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gedacht!«

      *

      »Nun, was kann ich für dich tun, mein lieber James?« erkundigte sich Lady Agatha am Abend etwas zerstreut bei ihrem Tischnachbarn, während sie hingebungsvoll die schwere, in dunkles Leder gebundene Speisekarte studierte und sich dabei immer wieder in Vorfreude mit der Zunge über die Lippen fuhr.

      Sir James Ballard, ein guter Bekannter und Geschäftsfreund ihres verstorbenen Gatten, hatte sie am Nachmittag angerufen und förmlich um ein Treffen angefleht. Da er als Treffpunkt eines der besten Londoner Restaurants vorgeschlagen und ausdrücklich betont hatte, daß er alle Kosten übernehme, war Agatha Simpson die Zusage nicht schwergefallen.

      »Ich habe da ein kleines Problem, meine liebe Agatha, und da ich hörte, daß du dich recht erfolgreich mit der Aufklärung von Kriminalfällen befaßt ...«

      »Ich kann mich einfach nicht entscheiden«, unterbrach die Detektivin Sir James. »Wie soll ein Mensch nur unter all diesen Köstlichkeiten wählen können?«

      »Bitte, Agatha, würdest du mir vielleicht einen Augenblick zuhören?« beschwerte sich ihr Gastgeber und sah sie gereizt an. »Schließlich habe ich dich eingeladen, weil...«

      »Das war sehr nett von dir, mein Lieber«, bedankte sich die ältere Dame und nickte ihm freundlich zu. »Ich werde mich erkenntlich zeigen und es mir ordentlich schmecken lassen, damit du siehst, daß ich deine Einladung zu würdigen weiß.«

      »Das kannst du meinetwegen tun, Agatha, aber nun hör mit bitte endlich zu, ja?« Ballard war am Ende seiner Geduld und zeigte deutlich Nerven.

      »Nun reiß dich mal zusammen, James, so schlimm kann es doch wirklich nicht sein!« räsonierte die Detektivin, während ihre Blicke wohlgefällig die Speisekarte auf und ab schweiften.

      »Man bedrohte mich, Agatha, man will meinen Besitz niederbrennen, wenn ich nicht fünfzigtausend Pfund zahle!« klagte Ballard und starrte finster vor sich hin.

      »Papperlapapp, du hast es ja, mein lieber James ... Was sind schon fünfzigtausend für dich?!« tröstete die Lady ihn und entschied sich für ein kleines Potpourri, da sie sich nicht für ein Menü allein entscheiden konnte.

      »Ich muß doch sehr bitten, Agatha!« Sir James war ungehalten und blickte seine Tischnachbarin entrüstet an.

      »Also gut, wer will dich zur Kasse bitten?« seufzte Lady Agatha und riß sich von der Speisekarte los. »Du läßt mir ja doch keine Ruhe, bis du mir alles erzählt hast, fürchte ich.«

      »Dieser Robin Hood und seine Banditen!« stöhnte Sir James. »Vor einigen Tagen erschienen sie auf meinem Landsitz und stellten mich vor die Wahl, entweder bis zum Wochenende zu zahlen oder mein Anwesen in Flammen aufgehen zu sehen.«

      »Robin Hood? Wie interessant!« fand die Lady, während sie Parker, der sehr zu seinem Kummer neben ihr saß, ihre Wünsche mitteilte. »Der Bursche scheint ja recht umtriebig zu sein.«

      »Du kennst den Kerl?« erkundigte sich Sir James hoffnungsvoll. »Hat er dich etwa auch bedroht?«

      »Das möchte ich ihm nun wirklich nicht raten«, grollte die Detektivin und lachte aus vollem Hals. »Bei mir käme er an die Falsche, das garantiere ich dir! Aber das weiß er sicher auch, und deshalb traut er sich gar nicht erst an mich heran.«

      »Na, ich weiß nicht.« James Ballard zeigte sich skeptisch. »Allein aus meinem näheren Bekanntenkreis werden vier oder fünf Leute von diesem Strolch bedroht, soweit ich gehört habe.«

      »Nannte Mister Hood eine Begründung für seine Forderung?« erkundigte sich Parker gemessen.

      »Er erzählte etwas von der Ausbeuterklasse, der wir angehören und die jetzt selbst an der Reihe wäre, ausgenommen zu werden. Na, Sie kennen ja diese pseudoklassenkämpferische Ausdrucks weise.«

      »Haben Sie die Absicht, zu zahlen, Sir?« fuhr Parker mit seiner Befragung fort, während er sich erhob und dem Kellner entgegensah, der gerade einen Servierwagen mit Myladys Bestellung heranrollte. Selbstverständlich ließ es der Butler nicht zu, daß jemand anderes als er selbst seiner Herrin vorlegte, das hätte sein Berufsethos nie und nimmer zugelassen. Er nickte seinem »Kollegen« freundlich, aber distanziert zu und servierte Lady Agatha stil- und formgerecht.

