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Peters Reisebericht Nr. 9. Peter Alles
Читать онлайн.Название Peters Reisebericht Nr. 9
Год выпуска 0
isbn 9783347016187
Автор произведения Peter Alles
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Readbox publishing GmbH
Damit verzögerte sich die Anreise zum Hotel für diejenigen unserer Gruppe weiter, die ebenfalls in der Nacht gelandet waren, worüber glücklicherweise keine Feindschaften ausbrachen, bevor wir uns überhaupt richtig kennen lernen konnten. Erst danach, nach dem Kennenlernen, gab es seriöse Gründe für Animositäten, da einige Charaktere von der kaum erträglichen Sorte waren.
21. September 2019, erster Tag in Jerewan
Nach dem Spätstück starteten wir zu einem ersten kleinen Spaziergang zum Platz der Republik und zu einer Geldwechselstube im Vorraum eines Supermarktes. Der heutige Unabhängigkeitstag war zwar ein Nationalfeiertag, aber wie immer, d.h. auch an Sonntagen, waren in Jerewan fast alle Geschäfte geöffnet. Am 21. September erinnert man sich an den „Austritt“ aus der Sowjetunion 1991, dem Beginn der zweiten unabhängigen Republik Armenien. Die erste Republik war als Folge des Ersten Weltkrieges am 28. Mai 1918 ausgerufen worden und bestand bis zum 2. Dezember 1920, als armenische Bolschewiki in einem unblutigen Putsch an die Macht gekommen waren und die Armenische Sozialistische Sowjetrepublik (SSR) ausriefen.
Samuel, unser deutschsprachiger armenischer Reiseleiter, machte uns auf dem zentral gelegenen und vor allem in den Abendstunden als Treffpunkt sehr beliebten Platz der Republik mit dessen Entstehungsgeschichte und der Bedeutung der umliegenden Prachtbauten vertraut. Der 14.000 m2 große Platz war 1926 von dem bedeutenden Architekten Alexander Tamanjan geplant worden. Der in Jekaterinodar, dem heutigen Krasnodar, geborene Bankierssohn erhielt seine Ausbildung an der Russischen Kunstakademie in Sankt Petersburg und kam 1923 nach Jerewan, wo er die Neuanlage und den Ausbau der Stadt hauptverantwortlich leitete.
Noch zu Beginn des 19. Jh. hatten niedrige Häuser mit schönen Torbögen und Holzbalkonen, orientalische Flachdachbauten und herrschaftliche Gebäude das Stadtbild der Kleinstadt dominiert. Nachdem Jerewan 1827 zum Kaiserreich Russland gekommen und Sitz der Oblast („Verwaltungsbezirk“) Armenien geworden war, setzte ein starkes Wirtschaftswachstum ein, begleitet von einer Zunahme der politischen Bedeutung der Bezirkshauptstadt. Damit ging einher, dass viele alte Häuser durch neue europäischen Stils ersetzt wurden, was das Stadtbild noch chaotischer ausfallen ließ. Trotzdem hatte Jerewan 1890 erst 12.500 Einwohner.
Ein weiterer Entwicklungsschub setzte ein, als Jerewan 1920 zur Hauptstadt der Armenischen SSR wurde. Schließlich wurde unter Leitung Tamanjans das Stadtbild radikal verändert. Er stellte einen Generalplan für die Stadtentwicklung auf, ließ viele historische Gebäude wie Kirchen, Moscheen, die persische Festung, Bäder, Bazare und Karawansereien abreisen und breite, lange Boulevards anlegen. Er gestaltete nicht nur den Platz der Republik mit dem Historischen Museum, dem Postamt und den Regierungsgebäuden, sondern auch das Jerewaner Opernhaus. Außerdem war er verantwortlich für die Entwicklung der Städte Gjumri und Etschmiadsin.
Abb. 1: Historisches Museum am Platz der Republik
Abb. 2: Die Jerewaner Oper
Um 1970 wurde, allerdings mit Eingemeindungen, die Millionengrenze der Einwohnerzahl überschritten. Dies war zu Zeiten der Sowjetunion die Rechtfertigung für den Bau einer Metro, kleinere Städte durften keine U-Bahn bauen. Die Jerewaner Metro wurde 1981 eröffnet, besteht heute aus einer 12 km langen Linie mit 10 Stationen und soll zukünftig verlängert und um zwei Linien erweitert werden. Seit dem Ende der Sowjetunion befindet sie sich jedoch wirtschaftlich in der Krise, einerseits durch die Konkurrenz des neu entstandenen verzweigten Liniennetzes privater Kleinbusunternehmen („Marschrutkas“), andererseits durch die allgemein zurückgegangene Mobilität aufgrund Arbeitslosigkeit und Verarmung.
