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hauptsächlich zurückführte.

      Auch unterstützte Mr. Robson theoretisch und praktisch Toms Neigung zur Tierquälerei. Häufig hatte er, wenn er bei Hatz oder Jagd die Ländereien seines Schwagers überquerte, seine Lieblingshunde bei sich; er behandelte sie so brutal, dass ich, so arm ich auch war, pro Tag einen Sovereign dafür gegeben hätte mit anzusehen, wie eines der Tiere ihn gebissen hätte, vorausgesetzt, es wäre dann nicht bestraft worden. Manchmal, wenn er besonders gut aufgelegt war, machte er sich mit den Kindern auf, um Vogelnester aufzustöbern und auszunehmen, was mich außerordentlich ärgerte und störte, da ich mir schmeichelte, ihnen durch meine beharrlichen Bemühungen das Schändliche dieses Zeitvertreibs deutlich gemacht zu haben, und hoffte, in ihnen mit der Zeit ganz allgemein ein Gefühl für Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu wecken. Aber zehn Minuten Nesträuberei mit Onkel Robson oder auch nur sein Gelächter, wenn sie von ihren früheren Grausamkeiten erzählten, genügten, um meine gesamte wohldurchdachte Taktik von Argumentation und Überzeugung mit einem Schlag zunichtezumachen. In diesem Frühjahr jedoch fanden sie mit einer Ausnahme zum Glück nur leere Nester oder Eier, da sie zu ungeduldig waren zu warten, bis die Vögel geschlüpft waren. In diesem einen Fall kam Tom, der mit seinem Onkel in der angrenzenden Schonung gewesen war, freudestrahlend angelaufen, ein paar kleine, nackte Vogeljunge in den Händen. Mary Ann und Fanny, die ich gerade nach draußen brachte, beeilten sich, seine Beute zu bewundern und jeweils einen Vogel für sich selbst zu erbetteln. »Nein, nicht einen einzigen!«, schrie Tom. »Sie gehören alle mir; Onkel Robson hat sie mir gegeben – eins, zwei, drei, vier, fünf; rührt bloß keinen davon an! Keinen einzigen, oder es gibt Ärger!«, setzte er frohlockend hinzu, während er das Nest auf den Boden legte und sich davorstellte, die Beine gespreizt, die Hände in den Hosentaschen vergraben, den Oberkörper nach vorn gebeugt und das Gesicht in wilder Freude auf absonderliche Weise verzerrt.

      »Denen geb ich’s, ihr könnt euch drauf verlassen. Ehrlich, die kriegen eins verpasst! Gleich geht’s los damit. Heiliger Strohsack! Das wird ein Mordsspaß mit dem Nest.«

      »Aber Tom«, sagte ich, »ich erlaube dir nicht, diese Vögel zu quälen. Sie müssen entweder sofort getötet oder dorthin zurückgebracht werden, wo du sie hergeholt hast, damit die Alten sie weiterfüttern können.«

      »Aber Sie wissen nicht, wo das ist, Madam. Das wissen nur Onkel Robson und ich.«

      »Wenn du es mir nicht sagst, töte ich sie selbst, wenn auch nur äußerst ungern.«

      »Das wagen Sie nicht. Nie im Leben würden Sie es wagen, sie anzurühren. Weil Sie nämlich wissen, dass Papa und Mama und Onkel Robson dann böse sind. Ha, ha! Jetzt habe ich Sie, Miss!«

      »Ich werde in diesem Fall das tun, was ich für richtig halte, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen. Wenn dein Papa und deine Mama das nicht gutheißen, soll es mir leidtun, sie zu kränken; die Ansichten deines Onkels Robson sind mir allerdings gleichgültig.«

      Während ich das sagte, hob ich, getrieben von Pflichtgefühl und auf die Gefahr hin, mich zu ekeln und mir den Zorn meiner Brotherren zuzuziehen, einen dicken Stein auf, der vom Gärtner offenbar als Mausefalle gedacht war, und fragte den kleinen Tyrannen, nachdem ich noch einmal vergeblich versucht hatte, ihn zu überreden, die Vögel zurückzubringen, was er mit ihnen vorhätte. Mit teuflischem Vergnügen begann er, eine Reihe von Quälereien aufzuzählen, und noch während er damit beschäftigt war, ließ ich den Stein fallen und zerschmetterte damit seine auserwählten Opfer. Laut war das Geschrei, schrecklich die Flüche, die dieser kühnen Tat folgten. Onkel Robson kam gerade mit seinem Gewehr den Weg herauf und blieb stehen, um seinem Hund einen Tritt zu versetzen. Tom rannte auf ihn zu und schwor mir, dafür zu sorgen, dass ich anstelle von Juno getreten würde. Mr. Robson stützte sich auf sein Gewehr und lachte aus vollem Halse über den heftigen Gefühlsausbruch seines Neffen und über die bitteren Verwünschungen und gemeinen Ausdrücke, mit denen er mich überschüttete. »Na, du bist mir ja einer!«, rief er schließlich, ergriff sein Gewehr und ging aufs Haus zu. »Verdammich, aber der Junge hat Mumm. Verflucht noch mal, so einen fabelhaften kleinen Halunken habe ich ja noch nie gesehen. Weiß Gott, er ist schon übers Weiberregiment hinaus! Er widersetzt sich Mutter, Großmutter, Gouvernante, einfach allen! Ha, ha, ha! Mach dir nichts draus, Tom, ich hol dir morgen ein paar andere Junge.«

      »Wenn Sie das tun, Mr. Robson, bringe ich die auch um«, sagte ich.