      »Natürlich nicht, deshalb habe ich mich ja an Lady Simpson gewandt«, beantwortete Sir James die Frage und widmete sich nun gleichfalls seinem gerade von Parker vorgelegten Essen. »Ich hoffe wirklich, meine Liebe, daß dein diesbezüglicher Ruf halbwegs der Wahrheit entspricht.«

      »Worauf du dich verlassen kannst, James.« Agatha Simpson winkte energisch mit ihrer Gabel und befaßte sich dann mit einem delikaten Kalbsmedaillon, das sie förmlich anflehte, endlich verspeist zu werden.

      »Wir wünschen den Herrschaften guten Appetit!« dröhnte in diesem Augenblick eine Stimme vom Eingang her, der ein rauhes Lachen folgte. Die Köpfe der Restaurantbesucher fuhren von ihren Tellern hoch und wandten sich der schweren Tür zu, die gerade eben krachend ins Schloß fiel und deutlich hörbar verriegelt wurde.

      »Was soll dieser Lärm, Mister Parker?« grollte die Detektivin, ohne sich beim Essen stören zu lassen. »Wer wagt es, mich ausgerechnet jetzt zu unterbrechen?«

      »Ein gewisser Mister Robin Hood mit Gefolge, Mylady. Man scheint die Absicht zu haben, die Anwesenden um ihr Hab und Gut zu bringen.«

      »Aber doch nicht während des Essens! Was sind denn das für Manieren?« wunderte sich die ältere Dame und aß ungerührt weiter. »Ich denke, dafür werde ich die Lümmel nachher etwas ohrfeigen. Erinnern Sie mich daran, Mister Parker!«

      »Wie Mylady zu wünschen geruhen«, äußerte Parker, ohne eine Miene zu verziehen, während er die bunte Gesellschaft, die sich langsam von Tisch zu Tisch vorarbeitete und immer näher kam, aufmerksam beobachtete.

      *

      »Na, Alterchen, hauen wir uns wieder mal den Kaviar rein?« erkundigte sich ein Hüne in zerrissener Kleidung bei einem älteren Gast am Nebentisch und hieb mit einem Knüppel auf die Tischplatte. Schüssel und Teller sprangen hoch und verteilten ihren Inhalt auf das bis dahin strahlendweiße Damasttuch, das anschließend dringend einer Wäsche bedurfte. Der ältere Gast zuckte zusammen und griff stöhnend an die Herzgegend.

      »Du hast doch nicht etwa Schwierigkeiten, Opa?« Der Hüne ergriff eine Champagnerflasche und goß ihren Inhalt über den Kopf des Gastes. »Das wird dich erfrischen, Mann, das bringt dich wieder auf die Beine!« grölte er und lachte dröhnend.

      Dann erspähte er den Tisch der Lady und kam zielstrebig darauf zu. Stirnrunzelnd musterte er Agatha Simpson, die sich nicht stören ließ und unbeirrt weiteraß.

      »Du merkst gar nicht, was um dich vorgeht, was?« erkundigte er sich mit drohendem Unterton in der Stimme und langte zu. Er hatte die Absicht, sich ein Stück Fleisch von Myladys Teller zu nehmen und die Dame zu verärgern.

      Die Detektivin wiederum entschied sich zufälligerweise zur gleichen Zeit für das besagte Stück Fleisch und wollte es mit ihrer Gabel aufspießen. Dabei kam es zu einer kleinen Interessenkollision, die Mylady souverän zu ihren Gunsten entschied. Die spitzen Zinken der Gabel bohrten sich nachdrücklich in den Handrücken des Hünen und verursachten dort einigen Schmerz.

      Der verhinderte Fleischdieb schrie laut und zog die malträtierte Hand hastig zurück. Dabei kam er dem Messer der Lady in die Quere, das sich gerade auf das erwähnte Fleisch senken wollte. Auch dieses Instrument trug nicht zum Wohlbefinden des Hünen bei. Die Schneide zog eine feine rote Linie und ließ den Mann ein zweites Mal aufschreien.

      Lady Agatha sah unwillig hoch, musterte kopfschüttelnd den Schreihals und setzte ungerührt ihre Mahlzeit fort.

      Inzwischen stand der Riese neben ihrem Tisch und schlenkerte aufgeregt mit der Hand durch die Luft. Er rollte mit den Augen und bedachte die Detektivin mit ausgesuchten Flüchen, die sie wohlgefällig zur Kenntnis nahm.

      »Notieren Sie die Äußerungen des jungen Mannes, Mister Parker«, bat sie, während sie sich über einen delikaten Lobsterschwanz

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