Скачать книгу

um ihr Hotelzimmer zu verlängern. Die Dame hinter dem Tresen klickte sich durch den Computer.

      »Eine Nacht ist kein Problem, aber dann kommt das Wochenende, da sind wir komplett ausgebucht.«

      Damit hatte Eva nicht gerechnet. Nun würde sie sich, wenn sie bei dem Theaterprojekt mitmachen wollte, ein neues Zimmer suchen müssen.

      »Können Sie mir ein ähnliches Hotel in der Nähe empfehlen?«

      »Am besten fragen Sie bei der Touristeninformation am Hauptbahnhof. Aber machen Sie sich besser nicht zu viele Hoffnungen. Sie hatten schon Glück, dass bei uns noch ein Zimmer frei war. In Zürich empfiehlt es sich immer, sehr frühzeitig zu reservieren. Wenn dann noch, wie jetzt am Wochenende, Messe ist …«

      Eine Nacht. Eva setzte sich auf einen der Sessel im Empfangsbereich. Gestern war ihr unversehens ein Geschenk in den Schoß gefallen. Heute sah es so aus, als würde der Postbote es wieder abholen, weil es nur versehentlich an ihre Adresse geliefert worden war. Sie schaute nach draußen. Die Straße war trocken, aber immer noch zogen dicke Wolken über den Himmel. Nach Hause fahren. Was sonst sollte sie tun? Sie würde sich leise hineinschleichen, hoffen, dass sie ein bisschen Zeit allein hätte, bevor der Vater heim kam. Seinen Spott ertragen. Wie immer. Einfach davonrennen, in irgendeinen x-beliebigen Zug steigen – Mensch, Eva! Sie konnte Bernds Tonfall genau hören. Ein Tag noch. Sie verlängerte das Zimmer und ging zum Frühstück.

      Die alte Dame saß am selben Platz wie gestern. Wieder fiel Eva auf, wie sorgfältig sie zurechtgemacht war. Zu einer pastellgelben Bluse trug sie ein farblich passendes Seidentuch, eine dunkelblaue Hose und Lackschuhe.

      »Guten Morgen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

      »Oh, guten Morgen! Bitte setzen Sie sich doch. Ich hatte gehofft, dass Sie kommen.«

      Auch ihr Frühstückskunstwerk sah aus wie am Tag zuvor. Eva bestrich sich ein Brötchen mit Honig.

      »Wie war Figaros Hochzeit

      »Das ist erst heute Abend.«

      Sie goss sich etwas Tee in die Tasse.

      »Waren Sie im Großmünster?«

      »Ja, und es hat tatsächlich die Sonne geschienen.«

      »Umwerfend, oder?«

      Eva nickte.

      »Ein so strahlendes Blau habe ich noch nie gesehen.«

      Die Ältere nippte an ihrem Tee, zog dann ein Ei im Eierbecher näher zu sich heran.

      »Haben Sie schon Pläne für den heutigen Tag?«

      Sie würde zum Arbat gehen und Sergej sagen, dass sie an seinem Projekt nicht teilnehmen konnte, weil sie keine Unterkunft hatte. Morgen würde sie nach Hause fahren. Aber daran mochte sie jetzt nicht denken. Sie wollte einfach noch einen Tag lang Touristin sein.

      »Nein, ich habe noch nichts Konkretes vor.«

      »Ich wollte Sie etwas fragen …«

      Der Löffel klackte auf der Eischale.

      »Hoffentlich finden Sie das nicht aufdringlich. Würden Sie mich heute Abend in die Oper begleiten? Die Bekannte, mit der ich mich verabredet hatte, ist krank geworden. Jetzt habe ich eine Karte übrig.«

      Ein Besuch in der Oper. So hätte sie einen schönen Abschluss ihres Besuchs in Zürich. Etwas, an das sie sich erinnern konnte, wenn sie wieder zu Hause war.

      »Ich komme gern mit, danke! Selbstverständlich bezahle ich die Karte.«

      »Kommt nicht in Frage, ich lade Sie ein. Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Flora della Ponte.«

      Sie reichte ihr die Hand.

      »Eva Brandes.«

      »Ich komme aus Basel, habe dort lange das Familienunternehmen geleitet. Es könnte sein, dass Sie schon mit einem unserer Produkte zu tun hatten.«

      Frau della Ponte lächelte, nahm einen Löffel von ihrem Ei. Dann tupfte sie sich vorsichtig den Mund ab.

