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schönreden. Das, was sie wollte, unterschied sich ganz gewaltig von dem, was für ihn im Fokus stand.

      Doch nein, darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Lars war gekommen!

      Und warum hatte sie törichterweise überhaupt die Frage gestellt, warum er gekommen war. Als wenn das von Bedeutung war.

      Er zögerte ein wenig, trank einen Schluck des köstlichen Rotweins, den sie beide liebten, sagte, wie herrlich er doch schmecke, dann blickte er sie an. Und in seinem Blick lag so viel Liebe, dass Roberta eine Gänsehaut bekam.

      »Es gibt einen Grund für mein Hiersein, und das hat sich mehr als kurzfristig ergeben. Ich habe morgen einen Termin, und dann muss ich auch schon wieder weg. Doch ich möchte jetzt noch nicht darüber reden, weil mir, ehrlich gesagt, alles ein wenig verworren vorkommt. Warum also über ungelegte Eier reden?«

      Er machte eine kleine Pause.

      »Ich bin so glücklich, dich bei dieser Gelegenheit sehen zu dürfen, und ich pfeife auf unsere Vereinbarung. Roberta, ich liebe dich so sehr. Und ich habe eine wahnsinnige Angst davor, dich zu verlieren. Es hat sich da bei uns etwas eingeschlichen, was mir Unbehagen verursacht, etwas, was unserer Beziehung die Leichtigkeit, die Unbeschwertheit nimmt. Was ist geschehen? Ich habe keine Ahnung, und ich habe dir doch auch von Anfang an nichts vorgemacht. Ich habe offen und ehrlich gesagt, wer und wie ich bin. Und an meiner Liebe zu dir hat sich nichts verändert, im Gegenteil, sie ist größer und inniger geworden. Du bist meine Traumfrau, und ich …«

      Plötzlich erklang ein klägliches Wimmern, Lars verstummte und Roberta sprang wie von der Tarantel gestochen auf und rannte dorthin, woher das Geräusch gekommen war.

      Philip …

      Auf Zehenspitzen lief sie in das Zimmer. Der Kleine schlief.

      Er musste schlecht geträumt haben.

      Roberta hob den Teddy auf, der auf den Fußboden gefallen war, legte ihn neben Philip auf das Kopfkissen, dann deckte sie ihn wieder zu. Er hatte sie aufgestrampelt. Danach strich sie ihm behutsam über das strubbelige Haar und verließ wieder auf Zehenspitzen den Raum. Ehe sie den verließ, warf sie einen zärtlichen Blick auf das Kind.

      Sie war nur eine kurze Zeit weg gewesen, doch alles schien verändert.

      Lars hatte einen verbissenen Gesichtsausdruck, und das Schweigen, das plötzlich zwischen ihnen herrschte, wirkte belastend.

      Zumindest auf Roberta.

      Er knüpfte nicht mehr an das an, was er vorher gesagt hatte.

      Es gab keine weiteren liebevollen und zärtlichen Worte. Jetzt schwieg Lars beinahe trotzig.

      Um das Schweigen zu durchbrechen, und um überhaupt etwas zu sagen, bemerkte Roberta: »Philip scheint nur schlecht geträumt zu haben.«

      Er sagte nichts, zuckte die Achseln.

      Das Schweigen begann beklemmend zu werden.

      »Lars, der Kleine ist nun mal vorübergehend hier, und ich muss mich um ihn kümmern, bin für ihn verantwortlich.«

      »Warum erzählst du mir das jetzt? Ich weiß von dem Kind, und ich habe doch überhaupt nichts gesagt.«

      »Was soll ich denn dazu sagen?«, begehrte er auf. »Meine Meinung kennst du, daran hat sich nichts verändert. Ich finde es nach wie vor mehr als nur grenzwertig, dass eine Frau in deiner Position plötzlich Babysitterin spielt.«

      »Wäre ich nicht eingesprungen, hätte Trixi diesen Auslandsjob nicht annehmen können«, versuchte sie sich zu rechtfertigen, weil sie spürte, dass die Stimmung zwischen ihnen immer mehr kippte.

      Er warf ihr einen erbitterten Blick zu.

      »Roberta, ich bitte dich. Dafür bist du doch nicht zuständig. Es gibt Institutionen, wo man ein Kind vorübergehend parken kann. Und wenn nicht, dann hätte deine Freundin Trixi eben daheim bleiben müssen, so einfach ist das. Ehe man Kinder bekommt, muss man sich vorher entscheiden, was wichtiger ist, Karriere oder ein Kind. Beides geht nicht. Aber darüber möchte ich jetzt nicht wieder diskutieren. Das letzte Mal hatten wir deswegen Krach, und das möchte ich nicht erneut riskieren. Roberta, ich möchte wirklich …«

      Wieder erklang ein Wimmern. Doch diesmal schien Philip wachgeworden zu sein. Richtig, denn es dauerte nicht lange, da kam er, den Teddy unter den Arm geklemmt, ohne den überhaupt nichts ging bei ihm, ins Zimmer getappt.

