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Bin ich jetzt erleuchtet? Oder was?. Karsten Kronshage
Читать онлайн.Название Bin ich jetzt erleuchtet? Oder was?
Год выпуска 0
isbn 9783347129757
Автор произведения Karsten Kronshage
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
Bei mir bedurfte aber noch eines wahrhaft erschütternden Erlebnisses, damit ich mich vollends von diesem Verein verabschiedete.
Aus der „Zentrale“ (aus der Schweiz oder aus Holland) war eine hervorragende Persönlichkeit der Organisation angereist, um uns darüber aufzuklären, was wirklich Sache war. In der Presse war die Organisation damals uneinsichtig und mit „üblen Nachreden“ attackiert worden!"
Der Schlüsselsatz der „Persönlichkeit“ bei unserem Treffen lautete dann (und ich habe ihn noch heute fast wörtlich im Ohr): „Wenn die deutsche Presse so weitermacht, zieht der Meister mal alle meditierenden Manager aus Deutschland ab, und dann wird die deutsche Wirtschaft schon sehen, wo sie bleibt".
Dummheit trifft Überheblichkeit. Vor dieser Einfalt kapitulierte ich dann und ging. So hatte ich mir das nämlich nicht vorgestellt: Tausche Intelligenz und eigenes Denken gegen Erleuchtung. Der Preis war mir dann doch zu hoch.
Das Mantra-Desaster
Was war nun aber mit der eigentlichen Meditation? Meine beiden Kinder (damals etwa 10 und 11 Jahre alt) hatten zuerst den Durchblick. Sie waren ganz neugierig und ohne großes Gezeter, wie sie es bei anstehenden Spaziergängen anstimmten, mitgelatscht. Wahrscheinlich in der Hoffnung, irgendetwas Spannendes würde passieren. Zweimal am Tag für 15 Minuten das gleiche Wort denken oder innerlich murmeln, passte eindeutig nicht in diese Kategorie. Meine Ermahnungen verfolgten sie brav, nickten verständnisvoll mit ihren Köpfchen und gingen spielen oder „Die kleine Hexe“ hören.
Für mich selbst kam es dann richtig dicke. Es ist ja nicht so, dass dieses innerliche Murmeln eines Mantras keine Wirkung hat, nur weil es gegen Bares von Meditationskrämern gelehrt wird.
Ich wurde mit der Zeit immer dünnhäutiger und gereizter. Das Positive daran war, dass ich nach über 20 Jahren der Abstinenz wieder lernte, zu weinen. Das ging allerdings einher mit Wutausbrüchen und Hilflosigkeit in familiären Stresssituationen. Da „rutschte“ mir bei meinen Kleinen schon gelegentlich die Hand aus. Die volle Regression in kindliche Verhaltensweisen, würde ein Psy- chodoktor vielleicht sagen.
Wenn ich dann, unglücklich über mich selbst, die Sache mit meinem „Meditationslehrer“ besprechen wollte, schwätzte er tiefsinnig etwas von „unterschiedlichen Energieebenen“. Er hatte ja so viel Schwachsinn für gutes Geld vermittelt bekommen.
Außerdem verfiel ich immer mehr in depressive Momente. Ich saß stundenlang zu Hause herum und war nicht ansprechbar. Auf meinen Autofahrten zum Geschäft suchte ich mir gelegentlich schon mal einen Brückenpfeiler aus, gegen den ich hätte fahren können, und überlegte mit welcher Geschwindigkeit es am besten klappen würde, einen Abflug aus dieser Welt hinzubekommen. Ich war entsetzt. Mein ganzes bisheriges Leben war komplett frei von depressiven oder destruktiven Anwandelungen – und jetzt das. Meine aktuelle Umgebung war jedenfalls frei von Anlässen zur Trübseligkeit. Ich hatte eine wundervolle Frau, lebendige und fröhliche Kinder und erntete in meinem Beruf Lob und Anerkennung. Und mein Lieblings-Fußballverein spielte auch eine ganz ordentliche Saison.
Irgendwann, in einem lichten Moment, erkannte ich, dass es so nicht mehr weiterging. Ich stellte den Mantra-Selbstmord auf Raten ein und suchte mir eine ältere und erfahrene Ärztin, bei der ich dann eine Gesprächstherapie begann und autogenes Training erlernte. Ganz wollte ich ja nun auf den „Erleuchtungsweg“ auch nicht verzichten. Es ging mir zusehends besser, und so blieb ich einige Jahre dabei täglich autogenes Training zu praktizieren.
Was habe ich nun aus dieser Lebensepisode gelernt? Dass alles, was bei richtiger Dosierung und einer kompetenten Begleitung hilft, beim Fehlen der erforderlichen Kompetenz des Lehrenden massive Schäden verursachen kann. Intensive Mantrameditation beeinflusst die Psyche – ob in die gewünschte Richtung, ist jedoch ungewiss und hängt sehr von der Disposition der jeweiligen Person ab.