Der Austritt aus der Sowjetunion 1991, knapp drei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben im Norden Armeniens, hatte zu einem gewaltigen Einbruch der armenischen Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langsam erholte. Der wichtigste Absatzmarkt der starken Industrie (Chemie, Elektronik, Maschinenbau etc.) war weggebrochen, die Umstellung von der Zentralverwaltungswirtschaft auf eine liberale Marktwirtschaft brachte bis dahin unbekannte Probleme und der Konflikt um Bergkarabach mit Aserbaidschan führte zur zusätzlichen Schwächung des Landes. Erst 1997 begann die Wirtschaft wieder zu wachsen mit teils zweistelligen Raten zu Beginn des neuen Jahrtausends.
***
Nach dieser ersten Besichtigungstour schwangen wir uns in den bereitstehenden Bus und Sergej, unser Fahrer während der gesamten Rundreise, brachte uns zur Mittagszeit zu einem „Duduk-Meister“ im Süden der Hauptstadt. Seine Werkstatt mit einem wunderschönen Garten lag etwas versteckt hinter anderen Häusern abseits einer vielbefahrenen Ausfallstraße, so dass man sich in einem kleinen Paradies wähnte.
Die Duduk, manchmal auch der oder das Duduk, ist Armeniens Nationalinstrument. Sie zu blasen kostet Kraft, wobei ihre Ausdrucksmöglichkeit von weichen samtigen oder klagenden Klängen bis zu durchdringenden Signaltönen reicht. Sie spielt eine zentrale Rolle in der armenischen Volksmusik und Kammermusik. Sie ist unter verschiedenen Namen in der ganzen Region verbreitet: z.B. duduki in Georgien, mey in der Türkei sowie balaban in Aserbaidschan und im Iran.
Die armenische Duduk wird aus Aprikosenholz gefertigt. Das Holz dieses „heiligen Baumes“ wird nur hierfür verwendet, niemals als Brenn- oder Bauholz. Das Instrument ist ohne Rohrblatt je nach Grundton etwa 25 bis 40 Zentimeter lang. Das Auffälligste ist das extrem große Doppelrohrblatt, das bis zu zehn Zentimeter lang und drei Zentimeter breit ist. Es wird aus einem Schilfrohrabschnitt, bevorzugt vom Ufer des Aras, gefertigt. Das Instrument besitzt sieben oder acht vorderständige Grifflöcher und ein rückwärtiges Daumenloch.
Meister Karen Hakobyan – von seiner Art gibt es nur noch ganz wenige in Armenien – erklärte uns, wie er das Instrument herstellt. Aus den Stämmen eines 30 bis 40 Jahre alten Aprikosenholzbaumes werden Stangen herausgeschnitten, die vier Stunden lang in Wasser gekocht werden, damit sich Öle und andere Stoffe aus dem schweren, harten Holz herauslösen. Nach einem achtjährigen (!) Trocknungsprozess kann dann erst das eigentliche Musikinstrument hergestellt werden, indem mit einem glühenden Metall die Röhre ausgehöhlt und die Blaslöcher ausgestochen (nicht gebohrt) werden. Zum Abschluss wird das Instrument aus optischen Gründen und zur besseren Haltbarkeit geölt.
Nach der Theorie kam die Praxis mit der Präsentation verschiedener Tonart-Instrumente der Duduk, die seit 2005 zum Immateriellen Erbe des UNESCO gehört. Damals wurde sie an 165 Musikschulen unterrichtet, mit abnehmender Tendenz. Hakobyan führte noch weitere Holzblasinstrumente vor: die armenische Flöte Blul, die Trichteroboe Zurna, die Hornpfeife Pku und „normale“ Flöten, die er alle perfekt spielen konnte.
Die Blul, das traditionelle Melodieinstrument der Hirten, gilt ebenso wie die Duduk als edles Instrument der Kammermusik. Sie besitzt kein Mundstück, sondern wird schräg nach unten gehalten und mit halbseitig geschlossenem Mund über eine scharfe Kante angeblasen. Die zylindrische, an beiden Enden offene Spielröhre wird bevorzugt aus Aprikosenholz gedrechselt.
Demgegenüber besitzt die Zurna, die wie die Duduk zur Gruppe der Doppelrohrblattinstrumente gehört, einen niedrigen sozialen Status, da sie bevorzugt in der lauten Unterhaltungsmusik im Freien eingesetzt wird. Sie wird aus einem einzigen, kegelförmigen Stück Aprikosenholz gedrechselt, wobei ihr auffälliger, weiter, konischer Schallbecher wesentlich für die spezielle Klangformung ist.
Auch die Pku, die je nach Grundton und Stimmlage sehr stark in der Länge variiert, verfügt über einen Schallbecher. Er wird aus Kuhhorn gefertigt, weswegen die Pku zu den Hornpfeifen gezählt wird. Obwohl bereits im 5 Jh. bekannt, ist ihre Bedeutung stark gesunken, sie ist im Vergleich zu den anderen armenischen Holzblasinstrumenten fast in Vergessenheit geraten.
Der Meister brachte uns mehrere Musikstücke auf den verschiedenen Instrumenten zu Gehör. Neben Weisen der armenischen Volksmusik spielte er auch das berühmte Kranich-Lied von