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sie, dann ging sie ins Schloss hinein, steuerte direkt auf den Gelben Salon zu, wo sich der Besucher aus seinem Sessel erhob.

      Es war Enno von Beyen!

      »Hallo, Enno, das ist eine Überraschung«, rief Alexandra, »du hättest dich anmelden können, dann wäre dir eine lange Wartezeit erspart geblieben.«

      Er ging auf ihren unverbindlichen Plauderton nicht ein, begrüßte sie auch gar nicht erst, sondern polterte direkt los: »Alexandra, wie kannst du es wagen, mich zu verunglimpfen.«

      Irritiert blickte sie ihn an.

      Wie war Enno denn drauf?

      »Dich verunglimpfen?«, wiederholte sie seine Worte. »Tut mir leid, aber ich weiß nicht, was du damit meinst. Kannst du dich klarer ausdrücken? Und am besten setzt du dich wieder.«

      Sie nahm auf einem Sessel Platz, er stand aber weiter da, baute sich jetzt vor ihr auf.

      »Als wenn du nicht wüsstest, worum es geht«, seine Stimme war laut. »Was hast du eigentlich deiner Schwester Sabrina für einen Quatsch über mich erzählt?«

      Ach, darum ging es!

      Jetzt wusste Alexandra Bescheid!

      »Enno, setz dich erst mal«, forderte sie ihn auf, »es beeindruckt mich nicht, wenn du wie ein Racheengel vor mir stehst. Es ist nur ungesellig.«

      Er folgte ihrer Aufforderung, setzte sich wieder.

      »Und?«, er sah sie herausfordernd an.

      »Ja, es stimmt, dass ich Sabrina etwas erzählt habe. Aber das war kein Quatsch, mein Lieber. Ich wurde ganz unfreiwillig und zufällig Zeugin eines Gesprächs, in dem es um eine Hypothek für Schloss Beyen ging …, eine Hypothek, die meine Bank dir, wie mehrere Banken zuvor, nicht geben will. Das habe ich Sabrina im Vertrauen erzählt, mit der Bitte, mit niemandem darüber zu sprechen, nur mit dir. Ich habe sie sogar gebeten, dir ins Gewissen zu reden. Dein Verhalten ist doch nicht normal, es ist unverantwortlich. Menschenskind, Enno, deine Eltern haben dir ein beachtliches Vermögen hinterlassen, das du mit vollen Händen für Feste, rauschende Bälle und spektakuläre Events ausgegeben hast.«

      »Ich kann mit meinem Geld machen was ich will«, bemerkte Enno mit trotzig klingender Stimme.

      In diesem Augenblick kam er ihr vor wie ein unmündiger Knabe, und so benahm er sich auch.

      »Klar, kannst du das, Enno«, erwiderte Alexandra. »Und eigentlich kann es mir auch vollkommen wurscht sein. Aber ich mag dich, und ich bin voller Sorge, denn wenn du so weitermachst wie bisher, dann wird dir bald nichts mehr gehören, dann kommt auch Schloss Beyen unter den Hammer … Enno, wenn deine Eltern das wüssten, die würden sich im Grabe herumdrehen, und all deine sogenannten Freunde«, Alexandra blickte ihn ernst an, ehe sie mit beschwörend klingender Stimme fortfuhr: »Enno, die werden dich verlassen wie die Ratten das sinkende Schiff. Von denen wird dir keiner mehr bleiben.«

      Er blickte geflissentlich nach draußen.

      »Aber ich habe wenigstens Spaß gehabt.«

      Welch törichte Antwort!

      Am liebsten wäre Alexandra aufgestanden, zu ihm gegangen, und hätte ihn kräftig geschüttelt.

      »Man kann auch Spaß haben, ohne dafür ein Vermögen ausgeben zu müssen …, in erster Linie, mein lieber Enno, bist du der letzte Spross eines alten Adelsgeschlechts. Die Freiherren von Beyen waren stets untadelig, sie haben das Erbe für die nächste Generation bewahrt. Schloss Beyen war immer eure Heimat. Das Vermögen hast du verprasst. Willst du jetzt auch noch das Schloss aufs Spiel setzen, nur um rote, grüne, blaue oder weiße Feste feiern zu können? Enno, halte inne, besinn dich, fange endlich an Verantwortung zu übernehmen.«

      Nach diesen beschwörenden Worten war es eine Weile still.

      Enno war es, der zu sprechen begann: »War es das?«, wollte er wissen. »Bist du fertig, Frau Lehrerin?«

      Warum ereiferte sie sich eigentlich?

