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kann mich noch erinnern, wie ich die Atmosphäre und jedes Detail in mich aufgenommen habe, um später ja nichts zu vergessen und diese ersten Eindrücke in meiner Erinnerung zu konservieren: Wie ich mit ihm gemeinsam durch das kalte Gewölbe im Erdgeschoss ging, die imposante steinerne Stiege hinauf in den ersten Stock des barocken Klausurganges. Ein roter Sisalläufer auf weißem Marmorboden weist hier den Weg zu den Zellen der älteren Mönche. Lauter kleine gedrungene Türen mit schmiedeeisernem Schloss und Klinke, umrandet von marmornen Verzierungen in zartem Pastellrosa und frischem Weiß, aneinandergereiht in diesem weitläufigen Klostergang. Zu Ulrichs Zimmer führt der Weg eine modernere Treppe hinauf in den zweiten Stock. Hier liegt ein schlichter brauner Läufer auf dem knarrenden Holzboden. Nur die Namensschilder sind genauso hübsch anzusehen wie unten.

      So eine Mönchszelle beherbergt ja auch nur das Nötigste: Bett und Schrank, auch ein Schreibtisch und ein Besucherstuhl finden gerade einmal Platz. Heimelig ist es trotzdem. Was vielleicht auch mit Ulrichs mitfühlender Art zu tun hat; sie bestimmt die Atmosphäre.

      »Hat es dir denn gefallen bei uns, Armin?«

      »So gut wie jetzt ging es mir schon lange nicht mehr: Ich spüre Verbindung mit mir und bin mit dem lieben Gott im Reinen. Ich freue mich, euch alle kennengelernt und Kontakte geknüpft zu haben. Selten habe ich mich irgendwo so zu Hause gefühlt wie hier, als sei dies der Ort, an den ich gehörte. Anders als in meiner Familie.«

      »Die klösterliche Lebensgemeinschaft ist eben eine komplett andere Lebensform als die einer Familie«, gab Ulrich zu bedenken.

      »Vor allem ist es eine Art, gemeinsam zu leben, die zu mir passen könnte.«

      Und ich vertraute ihm einen Gedanken an, der mir selbst noch ganz neu war: »Ehrlich gesagt konnte ich mir bisher nie vorstellen, eine eigene Familie zu gründen, mit Frau, Kindern, allem Drum und Dran. Ich glaube nicht, dass ich so leben will.«

      Die Ruhe des klösterlichen Schweigens hatte mich auf ganz neue Einsichten gebracht und mir ungeahnte Perspektiven eröffnet.

      »Das ist gut möglich. Vielleicht bist du der geborene Mönch«, meinte er ernst.

      »Weißt du was?« Ich nahm nach einer Weile den Gesprächsfaden wieder auf.

      »Sag’s mir«, sagte er mit einem kleinen Lächeln.

      »Ich komme mir nicht mehr so komisch vor wie früher, sondern als wäre nun alles am rechten Platz.«

      »Ich würde mir für dich wünschen, dass es auch zu Hause dabei bleibt.«

      Ulrichs Lächeln ist herzerwärmend.

      Ein buchstäblich frommer Wunsch. Denn ich weiß, dass es anders kommen wird. Ich weiß um den langen Schatten, der über meinem Leben hängt und mühelos die vielen Kilometer überwinden kann, die zwischen meiner Heimatstadt und der Aussicht auf ein neues Leben liegen. Ulrich hat davon absichtlich nichts erfahren. Weil ich nicht zugeben mochte, wie es wirklich um mich bestellt ist. Aus diesem Grund ist natürlich auch der Name ›Arnulf‹ nie gefallen, obwohl meine Gedanken regelmäßig um ihn kreisen.

      Arnulf ist genauso schlecht in der Schule wie ich, in der gleichen Jugendgruppe der Katholischen Studierenden Jugend wie ich, gläubig und empfindsam wie ich. Auf vielerlei Weisen fühle ich mich zu ihm hingezogen und von ihm angezogen. Ich genieße es, ihm nahe zu sein, ihn zu umarmen, mit ihm zu beten. Mit ihm erlebe ich erste Vertrautheit. Und natürlich wünsche ich mir, er empfände wie ich – in jeder Hinsicht.

      Wie meine Neigung zu Jungen mit meinem tiefen Glauben zu vereinbaren ist, kann ich mir selbst nicht beantworten. Ist das der Grund, warum ich in meinen Albträumen genau diese Angst formuliere? »Entweder ich werde ein Heiliger oder ich lande in der Gosse, obdachlos unter einer Brücke.« Das scheint alternativlos und ich erwache stets in Schweiß gebadet.

      Wie soll ich meinen Wunsch nach der Nähe Gottes mit meinen lebhaften Fantasien vereinbaren können, ohne ausgegrenzt zu werden? Sexualität ist für mich schlecht. Und Homosexualität doppelt schlecht. Mich zu anderen Jungen hingezogen zu fühlen, ein Homosexueller zu sein, unvorstellbar in dieser Welt, wie ich sie kenne. Folgte ich meiner Lust, würde nie etwas aus mir werden – dessen bin ich mir sicher. Einen Moment frage ich mich, wie viele Ausrufezeichen ich in meinem Tagebuch schon neben dem Datum vermerkt hatte. Ein jedes markiert einen Tag, an dem ich wieder die Kontrolle verloren, ejakuliert hatte und mich schämte.

      Unwiderruflich hat sich mir die angewiderte Miene meines Vaters eingeprägt, als er einmal über einen Mann ›vom anderen Ufer‹ sprach, der einsam am Dorfrand gelebt hatte – »und plötzlich war der unter Hitler weg«, erinnerte er sich. Allein den Gedanken an Homosexualität findet mein Vater ekelhaft. Und gerade von ihm soll ich Verständnis erwarten?

      Kein Wunder, dass ich schon als Kind vor dieser Engstirnigkeit die Flucht ergriff und versuchte, so viel Zeit wie möglich außer Haus zu verbringen. Als wäre ich ein ›Dorfbesen‹, krittelte mein Vater missbilligend, wenn ich mit meinem Drang nach Freiheit voller Neugier wieder im Dorf unterwegs gewesen war. Licht, Sonne, Wasser, frische Luft waren schon damals meine Elemente und ließen mich aufblühen, mich meine unbändige Lebensfreude fühlen.

      Aber das Leben bleibt nicht so simpel. Ich werde nicht immer weglaufen können. Spätestens nach dem Abitur wird der Ernst des Lebens auf meine Grundangst treffen: Wie kann ich ein Leben führen, das sich echt anfühlt? Wie lässt sich Homosexualität mit meinem Wunsch nach einem Leben im Einklang mit Gott verbinden?

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