      »Hm!«, machte er, und nachdem er mich mit einem dreisten Blick beehrt hatte, dem ich, entgegen seinen Erwartungen, ohne mit der Wimper zu zucken standhielt, wandte er sich mit dem Ausdruck tiefster Verachtung ab und stolzierte ins Haus. Gleich darauf erzählte Tom alles seiner Mama. Es war nicht ihre Art, überhaupt zu etwas viel zu sagen, aber als ich sie das nächste Mal sah, waren ihre Miene und ihr Benehmen so finster und eisig wie nie zuvor. Nach einer beiläufigen Bemerkung über das Wetter sagte sie:

      »Es tut mir leid, Miss Grey, dass Sie es für nötig halten, sich in Master Bloomfields Zeitvertreib einzumischen. Er war sehr betrübt darüber, dass Sie die Vögel getötet haben.«

      »Wenn Master Bloomfields Zeitvertreib darin besteht, empfindungsfähige Geschöpfe zu verletzen, halte ich es für meine Pflicht einzugreifen«, gab ich zur Antwort.

      »Sie scheinen vergessen zu haben«, sagte sie ruhig, »dass alle Kreatur nur zu unserer Annehmlichkeit geschaffen wurde.«

      Ich dachte, dass an dieser Theorie einige Zweifel anzumelden wären, antwortete jedoch nur:

      »Auch wenn sie das wären, haben wir nicht das Recht, sie zu unserem Vergnügen zu quälen.«

      »Ich glaube kaum«, sagte sie, »dass man das Vergnügen eines Kindes gegen das Wohlergehen eines seelenlosen Tieres abwägen kann.«

      »Aber allein dem Kind zuliebe sollte man es nicht in dieser Art Belustigung bestärken«, sagte ich, so sanft ich konnte, um meine ungewohnte Hartnäckigkeit wettzumachen.

       »Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.«

      »Oh, gewiss! Aber das bezieht sich auf unser Verhalten untereinander.«

      »Der Barmherzige ist barmherzig auch zu seinen Tieren«, wagte ich hinzuzusetzen.

      »Ich glaube, Sie haben keine große Barmherzigkeit gezeigt«, sagte sie darauf mit einem kurzen, bitteren Lachen. »Die armen Vögel allesamt auf diese schreckliche Weise umzubringen und aus einer Laune heraus dem lieben Jungen einen solchen Schmerz zuzufügen.«

      Ich hielt es für klug, nichts mehr zu sagen. Nie war ich einem Streit mit Mrs. Bloomfield so nahe wie in diesem Moment, und nie hatte ich seit dem Tag meiner Ankunft so viele Worte auf einmal mit ihr gewechselt.

      Aber Mr. Robson und die alte Mrs. Bloomfield waren nicht die einzigen Gäste, deren Anwesenheit in Wellwood House mich störte. Alle Besucher waren mir mehr oder weniger lästig; nicht so sehr, weil sie mich übersahen – obwohl ich ein derartiges Benehmen befremdlich und unliebenswürdig fand –, sondern weil es mir einfach nicht gelang, meine Schüler von ihnen fernzuhalten, worum man mich wiederholt bat. Aber Tom musste mit ihnen reden und Mary Ann von ihnen beachtet werden. Keiner von beiden besaß auch nur die geringste Schamhaftigkeit oder ganz gewöhnliche Bescheidenheit. Laut und ungehörig unterbrachen sie die Unterhaltung der Erwachsenen, bestürmten sie mit aufdringlichen Fragen, fielen ungestüm über die Herren her, kletterten unaufgefordert auf ihre Knie, hingen sich an ihre Schultern oder plünderten ihre Taschen, zupften an den Kleidern der Damen, brachten ihr Haar in Unordnung, zerdrückten ihre Kragen und bettelten auf unangenehme Weise um irgendwelche Kleinigkeiten.

      Mrs. Bloomfield hatte zwar so viel Verstand, über dieses Verhalten entsetzt und verärgert zu sein, aber nicht genug, um es zu verhindern: Das erwartete sie von mir. Aber wenn die ständig wechselnden, elegant gekleideten Gäste ihnen fortwährend schmeichelten und sie den Eltern zu Gefallen gewähren ließen, wie hätte ich mit meinen schlichten Kleidern, meinem Alltagsgesicht und meinen aufrichtigen Worten sie davon abbringen können? Ich tat mein Äußerstes, um es zu erreichen: Ich bemühte mich, sie zu unterhalten und sie so für mich zu gewinnen; ich wandte so viel Autorität an, wie ich besaß, und so viel Strenge, wie ich wagte,

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