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Sie schmunzelt. »Ich war auch mal jung. Man muss die Zeit genießen, wenn die Liebe noch so jung ist. Wie lange seid ihr zusammen?«

       »Fast ein Jahr.«

       »Ein Jahr… ja, da ist noch alles frisch. Erwin und ich waren 53 Jahre verheiratet. Zwei Jahre sind wir miteinander gegangen. So nennt ihr jungen Leute das doch?«

       Ich nicke grinsend.

       »Dann hat er bei meinem Vater um meine Hand angehalten. Das war eine Aufregung!«

       »Apropos Aufregung. Ich muss jetzt leider los. Kevin wartet vor der Tür und er…« Ich breche ab und beiße mir auf die Lippe.

       »Ich weiß«, sagt sie und Bedauern klingt in ihrer Stimme mit. »Er ist furchtbar ungeduldig. Und diese Eifersucht... Du musst aufpassen, Bengt. So etwas kann auf Dauer nicht gut gehen. Eifersucht ist ein ganz schlechter Begleiter. Vertrauen ist die Basis für eine gute Beziehung.«

       »Hm, ja«, sage ich schnell. Diesen Vortrag hat sie schon einige Male gehalten. Vertrauen und Geduld, aber das ist nicht so einfach. Nicht in unserer Beziehung.

       Im Grunde stehe ich ihm da auch in nichts nach. Ich bin genauso eifersüchtig. Vertrauen ist nichts, das ich ihm problemlos schenken kann. Dafür ist schon zu viel passiert, dafür habe ich viel zu große Angst, dass er mich eines Tages verlassen könnte. Einfach so… für jemanden, den er interessanter, geiler, hübscher findet.

       Ich bin nichts von dem. Neben Kevin bin ich eine unscheinbare, graue Maus. Ich kann weder mit einer tollen Figur noch mit einem besonders großen Schwanz punkten. Mit 1,72m bin ich eher klein, meine Muskeln sind unscheinbar. An mir ist einfach nichts dran. Manchmal kann ich gar nicht begreifen, wieso Kevin überhaupt mit mir zusammen ist. Wahrscheinlich bin ich deshalb so eifersüchtig.

       »Du bist so ein hübscher Junge. Mach dir keine Sorgen. Für dich kommt auch noch der Richtige und dann wirst du eine lange und glückliche Liebe erleben.«

       »Aber Frau Schumann, ich will gar keinen anderen. Ich liebe Kevin. Mehr als alles andere auf der Welt. Und er liebt mich.«

       »Na, dann ist doch alles in bester Ordnung.« Sie lächelt mich an, aber ich weiß, dass sie mir nicht glaubt. Vielleicht, weil ich es auch immer noch nicht glauben kann. Also, dass er mich liebt.

       »Nun aber husch! Das lange Wochenende ruft. Hör nicht auf die Worte einer alten Frau. Es ist nur wichtig, dass du auf dein Herz hörst«

       Als ich aus dem Zimmer eile, steht Kevin schon im Flur.

       »Du hattest vor fünf Minuten Feierabend!«, fährt er mich an.

       »Ich war noch bei Frau Schumann«, entschuldige ich mich und fühle mich sofort wieder in die Enge getrieben.

       »Dann beeil dich, mein Engelchen, damit wir hier rauskommen«, sagt er versöhnlicher und drückt mir einen kleinen Kuss auf die Wange.

       Sofort fängt mein Herz an, wie wild zu schlagen. Am liebsten würde ich meine Arme um ihn schlingen und einen richtigen Kuss einfordern. Aber Kevin mag das nicht in der Öffentlichkeit. Also nicke ich nur, hole aus dem Personalraum meine Klamotten und verabschiede mich von meiner Kollegin Anja.

      ***

       Kaum sitze ich im Auto, fährt Kevin auch schon los.

       »Hast du es eilig?«, frage ich verwundert. Er antwortet nicht, sondern macht die Musik lauter.

       »Geiles Lied, oder?« Eine nervig klingende Bassline dröhnt mir entgegen. Ich kann mit dieser Musik echt nichts anfangen. Trotzdem nicke ich brav. Kevin dreht gleich noch ein wenig lauter. Ich werde davon mit Sicherheit Kopfschmerzen bekommen.

       »Ich freue mich auf ein Glas Wein und einen Kuschelabend«, schreie ich gegen die Musik.