      »Wir produzieren Ultraschallgeräte. Darf ich fragen, woher Sie kommen?«

      »Ich komme aus Stuttgart.«

      »Eine wunderbare Stadt! Wir haben dort mehrere Kunden. Auch die Frauenklinik hat Geräte von uns. Früher war ich häufiger in Stuttgart. Jetzt fahre ich einmal im Jahr hin, zum Weihnachtsmarkt. Aber einen Besuch in der Oper oder der Liederhalle plane ich immer mit ein. Sind Sie berufstätig?«

      »Ich bin Buchhändlerin. Ich weiß nicht, ob Sie die Buchhandlung Keller kennen. Es ist ein kleines Geschäft im Stuttgarter Westen.«

      Eva rührte in ihrer Ovomaltine. Dann bestrich sie ein zweites Brötchen mit Marmelade. Frau della Ponte hatte den Eierbecher zur Seite geschoben und schien zu überlegen, welche ihrer Köstlichkeiten sie als nächstes in Angriff nehmen sollte.

      »Ein Freund meines Mannes wohnte im Stuttgarter Westen. Etwas oberhalb am Hang in einem schönen Altbau. Ich erinnere mich, dass man wunderbar über den Stuttgarter Talkessel schauen konnte. Ihre Buchhandlung kenne ich aber leider nicht.«

      »Wie gesagt, wir sind nicht besonders groß. Unsere Spezialität sind Sprachen und fremde Länder. Wir haben Stammkunden unter den Dozenten an der Uni, der Hochschule der Medien und der Volkshochschule. Sie machen unser Hauptgeschäft aus. Und natürlich die Reise-Abteilung der Stadtbibliothek. Die bestellt auch meist bei uns.«

      Frau della Ponte nickte.

      »Ja, man muss heute als kleines oder mittleres Unternehmen zusehen, dass man nicht untergeht. Die Zeiten sind härter geworden. Ich bin froh, aus dem aktiven Geschäft draußen zu sein. Das macht jetzt mein Sohn. Ich nehme noch repräsentative Aufgaben wahr. Ansonsten habe ich jetzt mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens.«

      Sie lächelte. Ihr Kunstwerk hatte sie für heute verspeist, die Teller und Schüsselchen sorgfältig zusammengestellt.

      »Was meinen Sie, wollen wir uns um halb acht an der Rezeption treffen? Ich bestelle uns eine Taxe zur Oper.«

      Eva trank den letzten Schluck ihrer Ovomaltine aus. Sie wollte schon mit der Hand über die Lippen fahren, besann sich aber im letzten Augenblick, griff zur Serviette, versuchte, sich den Mund abzutupfen, ohne dass es gestelzt aussah.

      »Gerne. Ich freue mich auf heute Abend.«

      Gemeinsam gingen sie zum Aufzug. Frau della Pontes Zimmer lag im ersten Stock. Die Türen glitten zur Seite.

      »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag in Zürich heute. Bis später, Frau Brandes.«

      Als sie vor dem Aufzug stand, drehte sie sich noch einmal zu Eva um und winkte. Dann ging sie aufrecht, mit zügigen Schritten den Flur hinunter.

      In ihrem Zimmer setzte Eva sich aufs Bett. Sie würde in die Oper gehen! Was für ein schöner Zufall, dass die alte Dame sich ausgerechnet neben sie gesetzt hatte. Ihr fiel das Paillettenkleid aus dem Umstandsmodengeschäft wieder ein. Es war nicht gerade billig, aber für einen Opernbesuch wäre es perfekt. Bis zu ihrem Termin am Nachmittag mit Sergejs Frau hatte sie ohnehin nichts zu tun. Sie wollte das Kleid zumindest einmal anprobieren. Eva packte ihre Handtasche. Das Handy lag noch auf dem Nachttisch. Sie hob es auf, wiegte es in der Hand. Sie sollte zu Hause anrufen. Eigentlich hätte sie sich schon gestern melden müssen, damit der Vater sich keine Sorgen machte. Andererseits fuhr sie ja morgen schon zurück. Eva ließ das Telefon in ihre Tasche gleiten, schloss das Zimmer ab und ging nach unten.

      Das Kleid passte wie angegossen. Die Verkäuferin stand neben Eva am Spiegel und machte ihr Komplimente. Dann holte sie aus der Auslage im Schaufenster eine Haarspange mit einer großen roten Blume darauf. Sie steckte sie Eva ins Haar.

      »Wunderbar! Sie sehen aus wie eine spanische Tänzerin.«

      Eva lachte.

      »Wie eine Tänzerin fühle ich mich mit diesem Umfang nicht gerade. Aber das Kleid nehme ich.«

      Natürlich

Скачать книгу