      Um sich dann ein solches pubertäres Gefasel anzuhören?

      »Ja, Enno, ich bin fertig. Entschuldige, dass ich überhaupt etwas gesagt habe.«

      »Mein Gott, nun spiel doch jetzt nicht gleich die beleidigte Leberwurst.«

      Darauf antwortete Alexandra ihm nicht. Was sollte sie dazu auch sagen?

      Enno von Beyen lenkte ein.

      »Tut mir leid, Alexandra, das hätte ich jetzt wohl nicht sagen sollen.«

      »Okay, Enno, sind wir quitt. Ich hätte dir auch keine Vorhaltungen machen dürfen. Es geht mich nichts an, was du mit deinem Leben machst.«

      »Ist ja lieb, dass du dir meinetwegen Gedanken machst, Alexandra. Aber es kann nicht jeder so sein wie du, immer voller Verantwortung, immer auf den guten Ruf der Waldenburgs bedacht. Kommst du deswegen nicht zu meinen Festen, weil es da immer hoch hergeht und die meisten meiner Gäste mit dem Adel nichts am Hut haben?«

      »Ja, der gute Ruf meiner Familie ist mir sehr wichtig, aber ich glaube nicht, dass er auf deinen Festen Schaden nehmen würde. Es ist einfach nur so, dass ich mir aus solchen Events nichts mache, über die in allen Glanzzeitschriften geschrieben wird, weil sie so gigantisch waren und weil alles dabei war, was zu der sogenannten Society zählt. Weißt du, da mache ich lieber einen Waldspaziergang oder reite mit meinem Pferd aus. Das gibt mir etwas …«

      »Du kannst dich auf Waldenburg aber auch nicht abkapseln, meine Liebe. Das Leben vergeht viel zu schnell, und irgendwann fragst du dich, ob das alles gewesen ist und trauerst all den wundervollen nicht gelebten Gelegenheiten nach.«

      Jetzt musste Alexandra lachen.

      »Also, lieber Enno, mach dir mal um mich keine Sorgen. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, und das Tanzbein kann ich auf den zahlreichen Veranstaltungen schwingen, zu denen ich verpflichtet bin zu gehen, als Gräfin Waldenburg.«

      »Das kannst du ja wohl nicht mit dem vergleichen was ich veranstalte.«

      »Nein, aber das genügt mir, ich bewege mich in den Kreisen, in denen es dezent zugeht und wo keine Fotografen zugelassen sind.«

      »Und wo es spießig und langweilig ist. Ich weiß doch, wie es da zugeht, denn ich musste meine Eltern immer begleiten und konnte mir die Baronessen, Komtessen, Freierinnen, mit denen man mich bei diesen Gelegenheiten verkuppeln wollte, gar nicht schön genug trinken.«

      »Und bei den Starletts, Models und Filmsternchen musst du das nicht?«

      Er lachte.

      »Na, die sind lockerer, attraktiver, und sie vergöttern mich wegen meines Namens und des Schlosses, das ich bewohne.«

      »Noch, Enno, noch bewohnst du es.«

      Er stand auf.

      »Weißt du, Alexandra, so prickelnd ist es nun auch wieder nicht, in einem so alten Kasten zu wohnen. Der Unterhalt verschlingt ein Vermögen, und andauernd ist etwas kaputt …, du siehst ja, nicht einmal die Banken wollen Kohle dafür herausrücken.«

      »Ich glaube, mein lieber Enno, das hat nichts mit dem Schloss zu tun, das würden die Banken gewiss beleihen. Sie machen sich wohl eher Sorgen darum, dass du die Hypothekenraten nicht bezahlen kannst. Wovon auch? Banken sind da sehr penibel, und wie ich aus dem wirklich unfreiwillig mitgehörten Gespräch entnehmen konnte, hast du keine regelmäßigen Einnahmen.«

      »Ich werde die Kerle verklagen wegen Verletzung des Bankgeheimnisses«, begehrte er auf.

      »Enno, dreh jetzt keinen Film daraus. Die Herren wähnten sich ungestört, und das wären sie ja auch gewesen, wenn nicht dummerweise jemand die Lautsprecheranlage nicht ausgeschaltet hätte. So etwas kann doch mal passieren. Außer mir hat es niemand gehört, und ich werde ganz bestimmt nicht mit meinem Wissen hausieren gehen. Vielleicht musste ich es ja mithören, Enno, um dich zu bitten, über deinen Lebenswandel nachzudenken. Ich meine es ehrlich mit dir, weil ich dich mag. Enno, du hast dich doch wohl jetzt genug ausgetobt, mache um deiner Familie

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