      Roberta sprang auf, eilte auf Philip zu, nahm ihn in die Arme, hob ihn zu sich empor, und er legte sofort vertrauensvoll seine Ärmchen um ihren Hals.

      »Was war denn los, mein Herz?«, erkundigte sie sich sanft. »Hast du schlecht geträumt?«

      Er nickte.

      »Dann bringe ich dich jetzt wieder in dein Bettchen, und ich bleibe bei dir, bis du wieder eingeschlafen bist, ja, mein Liebling?«

      Wieder nickte Philip.

      Roberta warf Lars einen entschuldigenden Blick zu, ehe sie Philip zurück ins Bett brachte.

      Für Situationen wie diese gab es kein perfektes Timing. Sie hatte es sich nicht ausgesucht, doch sie hatte überhaupt keine andere Wahl. Ein Traum hatte den Jungen aufgeschreckt, und da konnte sie ihn doch jetzt nicht sich selbst überlassen.

      Sie legte ihn ins Bett, sprach beruhigend auf ihn ein, strich über sein Gesichtchen, seine Haare.

      Das gefiel Philip, und er schenkte ihr ein anrührendes Lächeln, bei dem die Sonne aufzugehen schien, ehe er wieder einschlief, ihre Hand fest umklammernd.

      Roberta wartete noch eine Weile, bis sie ganz sicher sein konnte, dass Philip tatsächlich schlief. Dann machte sie sich aus seiner Umklammerung frei, warf ihm einen letzten zärtlichen Blick zu, ehe sie das Zimmer wieder verließ.

      Sie würde es Lars erklären, er musste es verstehen, es zumindest versuchen.

      Als Roberta ins Wohnzimmer kam, war von Lars nichts zu sehen. Sein Weinglas war noch fast gefüllt. Sie vermutete, er sei zur Toilette gegangen, doch dann entdeckte sie den Zettel auf dem Tisch, den er irgendwo herausgerissen hatte.

      Sorry, ich hatte mir unser Wiedersehen anders vorgestellt. Diese Nummer mit dem Kind, das kann ich nicht. Bleiben wir lieber bei der vereinbarten Auszeit – Lars.

      Nichts von Liebe, kein versöhnliches Wort. Lars war gekränkt, und er hatte überhaupt kein Verständnis für Kinder. Das war nicht unbekannt, doch jetzt hatte sie die Bestätigung.

      Kälte breitete sich in ihr aus und eine unendliche Traurigkeit. Sie sah den Abgrund, dem sie entgegensteuerten. Aber es gab nichts, womit sich dieser Sturz aufhalten ließ. Ihre Lebensperspektiven, ihre Vorstellungen von einem Miteinander, drifteten immer mehr auseinander.

      Das hatte nichts mit Philip zu tun. Durch seine Anwesenheit wurde der Prozess nur noch beschleunigt. Selbst wenn sie ihren Wunsch nach dem Ring an ihrem Finger, nach einem Zusammenleben, nach Kindern zurückstellen würde. Lars würde weiterhin ein Getriebener sein, den es hinauszog. Er war jemand, der, wie man so schön sagte, sein Ding machte. Und sie war für ihn so etwas wie ein Sahnehäubchen, das man nicht immer in seinem Leben brauchte, doch wenn, dann war es angenehm, dann genoss man es. Vielleicht tat sie ihm unrecht. Sie wollte es vielmehr glauben, dass es so war.

      Dass er jetzt einfach gegangen war, das war beinahe schon pubertär.

      Sie war wie erstarrt. Er hatte sie kurzzeitig in den Himmel gehoben, und dann hatte er einfach losgelassen und sie war böse auf dem Boden aufgeschlagen. Auf dem Boden der Tatsachen.

      Lars Magnusson war in erster Linie ein einsamer Wolf. Er brauchte niemanden, er konnte auch gut ohne sie. Denn sie war sich so sicher, dass er nicht immer so lange unterwegs sein musste, dass er früher zurückkehren könnte. Er wollte es nicht, weil nicht sie an erster Stelle in seinem Leben war, sie war, wenn sie Glück hatte, die Nummer Zwei.

      Diese Erkenntnis war nicht neu für sie, warum traf es sie heute ganz besonders?

      Weil sein Besuch unverhofft gekommen war, weil

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