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unterbrechend. »Bradsen... War das nicht dieser Gangsterboß, der wegen Mord vor Gericht stand und der mit Unzurechnungsfähigkeit an der Todesstrafe gerade noch so vorbeikam?«

      »In der Tat, Sir! Der Richter erkannte seinerzeit auf lebenslängliche Einschließung. Steve Bradsen wurde daraufhin in die staatliche Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen.«

      »Wo er wie lange blieb, Parker? Sie haben in diesen Dingen ein besseres Gedächtnis als ich.«

      »Genau vier Jahre, Sir! Eben bis heute!«

      »Schön, und weshalb rief Madford an?«

      »Er fühlte sich verpflichtet, Sir, Sie und meine bescheidene Wenigkeit, dringend zu warnen!«

      »Ach nee! Und warum?«

      »Leutnant Madford, Sir, befürchtet, daß Bradsen sich rächen will, zumal er während der vier Jahre seines Aufenthalts in der Heilanstalt immer wieder intensiv davon gesprochen hat!«

      »Na gut, wir werden also aufpassen«, meinte Anwalt Rander lächelnd, »aber wenn Sie mich fragen, Parker, dann hat dieser Bradsen jetzt andere Sorgen, als sich an uns zu rächen!«

      »Sir, darf ich darauf hinweisen, daß immerhin Sie und meine bescheidene Wenigkeit der Anlaß dafür waren, daß Steve Bradsen seinerzeit verhaftet und verurteilt wurde?«

      »Natürlich dürfen Sie, Parker. Aber wenn Sie mich fragen, dann macht Leutnant Madford sich unnötige Sorgen. Und Sie sich unnötige Hoffnungen, Parker. Mit einem interessanten Kriminalfall brauchen Sie erst gar nicht zu rechnen! Daraus wird nichts...!«

      *

      Norman Capty stand hinter der Ladentheke und addierte Zahlenkolonnen. Trotz der späten Stunde hatte er sein Geschäft noch nicht geschlossen. Mitternacht war gerade angebrochen, doch Captys Kunden liebten gerade diese Zeit. Sie bestanden zum größten Teil aus Männern, denen das Geld ausgegangen war. Captys Kunden erschienen dann ungeniert, um in seiner Pfandleihe Geld zu pumpen. Daß sie mehr oder weniger wertvolle Gegenstände als Pfand zurückließen, störte Capty nicht. Es störte ihn auch kaum, wenn diese Pfandstücke vielleicht aus einem frischen Diebstahl herrührten. Er besaß Erfahrung in solchen Dingen und wußte die Pfandstücke an den richtigen Mann zu bringen. Denn in der Regel wurden sie niemals wieder abgeholt.

      Capty, ein schwerer, massiger Mann von fast 60 Jahren, sah kaum hoch, als die Ladentür aufgedrückt wurde. Er schloß seine Addition erst ab, bevor er auf blickte.

      »Was soll’s denn sein?« fragte er und musterte den Kunden. Er sah einen mittelgroßen, schlanken Mann vor sich, der einen viel zu weiten Anzug trug. Dieser Mann hielt ein Päckchen unter dem Arm, das er jetzt auf die Ladentheke legte.

      »Ich brauche Geld«, sagte der Kunde. Seine Stimme klang etwas heiser, als habe er sich gerade frisch erkältet.

      »Wer braucht das nicht?« seufzte Capty prompt. »Was haben Sie denn anzubieten?«

      Während er sprach, überlegte er, wo er den Kunden schon einmal gesehen hatte. Der Mann im schlotternden Anzug war ihm bekannt. Capty wußte im Moment nur nicht, wo und wie er ihn einordnen sollte.

      »Das hier!« sagte der Kunde, der Captys Antwort überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hatte. Er löste das Einschlagpapier und wies auf zumindest ungewöhnliche Kleidungsstücke.

      Es handelte sich um weiße Operationshosen, um einen weißen Operationskittel, um weiße Schuhe und um ein weißes Käppchen.

      »Was soll n das sein?« fragte Capty und sah den Kunden überrascht an.

      »Operationsanzug«, gab der Kunde lakonisch zurück. »Wieviel geben Sie, Capty?«

      »Sie kennen mich?« fragte Capty zurück. Er wußte, daß sein Name nicht am Geschäft stand.

      »Ungefähr«, antwortete der Kunde. »Also, wieviel rücken Sie raus?«

      »Für diesen Plunder?« fragte Capty gereizt zurück. Irgendwie gefiel ihm der Mann jenseits der Theke nicht.

