der Schwestern über ihren Lebensweg.

      „Wir wurden in Budapest geboren“, begann Zsofia. „Unser Vater war ein Anwalt und wir hatten ein angenehmes Leben; unsere Mutter erledigte die Hausarbeit – sie hatte mit fünf Kindern genug zu tun –, wir gingen in die Schule, an hohen Feiertagen in die Synagoge, hatten viele Freunde–“

      „Die meisten waren keine Juden“, unterbrach sie Klara.

      „Das stimmt, meine beste Freundin Anna war Römisch-Katholisch“, lächelte Zsofia. „Alles in allem ein recht normales Leben einer durchschnittlichen Familie. Dennoch herrschten in ganz Europa nach dem Ersten Weltkrieg große politische Unruhen und die Kommunisten, Faschisten und Nationalsozialisten stiegen besorgniserregend schnell auf. In Deutschland kam Hitler an die Macht, in Italien Mussolini und in Russland Stalin. Die Welt wurde zu einem dunklen und furchterregenden Ort.“

      Zsofia hielt inne, um unsere Teetassen aufzufüllen und Klaras Kissen aufzuschütteln. Benny knabberte an seinem Keks und sagte kein Wort.

      „Klara, kannst du ein bisschen weitererzählen, während ich zu Atem komme?“, fragte Zsofia ihre jüngere Schwester.

      „Ja, natürlich, drágám, ich versuche mal, mich so gut es geht, an alles zu erinnern.“ Und so erzählte sie weiter: „Eines Tages kam unser Vater nach Hause und

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