Das gilt besonders für mentale Praktiken wie diese Art der Meditation. Sie kann in einen mehr oder weniger tiefen Trancezustand führen. In einem solchen Zustand aber laufen in der Psyche nicht steuerbare und nicht vorhersehbare Prozesse ab. Vielleicht war mein Erleben ein besonders radikaler Verlauf. Dass eine solche Wendung aber überhaupt möglich ist, lässt mich zu dem Schluss kommen von diesen Praktiken abzuraten.
Ich will damit die Meditation mit einem Mantra nicht in Bausch und Bogen verdammen, schließlich hat sie eine mehr als 2000 Jahre alte Tradition. Ein Lehrer sollte jedoch in dieser Tradition aufgewachsen und mit all ihren Risiken und möglichen Verläufen vertraut sein. Diese Voraussetzungen sind bei all diesen Sektengurus, die ich damals kennenlernen durfte, nicht gegeben. In der Regel steht hinter deren Wirken ein finanzielles Interesse oder noch schlimmer - ein totalitäres Weltbild. So nach dem Motto: „Wenn alle so werden, denken und handeln wie wir, wird alles gut.“ Dass es in der Meditation auch anders geht, habe ich zum Glück später heilsam erfahren.
Zwischenstation Entspannung
Nun war das mit dem „autogenen Training“ ja ganz nett. Jeden Tag übte ich ein- bis zweimal die sogenannte Unterstufe. Wie das genau geht, lässt sich leicht über Google, Wikipedia oder natürlich über ein ordentliches Buch herausfinden. Man könnte auch einen Arzt seines Vertrauens fragen: „Was könnten Sie mir außer Betablockern oder Psychopharmaka noch gegen Stress verschreiben?“ Außerdem gibt es inzwischen jede Menge Volkshochschulkurse, in denen autogenes Training gelehrt wird, und auch die Krankenkassen bieten Kurse an. Es sei also nur so viel gesagt: Beim autogenen Training werden nacheinander verschiedene Körperempfindungen und -vorgänge wie Schwere, Wärme, Atmung usw. bewusst gemacht und autosuggestiv verstärkt. Das funktionierte bei mir ganz gut und brachte Körper und Geist für ca. 20 Minuten in einen wohltuend entspannten Zustand.
Dann gibt es für das „autogene Training“ noch eine Oberstufe. Wenn die Basics richtig gut klappen. Da erzählt der Trainer Geschichten, wie wir durch einen Wald oder über eine Wiese gehen, die Wärme oder den Wind spüren, und plötzlich läuft da ein Rehlein oder ein Hase oder ein Goldhamster durchs Gras. War für mich der reine Frust. Die Entspannung klappte, wie immer, hervorragend. Aber ich sah weder einen Wald noch irgendwelche Tiere laufen oder hoppeln. Mit anderen Worten: Das mit den „inneren Bildern“ klappte bei mir überhaupt nicht. Somit war mir bei dieser Methode der Fortschritt verwehrt.
Was also tun? Es musste mit der Erleuchtung ja irgendwie weitergehen. Schließlich stieß ich bei meinen Recherchen auf ein buddhistisches Meditationszentrum in der Nähe von Hamburg. Es gehörte – oh Wunder – zu keiner Sekte, sondern bot eine bunte Palette von Meditationskursen an. Lehrer aus den unterschiedlichen buddhistischen Traditionen vermittelten dort ihre Praktiken. Außerdem gab es sogar nicht-buddhistische Entspannungsseminare. Teuer war es außerdem nicht, und das Ganze hörte sich sehr vertrauenerweckend an.
Aus dem Katalog suchte ich mir ein Seminar über „Vipassana-Meditation“ heraus, was sich wohl am ehesten mit „Achtsamkeitsmeditation“ übersetzen lässt. Der Seminarleiter war ein Deutscher, der sein halbes Leben als buddhistischer Mönch in Asien verbracht hatte. Ich war mir sicher: Der Mann hatte den richtigen Durchblick und wusste, wo es lang ging.
So kam ich also das erste Mal in das „Haus der Stille“ in Roseburg bei Hamburg. Ein herrlicher kleiner Park mit Seen, riesigen Bäumen, stillen Wegen und Wiesen erwartete mich. Eine große Villa diente als Haupthaus, die Meditationshalle bot Platz für ca. 40 Personen, und ein kleines Gästehaus war auch vorhanden. Meine Schwiegermutter hätte gelobt: „Sehr ordentlich, und sauber ist es hier auch.“ Die Zimmer waren einfach, Duschen und Sanitärräume ausreichend vorhanden und die „Herbergseltern“ zeigten sich locker und freundlich.
Jetzt ging es also los mit der ersten richtigen Meditation. Schon die Halle empfand ich als sehr beeindruckend. Ein hoher, großer Raum mit Holzdielen und einer Nische mit einem Altar nebst Buddhafigur, Kerzen und Räucherstäbchen. Der Mönch in seiner Robe saß etwas erhöht und konnte seine Rezitationen fließend im Pali-Singsang vortragen. Niemand verstand ein Wort, aber Sprachrhythmus und Klang waren wirklich