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wie das übliche Ausstellungsstück zum Thema »Gemütliches Familienleben.«

      Keine Familie, dachte Marit und machte sich auf den Weg in die Küche. Mit einem Blick in den Kühl- und den Lebensmittelschrank versicherte sie sich, dass sie tatsächlich alles da hatte, um die ersten Tage hier unbeschadet zu überstehen. Dann drehte sie sich sofort um und lief mit großen, erwartungsvollen Schritten die Wendeltreppe hinauf. Erst ein Wohnzimmer, großzügig, mit weißen Möbeln eingerichtet und genauso unpersönlich wie Küche und Esszimmer. Ein kleines Bad war durch eine Zwischenwand abgetrennt worden, beige Kacheln mit Meeresmotiven, Alltagskitsch.

      Erst im nächsten Stock begann Marit, sich heimischer zu fühlen.

      Ihn teilten sich zwei kleine Zimmer: ein Büro, seltsam heimelig durch ihren alten Schreibtisch und den bereits installierten Rechner, die Herr Dieck hatte herbringen lassen, auf der anderen Hälfte ein kleines Gästezimmer, sandfarben und blau eingerichtet, wieder der Ferienwohnungslook.

      Weiter nach oben, und da endlich: das Schlafzimmer. Sie atmete auf, als sie den Raum betrat. Herr Dieck war zunächst ein wenig verblüfft über ihren Wunsch gewesen, ausgerechnet ihre ältesten Möbel mitzunehmen, aber dann hatte er gelacht. »Sie haben mich jahrelang so fühlen lassen, als wäre ich bei Ihnen zu Hause. Jetzt kann ich das Gleiche für Sie tun.« Und ohne einen weiteren Kommentar hatte er sich mit ihr zusammengesetzt und das Schlafzimmer geplant. Anschließend hatte er dafür gesorgt, dass ihre Möbel und privaten Gegenstände im Leuchtturm landeten, noch bevor sie selbst hier ankam.

      So wenig es auch war, es hatte den gewünschten Effekt. Jetzt war sie zu Hause, und jetzt wusste sie auch, dass sie keinen Fehler gemacht hatte, jedenfalls keinen so großen, wie ihr Janna unterstellen wollte. Die Wände des Schlafzimmers waren schlicht weiß verputzt, der Boden bestand noch aus alten Holzbohlen, abgeschliffen und neu geölt, aber dennoch quietschten sie leicht unter Marits Schritten, als sie sich ihrem Bett näherte.

      Es war ein Doppelbett, immer gewesen, obwohl sie es stets alleine genutzt hatte. Abgesehen von den Zeiten, als Janna noch ein kleines Mädchen gewesen und vor den Ängsten der Nacht unter Marits Bettdecke geflohen war. Altes, dunkelrotes Kirschholz, weich unter ihren Fingern, die gelbe Tagesdecke darüber, darauf die zottelhaarige Puppe namens Michel, die noch aus Marits Kindheit stammte. Der Holzfäller-Michel, so hatte sie ihn genannt, und nun ging sie zu ihm, nahm ihn hoch und drückte ihn an sich, eine kleine Sicherheit in der Fremde. Marit steckte ihre Nase in den schwarzen Schopf und atmete tief ein. Er roch ein wenig nach Staub und Lavendel, aber er fühlte sich immer noch so beruhigend knubbelig an wie früher.

      Es war Zeit, den Rest des Zimmers zu begutachten. Langsam drehte Marit sich um ihre eigene Achse. Hier oben waren die Fenster schmal und das Licht deswegen schwächer als im restlichen Turm. Halbdämmerig, als wäre es bereits Abend. Zwei alte Kleiderschränke von zu Hause enthielten vermutlich den Großteil ihrer Garderobe. Auf dem Fußboden lag ein neuer, dunkelgrüner Teppich, der an Moos erinnerte. Perfekt auf die Rundung der Wand abgestimmte Bücherregale säumten eines der Fenster. Hier reihten sich Marits Lieblingsbücher, die wenigen, für die ihr Zeit geblieben war. Doch all das war nicht das Beste an dem Zimmer. Marit drehte sich weiter, bis ihr Blick zur Ruhe kam.

      Ihre aus Reet geflochtenen Paravents teilten das Zimmer in zwei Halbkreise. Hinter dieser Wand befanden sich Marits Sessel, der kleine, scheußliche, knallrote Beistelltisch, den sie sich in ihrer Teenagerzeit angeschafft hatte, und eine winzige Anrichte mit einer zweiten Kaffeemaschine und einem Teekocher darauf. Marit wusste, dass sich in dem Fach darunter das angeschlagene rote Kaffeegeschirr finden würde, eine Packung Hochlandkaffee, ihre vier Lieblingstees, verschiedene Zuckersorten und ein Wochenvorrat an Walkers Shortbread Fingers.

      Durch eines der schmalen Fenster fiel ein Lichtstrahl auf den abgewetzten graugrünen Stoff des Sessels, ein kleiner Willkommensgruß. Zwei schnelle Schritte, dann ließ sich Marit mit einem Seufzen auf das Polster fallen, drückte den Holzfäller-Michel fest an sich und wandte ihr Gesicht in die Sonne. Sie schloss die Augen und holte Luft. Einige tiefe Atemzüge lang fühlte sie sich wie eine Pflanze, die einfach nur die Wärme und das Licht genoss.

