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glitzerten auf ihrer Stirn. Sie zog sich ihre schwarzen Plateaupumps aus und ließ sie achtlos im Flur liegen.

      „Was gibt´s?“, wollte Bastian wissen, als er nur wenige Schritte von seiner Mama entfernt stand. Die Müdigkeit sah er ihr regelrecht an.

      „Zieh dir gefälligst mal was an!“ Noch nie konnte sie es leiden, wenn ihr Sohn nur in Unterwäsche herumlief.

      „Ich war duschen“, sagte er zurückhaltend.

      Karin ignorierte seine Worte und warf sich ihr langes und gelocktes schwarzes Haar, das sie mit lilafarbenen Strähnen verschönert hatte, über die Schulter. Sie hängte die Tasche an der Garderobe auf. „Sag, hast du die Wäsche denn schon aufgehängt?“

      „Jupp“, bestätigte er nickend. Ihm war klar gewesen, dass sie sich sofort danach erkundigen würde.

      „Gut. Du musst“, waren ihre befehlenden Worte, als sie an ihrem Sohn, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, vorbeiging, „gleich mal eben einkaufen gehen.“

      Es war nichts Neues, dass Bastian etwas tun musste, dennoch empfand er es stets ermüdend. „Was soll ich holen?“, fragte er lustlos.

      „Gemach, gemach, Kleiner.“ Karin ließ sich auf die Ledercouch nieder und legte die Füße auf den edlen Glastisch. „Endlich sitzen.“ Ein kaum hörbarer Seufzer der Erleichterung drang über ihre Lippen.

      Ungeduldig wartete Bastian auf die Wünsche seiner Mutter. Als sie auch nach einer gefühlten Ewigkeit nur mit geschlossenen Augen dort saß, fragte er: „Und was soll ich jetzt holen?“

      „Nicht viel“, erwiderte sie.

      Eine Antwort, mit der er sehr viel anfangen konnte. Immerhin bedeutete „nicht viel“, dass er keinen Einkaufswagen bis vor die Haustür schieben musste – meistens zumindest.

      1.3

      Bastian wollte nicht, aber er musste ja. Seufzend überquerte er die Spielstraße. Zu seinem Glück war der Supermarkt nur wenige Meter entfernt. Er ging an den wenigen Einfamilienhäusern vorbei und schaute flüchtig zur anderen Seite, wo ein Kartoffelverkäufer mit seinem Wagen auf dem Feldrand stand und Ware an einen Kunden verkaufte. Es wäre niemals ein Job für Bastian gewesen, den ganzen Tag lang dort zu stehen und auf zahlende Kundschaft zu warten. Bastian eilte über die nächste Straße und schon hatte er sein Ziel erreicht. Er nahm sich einen Einkaufswagen und besorgte die Sachen, die seine Mutter haben wollte. Gerade als er den Gang betrat, in dem der Kaffee zu finden war, überraschte ihn Susanne mit ihrer Anwesenheit. Sie wohnte im zweiten Wohnturm, in dem weit aus mehr asoziale Familien lebten als im ersten.

      „Basti!“ Frech lächelte sie und zupfte an den Trägern ihres weißen Tops herum. „War ja klar, dass du wieder hier bist.“

      „Ja, wo sollte ich sonst sein?“, fragte er mit einem ermatteten Blick.

      Susanne, die von den meisten ihrer Freundinnen Susi genannt wurde, war ein Jahr älter als Bastian und eine der wenigen, die manchmal mit ihm redete. Meistens tat sie dies aber nur, wenn sie etwas von ihm wollte, oder wenn sonst keiner ihrer Freunde anwesend war. Zu den Außenseitern wollte sie nämlich unter keinen Umständen gehören. „Wieder Großeinkauf machen?“, erkundigte sie sich belustigt. Noch nie hatte sie es verstanden, dass er spurte, sobald seine dominante Mutter es verlangte. Sie selbst hätte nie und nimmer so mit sich umspringen lassen.

      „Joah, wie immer, ne?“, antwortete er ausgelaugt.

      Um auf ihr langes, gekrepptes Haar aufmerksam zu machen, fuhr Susi sich auffällig durch die blonde Mähne. Dass ihr Gegenüber nicht darauf reagierte, störte sie gewaltig. „Jetzt sag schon was!“

      „Was soll ich denn sagen?“

      „Wie findest du es?“, wollte sie mit Nachdruck in der Stimme wissen und drehte sich mit den Wimpern klimpernd einmal im Kreis herum.

