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Promotion abgeschlossen hatte, wurde die Stelle im südafrikanischen Hagalugu-Nationalpark frei, ein internationales Naturschutzprojekt unter deutscher Führung. Im gleichen Jahr hatte sich auch eine Kommilitonin beworben, die nur mittelmäßige Noten mitbrachte, allerdings die Nichte des Umweltministers war. Also wurde mit der Frauenförderung argumentiert – und David hatte das Angebot auf der Insel in der Nordsee bekommen, das er nach langem Überlegen angenommen hatte. »Ein Heimkind hat eben keine Chancen in dieser Gesellschaft, sich selbst zu verwirklichen«, hatte er geklagt, und sie wollte lieber nicht genauer nachfragen. Das schien ein schmerzhaftes Kapital seiner Vergangenheit zu sein. Statt Löwe und Nashorn führte er nun Touristen Wattwurm und Nordseegarnele vor und träumte weiter von Afrika. Das vermutete zumindest Margo.

      David lächelte, als er seine Nachbarin am Weg hinter dem Deich entdeckte. Nachdem er die Teilnehmer seiner Wattsafari verabschiedet hatte, lud er Margo zu einem frisch gebrühten Friesentee ein. »Schrecklich, das mit Peter, oder?«, begann er und setzte eine Kanne heißes Wasser auf.

      »Schlimm, ich kannte ihn zwar kaum, aber ich kann es nicht glauben, dass er so ein Ende gefunden hat«, stimmte Margo ihm zu. »Ich frage mich nur, was seine Tochter gegen mich hat, sie hat mich heftig beschimpft«.

      »Ach die Barbie. Seit der Hein einmal in eine lettische Kellnerin verknallt war und von Hochzeit sprach, hat die Angst um ihr Erbe. Der Mann war ja ein Großgrundbesitzer, der kam als armer Schlucker als Kind auf die Insel, sein Vater war der Müllfahrer, und hat den Bauern ihr Land Hektar für Hektar abgehandelt. Das ist sicher mittlerweile mehrere Millionen wert. Und du mit deinem polnischen Nachnamen …«, er zwinkerte ihr zu.

      »Mit mir redet sie auch erst wieder, seit meine Mutter von ihm geschieden ist.« Er servierte den Tee in weißen Porzellantassen, die mit verschiedenen Möwenarten bemalt waren, in der Sitzecke vor einem Aquarium, durch das eine kleine rote Krabbe schnell humpelnd vor einem größeren Artgenossen hinter einen grünen Hügel huschte. »Ein Bein hat er ihr schon ausgerissen.« David klang belustigt, als er die Prügelei in seinem Minimeer beobachtete.

      Margo sah dem Hinkebein hinterher und hätte das kleine rote Tierchen am liebsten vor seinem Verfolger gerettet und es in die Freiheit entlassen. Sie glaubte, sich verhört zu haben: »Deine Mutter war mit dem Hein …? Du hast aber einen anderen Namen.« Margo nippte verblüfft an ihrem Tee und überlegte. Hatte er nicht erzählt, dass er ein Heimkind war?

      »Brigitte Hein ist auch meine Mutter, aber ich habe einen anderen Vater«, erklärte David.

      Sie hätte gerne gewusst, wer sein Vater war. Aber sie kannte ihn erst seit kurzer Zeit und hätte es aufdringlich gefunden, ihn auf sein Privatleben anzusprechen. Sie selbst hatte diese Frage, die ihr immer wieder gestellt worden war, geradezu gefürchtet, da sie keine Antwort darauf hatte. Margo hatte das Gefühl, diese Informationen über Davids Familienverhältnisse erst einmal verarbeiten zu müssen. Brigitte Hein, der Name sagte ihr doch irgendetwas! Sie nahm einen Schluck Tee und dachte angestrengt nach. Margo hatte noch ihre Mühe, die komplexen familiären und sonstigen Bande der Insulaner zu durchschauen.

      Aber ihr war eingefallen, woher sie den Namen ›Brigitte Hein‹ kannte. Dieser Name war im Testament ihrer eigenen Mutter erwähnt worden. Margo hatte vom Notar aus dem Nachlass einen versiegelten Umschlag erhalten, den sie nach dem Tod ihrer Mutter an die Unbekannte abschicken sollte. Die Empfängerin war also ausgerechnet Davids Mutter.

      Margos Blick fiel wieder auf das Aquarium, wo die große Krabbe die kleine aufgespürt hatte und ihr mit den Scheren brutal zusetzte. Rote Beinchen und Fühler schwammen neben dem Tatort.