      Zu Hause.

      Irgendwann in der nächsten Zeit musste sie wohl aufstehen und sich etwas zu essen machen. Die tausend Kleinigkeiten organisieren, die mit ihrer Ankunft hier verbunden waren. Herrn Dieck anrufen und ihm für all seine Mühen danken, ohne dass er auf den Gedanken kam, dass sie in ihm mehr als einen guten Freund sah. Aber jetzt nicht. Jetzt nicht.

      Kapitel Zwei – Geister der Vergangenheit

      Ein kühler Luftzug hatte sich an den Paravents vorbeigestohlen und strich über Marits Wangen. Sie öffnete die Augen und bemerkte zu ihrer Verwunderung, wie dunkel es im Zimmer geworden war. War sie tatsächlich eingeschlafen?

      Ich werde alt. Doch in dem Moment, in dem ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, merkte sie, dass er nicht mehr als ein Reflex war. Etwas, das sie in den letzten Jahren viel zu oft gedacht hatte. Aber jetzt schien er nicht mehr zu passen. Sie fühlte sich jünger als in den letzten fünfzehn Jahren zusammen. Sie konnte geradezu spüren, wie der Druck nachließ, ein Druck, der sie über die Hälfte ihres Lebens begleitet und sie in der Spur gehalten hatte, bis sie ihn gar nicht mehr bewusst wahrnahm. Langsam erhob sich Marit aus ihrem Sessel, streckte sich und drehte den Kopf in alle Richtungen. Zeit, etwas Vernünftiges zu tun. Abendessen zum Beispiel. Und eine Dusche nehmen. In dieser Reihenfolge? Die Tatsache, dass sie tatsächlich Zeit und Muße hatte, darüber nachzudenken, hob ihre Stimmung gleich noch ein wenig an.

      Marit war gerade noch dabei, eine endgültige Entscheidung zu fällen, als ein schriller Ton sie aus ihren Gedanken riss. Sie brauchte einen Moment, um das Geräusch richtig einordnen zu können; es schien so gar nicht in diese Welt von Meer und Vergangenheit zu passen. Dann wurde es ihr klar: das Handy. Sie hatte ihren kleinen Lederrucksack vorhin beim Eingang abgelegt, und dort drin befand sich neben ihren Papieren und ihrem Portemonnaie auch das neue Smartphone, das ihr Janna zum Abschied aufgedrängt hatte. Marit hatte es nicht haben wollen und aus rein kindischem Trotz den grässlichsten Klingelton eingestellt, den sie auf dem Ding hatte finden können. Verärgert über sich selbst schüttelte sie den Kopf und eilte die Stufen hinunter.

      Es wird in dem Moment zu klingeln aufhören, in dem ich es in die Hand nehme, ging es ihr durch den Kopf. Das ist doch immer so. Sie beeilte sich, nahm bei der letzten Treppe immer zwei Stufen auf einmal und erreichte den klingelnden Lederrucksack. Noch immer ließ das Handy nicht locker. Jemand wollte sie sehr dringend sprechen. Marit schob die Hand in die Tasche und zog gleich darauf das Handy heraus. Das Display leuchtete ihr in einem matten Blau entgegen. »Janna«, stand darauf.

      Marit seufzte. Einen Augenblick lang sah sie das Handy nur an und hoffte beinahe, dass es nun endlich zu klingeln aufhörte, doch der schrille Ton wiederholte sich unbeirrt. Marit gab auf und drückte den Annahmeknopf.

      »Hallo?«

      »Du hast nicht angerufen.« Jannas Stimme, wie in weiter Ferne, der Vorwurf war unverkennbar in ihrem Tonfall zu hören. Marit wusste sogar, wie ihre Tochter in diesem Moment aussah, die dunklen Augenbrauen zusammengezogen und eine steile Falte dazwischen, die grauen Augen voller Sturm.

      »Hallo Janna.« Marit zwang sich zu einem Lächeln, das Janna sowieso nicht sehen konnte. »Ich bin gut hier angekommen.«

      »Wir hatten ausgemacht, dass du anrufst, sobald du dort bist. Ich warte schon seit Stunden auf deinen Anruf.«

      Nein, wir haben überhaupt nichts ausgemacht. Du hast mir gesagt, ich soll anrufen. Ich wurde dabei nicht gefragt. So wie du mich in letzter Zeit nie nach meiner Meinung gefragt hast.

      »Es tut mir Leid. Ich habe nicht daran gedacht. Nach der Reise war ich müde und habe mich ein wenig ausgeruht.« Marit brachte es irgendwie fertig, weiterhin das Lächeln auf ihrem Gesicht zu bewahren. Janna war nicht beschwichtigt, aber an ihren nächsten Worten konnte Marit zumindest hören, dass sie sich Mühe gab.

      »Mama, ich mache mir doch nur Sorgen, wie es dir geht. Du bist ganz alleine dort oben.«

      Und ich bin erwachsen. Ich komme zurecht, Janna.

      »Ich bin in Ordnung. Ich

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