      »Nagelneue Sachen«, meinte der Kunde, »sehen Sie mal, was hier in der Tasche steckt.«

      Capty beging den Fehler, sich neugierig über den Tresen zu beugen. Er hätte es besser nicht getan, denn so konnte er dem Skalpell nicht mehr ausweichen, das der Kunde plötzlich in der Hand hielt.

      Capty wollte schreien, doch dazu hatte er Bruchteile von Sekunden später einfach keine Luft mehr. Röchelnd fiel er zurück, schlug gegen die Zwischenbretter eines Regals und stürzte tot zu Boden.

      Der Kunde im viel zu weiten Anzug ging überraschend gelassen zurück zur Tür, riegelte sie zu und drehte das Licht aus. Dann machte er sich daran, das reichhaltige Warenangebot des Pfandleihers zu besichtigen.

      Der Kunde wußte genau, was er brauchte.

      Interessiert ging er an den Regalen vorbei und sammelte verschiedene Gegenstände ein. Anschließend kleidete er sich im Lager um und entwickelte dabei nicht nur Geschmack, sondern auch äußerst praktischen Sinn.

      Nach etwa einer halben Stunde hatte er, was er brauchte. Er packte eine Reisetasche aus Leder prall voll. Dann zündete er sich eine Zigarette an und leerte zusätzlich noch die Ladenkasse. Mit einem kleinen, altmodisch aussehenden Tresor in Captys Büro hielt er sich erst gar nicht auf. Er wußte, daß er ihn nicht knacken konnte.

      Dann riegelte der seltsame Kunde und Mörder die Eingangstür auf und betrat die Straße. Ohne Nervosität zu zeigen, schlenderte er langsam die Straße hinunter und hielt auf die nächste Busstation zu.

      Unterwegs überholte ihn ein Streifenwagen der Polizei, der langsam durch die Straße patrouillierte.

      Der Mörder sah überhaupt nicht hin. Dieser Wagen interessierte ihn nicht. Angst vor einer Entdeckung schien er nicht zu haben. Zielsicher ging er weiter, bis er eine Telefonzelle in der Nähe der Busstation erreicht hatte.

      Der Mörder zögerte einen Moment. Dann aber betrat er die Sprechzelle und blätterte im Telefonbuch, bis er eine bestimmte Nummer gefunden hatte. Er hob den Hörer ab, warf eine Münze in den Apparat und wählte die Nummer.

      Auf der Gegenseite wurde nach einigen Sekunden abgehoben.

      Eine sehr würdevolle und gemessene Männerstimme, baritonal gefärbt, meldete sich und fragte höflich nach den Wünschen des Anrufers.

      Der Mörder verzichtete auf eine Antwort.

      Er legte wieder auf und verließ die Telefonzelle. Sein Gesicht, das von den bunten Reklamelichtern angestrahlt wurde, wirkte in diesem Moment kalkweiß. Und in diesem kalkweißen Gesicht glühten dunkle, große Augen ...

      »Wer hat angerufen?« erkundigte sich Mike Rander, nachdem der Butler aufgelegt hatte. »Etwa schon wieder Leutnant Madford?«

      »Der Anrufer meldete sich nicht, sondern legte nach dem hergestellten Kontakt sofort wieder auf, Sir.«

      »Falsch verbunden wahrscheinlich«, sagte Mike Rander und widmete sich wieder seinem Diktat. Er sah allerdings irritiert hoch, als Parker stumm und mahnend vor dem großen Arbeitstisch stehenblieb.

      »Ist noch was?« fragte der junge Anwalt.

      »Dieser gerade erfolgte Anruf, Sir, ließ mich das werden, was man stutzig nennt.«

      »Ich sagte doch schon, irgendeine falsche Verbindung.«

      »Durchaus möglich, Sir, das räume ich ohne weiteres ein. Es könnte sich aber auch um diesen Steve Bradsen gehandelt haben!«

      »ich hab s geahnt, daß Sie auf diesen Gangster noch mal zu sprechen kommen«, meinte der Anwalt seufzend. »Also sagen Sie schon, was Sie auf dem Herzen haben!«

      »Vielleicht wollte Mister Bradsen sich nur vergewissern, daß er Sie und meine bescheidene Wenigkeit zu Hause antrifft, Sir.«

      »Okay, angenommen, das stimmt, Parker. Was wollen Sie dagegen tun?«

      »Man könnte und müßte gewisse Vorkehrungen treffen, Sir.«

      »Und

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