      »Natur kann so brutal sein.« David sah mit einem amüsierten Blick zu, und seine Stimme hatte einen ironischen Ton. Das war kein nüchternes Beobachten durch den Wissenschaftler, er schien das Gemetzel richtig zu genießen. Margo lief ein kalter Schauer über den Rücken, sie fühlte sich plötzlich sehr unwohl in seiner Gegenwart. Sie stellte ihre halbvolle Tasse mit lautem Krachen auf die Untertasse und sagte: »Danke für den Tee, ich muss leider.« Sie fröstelte, als sie das Haus verließ.

      Kapitel 14

      Die »Klaus S« schaukelte an ihrem Ponton in der Billwerder Bucht gemütlich auf den Wellen und sah verlassen aus. Es war ein weißes flaches Transportschiff, vermutlich holländischer Bauart, mit einer daraufgesetzten Kabine für den Schiffsführer, an der hier und da die helle Farbe abblätterte. Eine dicke Kette versperrte den Bootssteg, die Fenster waren verhangen und die Tür abgeschlossen. Robert Galinowski lächelte überlegen, als seine junge Kollegin Mareike Schmidt die Techniker anfordern wollte. Er förderte einen Dietrich aus seiner Tasche zutage und öffnete das Schloss mit einer betont lässigen Drehung aus dem Handgelenk. »Siehst du, Mädel«, sagte er selbstzufrieden. Diesmal war er sich sicher, dass er sich von dem jungen Blondchen nicht abhängen lassen wollte, denn eigentlich war er im Hintergrund der Kopf der Ermittlungen. Die Kleine hatte neulich ihren Zufallstreffer, das gönnte er ihr auch. Aber sowohl sie als auch die Menkendorf waren einfach zu unerfahren, und man wusste ja, wie impulsiv Frauen waren. Die meisten waren absolut nicht hart genug für den Job in der Mordkommission, aber selbst da mussten heutzutage Quoten erfüllt werden. Er seufzte so laut, dass seine Kollegin besorgt fragte, ob er sich nicht wohlfühle.

      Auf dem Oberdeck rostete ein einsamer Grill vor einem Spalier vertrockneter Pflanzen neben durcheinander liegenden Spielzeugautos und einem Kinderfahrrad vor sich hin, in der Ecke lagen leere Bierdosen auf einem Haufen. Ordentlich war dieser Paul, ihr Hauptverdächtiger beim Mordfall auf Neuwerk, wohl nicht gerade. Deutlich gemütlicher war das Unterdeck, in dem sich ein überraschend großer Wohnraum mit Bücherregalen und Kamin befand. In der Mitte standen ein braunes Ledersofa und zwei Sessel neben der Feuerstelle um einen niedrigen Tisch. Daneben öffnete sich ein kleiner Flur zur Kombüse und zwei Schlafkammern. Eine Treppe führte in den Maschinenraum, der mit einer dicken Stahltür und drei Schlössern versperrt war. »Verdammt«, fluchte Galinowski, denn beinahe hätte er seinen Passe-Partout-Schlüssel, den er vor einigen Jahren einem Polizeiinformanten abgeschwatzt hatte, abgebrochen. Diesen Raum würde wohl selbst er nicht ohne die Techniker öffnen können. Inzwischen hatte sich seine Kollegin im Wohnraum umgesehen: »Reiseführer aus aller Welt, viele Bücher über das Mittelalter, alte Handelswege, die Hanse, historische Schifffahrtskarten und Schriften über die Weltmeere, Literatur über Piraten«, berichtete sie. Das schien nicht ungewöhnlich, denn der Typ verdiente seine Brötchen als Geschichtsdozent. In einem der Schlafzimmer stand sein Schreibtisch, auf dem sich zwar kein Computer befand, aber jede Menge Unterlagen. Vor mehreren Jahren hatte er an der Hamburger Universität promoviert, dann war sein fester Vertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter ausgelaufen. »Nicht gerade üppig«, sagte Galinowski nach einem Blick auf die Kontoauszüge. Sie hatten auch Mappen mit Lebensläufen und Bewerbungsunterlagen gefunden. Der Mann hatte sich als freiberuflicher Dozent von einem Zeitvertrag zum anderen an der Universität gehangelt, zwischendurch auch an der Volkshochschule unterrichtet. Typisch Geisteswissenschaftler, eine brotlose Kunst eben. Hier würde wohl nichts Spektakuläres mehr zu finden sein. »Ich höre mich mal in der Nachbarschaft um, Sie warten auf die Techniker«, sagte er zu Mareike Schmidt und dachte an die benachbarte Hafenschänke, wo er sich für die Anstrengungen mit einem Hellen und einem Kurzen belohnen konnte. Er ging natürlich nicht deshalb hin, Kneipen waren aber nun mal die reinste Informationsbörse.

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