       »Hm«, antwortet er und seine Tonlage bringt mich dazu, hellhörig zu werden. »Ich wollte dich eigentlich nur zu Hause absetzen. Ich habe echt Lust, mal wieder in die Sauna zu fahren.«

       »Sauna?«, frage ich ungläubig. Alle Alarmglocken beginnen zu schrillen. Das Lied ist zu Ende, also stelle ich das Radio leiser. »Allein?«

       »Ich brauche dringend ein wenig Entspannung. Ich hatte einen echt beschissen anstrengenden Tag«, sagt er und schafft es nur mit einer Vollbremsung, an der roten Ampel zu halten. »Scheißampel. Wozu ist die mitten in der Nacht überhaupt an? Es ist doch kaum ein Auto auf der Straße und wir müssen hier Ewigkeiten warten«, meckert er vor sich hin und klopft ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad herum.

       Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Ich fühle, wie sich eine Mischung aus Wut und Angst in mir aufbaut. Nur mit Mühe kann ich mich zwingen, ruhig zu bleiben. Kevin hasst es, wenn ich ausraste. Dann schaltet er erst recht auf stur. Aber er kann doch nicht allein in die Sauna gehen! In eine Schwulensauna! Da muss ich nicht lange überlegen, was er vorhat.

       »Ich dachte, wir verbringen den Abend zusammen«, sage ich vorsichtig und kämpfe gegen dieses beschissene Gefühl in meinem Inneren an.

       »Wie gesagt, ich hatte einen harten Tag und...«

       »Den hatte ich auch«, falle ich ihm ins Wort. »Und überhaupt, du arbeitest vier Stunden in einer Videothek. Wie hart kann dein Tag schon gewesen sein?«

       Zuerst brummt Kevin etwas Unverständliches, dann seufzt er theatralisch. »Da war heute dieser Typ, also, das musst du dir mal reinziehen: Eine halbe Stunde hat der gelabert, wie beschissen Actionfilme doch heutzutage gemacht wären. Faselte irgendwas von guten, alten Zeiten. Als ob mich das interessieren würde. Aber der Kerl schnallt das ja nicht. Dann fängt er an, von Sylvester Stallone zu erzählen. Den ganzen Lebenslauf, einschließlich jeder verfickten Rolle. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wir anstrengend das war.«

       »Stimmt, kann ich nicht. Wenn ich mir überlege, dass ich heute…« Ich beiße mir auf die Lippe und schweige.

       Kevin mag es nicht, wenn ich von der Arbeit erzähle. Er hat ein Problem mit dem Alter. Er hat vor allem ein Problem mit meinem Job. Dauernd meckert er, dass ich kündigen soll. Dabei ist es genau das, was ich machen möchte.

       Ich kümmere mich gern um alte Menschen, ich kann das gut. Davon abgesehen müssen wir auch von irgendwas leben. Mit seinem Job könnten wir nicht einmal die Wohnung halten, ganz zu schweigen von Nahrungsmitteln.

       »War wohl heute wieder viel los?«, fragt er plötzlich sanfter. Mit einer Hand streichelt er über mein Bein. Ich genieße die Berührung und habe die Hoffnung, dass er es sich doch noch anders überlegt.

       »Schon«, flüstere ich, lege meinen Kopf zurück und drücke mich sehnsüchtig seiner Hand entgegen.

       »Na, siehst du. Dann ist es doch viel besser, wenn du zu Hause bleibst und dich ausruhst. Du kannst einen von deinen Lieblingsfilmen gucken. Ich bleibe höchstens zwei oder drei Stunden weg.«

       »Kevin! Ich will nicht, dass du allein da hinfährst. Entweder komme ich mit oder wir bleiben beide zu Hause. Ich will gar nicht wissen, was du da vorhast und vor allem mit wem!« Jetzt kann ich meine Eifersucht doch nicht mehr im Zaum halten. Angepisst schaue ich aus dem Fenster.

       »Ich habe gar nichts vor«, zischt er.

       »Du willst ficken!«, fauche ich wütend. Ich klinge viel zu zickig, aber ich kann mich nicht mehr zusammenreißen. Ich bin wütend und enttäuscht, aber vor allem frisst mich die Panik nahezu auf. Er will allein weg. Dorthin, wo eine Menge schwuler Kerle herumlaufen. Kerle, die es alle nicht so genau mit Beziehungen nehmen.

       »Ich will mich entspannen. Das ist alles!«

       »Du kannst dich auch mit mir entspannen.«

       »Das kann ich nicht! Ich kann mich nicht entspannen, wenn ich das Gefühl habe, dass alle auf meinen so unglaublich geil aussehenden Kerl starren. Wie soll ich mich da bitte entspannen?«, sagt er genervt.

       »Du findest mich geil?« Mein Unbehagen löst sich in Luft auf, stattdessen macht sich Hitze in meinem Bauch breit.

       »Ich könnte mir

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