      „Ganz nett“, erwiderte er schulterzuckend.

      Es war auf keinen Fall die Antwort, auf die sie gehofft hatte. „Noch genauer kannste nicht werden, häh?“, regte sie sich künstlich auf. „Männer, tse.“

      „Was soll ich sonst sagen?“

      „Vielleicht, dass es gut aussieht?!“

      „Es sieht gut aus“, meinte er gleichgültig.

      „Richtig überzeugend“, sagte sie und schüttelte missbilligend den Kopf. „Naja, ich dachte immer, dass ihr Schwulen Geschmack hättet.“

      Gekonnt tat Bastian so, als ob er ihre Worte nicht gehört hätte.

      „Haste gehört?“

      „Hm, was?“, stellte er sich doof.

      „Vergiss es. Du gehst doch jetzt in die Neunte, oder?“

      „Ja, ich gehe in die Neunte. Aber das müsstest du doch wissen?“

      „Ja, aber du bist ja mal sitzen geblieben und so unwichtige Sachen merke ich mir sowieso nicht.“

      Irgendwie fand Bastian, dass sie sich ihr respektloses Grinsen sonst wo hätte hinstecken können. Vor allem, da Susi nach der achten Klasse abgegangen war und seitdem absolut nichts tat. Immerhin war sie im Herumgammeln gut. „Wieso fragst du?“

      „Kennste einen Paul?“

      Bastian musste nicht mal überlegen. „Nein.“

      Susi machte ein nachdenkliches Gesicht. „Ahh, aber ich meine, der geht auf deine Schule.“

      „Keine Ahnung. Kenne keinen Paul.“

      „Aber wenn, dann sagste mir Bescheid, ja?“

      Gerade, als Bastian ihr antworten wollte, packte ihn plötzlich jemand von hinten und hielt ihm ein Messer an die Kehle. Bastian erstarrte vor Schreck.

      „Kai!“ Susi fasste sich schockiert an ihre kaum vorhandene Brust. „Was machst du denn da?“ Die aufkommende Belustigung über Bastians dämlichen Ausdruck konnte sie nur schwer im Zaum halten.

      Schwer schluckte Bastian, fühlte dabei die Klinge an seiner Kehle.

      „Na, du kleine Schwuchtel!“, hörte Bastian ihn hasserfüllt sagen. Prompt spürte er ein unwohles, kaltes Gefühl in seinem Bauchraum, während sein Gesicht ganz warm wurde. „Darauf stehst du, nicht?“, fragte der Kerl, ihm ins Ohr flüsternd.

      „Kai!“ Susi wusste nicht so genau, ob das jetzt ein Scherz war oder ob Kai es ernst meinte. So wie sie ihn aber einschätzte, hätte er den mutmaßlichen Schwulen ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht. Und in einen Mord wollte sie keineswegs verwickelt sein. Nicht jetzt, nicht so. „Jetzt lass ihn doch einfach mal in Ruhe, Mensch! Der tut doch niemandem was.“

      Kai ignorierte ihre Worte. Fest drückte er Bastian mit dem linken Arm an sich, während er ihm weiterhin das Messer an die Kehle hielt. „Ich habe dich was gefragt, du beschissene Tucke!“ Kai hasste Homosexuelle aus tiefstem Herzen. Sie waren Abschaum, Missgeburten, die kein Recht auf Leben hatten. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er sie allesamt erschossen. Sie gehörten für ihr Dasein bestraft. Tausend Fantasien hatte Kai, wie er dieses Pack hätte umbringen können. Mit Salzsäure hätte er einige überschüttet, sie gehäutet, vor fahrenden Zügen geschubst und von Autos überrollen lassen. „Macht dich das an, ja?“

      „Wieso sollte es ihn denn anmachen, wenn du ihm ein Messer an die Kehle hältst?“, fragte Susi geringschätzig. „Du hast echt einen an der Klatsche, weißte das?“

      „Ach, der mag es doch von hinten. Nicht, du Schwuchtel?!“

      Bastian wusste gar nicht, was er sagen sollte. Durfte er überhaupt noch atmen? Er verabscheute Kai, dessen Gesicht stark vernarbt und verpickelt war, vermutlich mehr, als dieser ihn hasste. Kai war für ihn ein hirnloses Etwas, das täglich kiffte und soff. Ein Typ ohne Schulabschluss, keinerlei Bildung und ohne Hoffnung auf intellektuelle Reife.

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