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war der Bank schon über anderthalb Millionen schuldig, der Kohlenmann vom Zderaz ungefähr eine Million, der Hausmeister aus dem ›Hundertjährigen Kaffeehaus‹ achthunderttausend Kronen, ein Mediziner über zwei Millionen. In der Geldschüssel allein waren über dreihunderttausend auf lauter Papierschnitzeln. Der alte Wejwoda hats verschieden probiert. Er is fort aufn Abort gegangen und hats Blatt immer einem andern gegeben, daß ers für ihn nimmt, und wenn er zurückgekommen is, hat der ihm gemeldet, daß er gewonnen hat, daß er einundzwanzig gezogen hat. Sie ham um neue Karten geschickt, und es hat wieder nichts genützt. Wenn der Wejwoda auf fünfzehn stehngeblieben is, so hat der andere vierzehn gehabt. Alle ham den alten Wejwoda wütend angeschaut, und am meisten hat ein Pflasterer geschimpft, der alles in allem bare acht Kronen hineingegeben hat. Der hat offen erklärt, daß so ein Mensch, wie der Wejwoda, nicht in der Welt herumlaufen sollt und daß man ihn verdreschen, herauswerfen und wie einen jungen Hund ersäufen sollt. Sie können sich nicht die Verzweiflung vom alten Wejwoda vorstelln. Schließlich is er auf einen Einfall gekommen. ›Ich geh aufn Abort‹, sagt er zum Schornsteinfeger, ›nehmen Sie für mich, Herr Meister.‹ Und nur so, ohne Hut, is er auf die Gasse gelaufen, direkt in die Myslikgasse um die Polizei. Er hat eine Patrouille gefunden und hat ihr angezeigt, daß man in dem und dem Gasthaus Hasard spielt. Die Polizisten ham ihn aufgefordert, er soll vorausgehn, daß sie ihm gleich nachkommen. Er is also zurückgekommen, und man hat ihm gemeldet, daß der Mediziner indessen über zwei Millionen verspielt hat und der Hausmeister über drei. Und daß sie in die Bank eine Gutschrift auf fünfhunderttausend Kronen gegeben ham. In einer Weile sind die Polizisten hineingestürzt, der Pflasterer hat aufgeschrien: ›Rette sich, wer kann!‹, aber es hat nichts genützt. Sie ham die Bank beschlagnahmt und alle auf die Polizei geführt. Der Kohlenmann von Zderaz hat sich widersetzt, so hat man ihn in der Gemeindetruhe hingeschafft. In der Bank war in Schuldverschreibungen über eine halbe Milliarde und an barem Geld fünfzehnhundert.

      ›So was hab ich noch nie gefressen‹, hat der Polizeiinspektor gesagt, wie er diese schwindelhaften Summen gesehen hat, ›das da is ärger als in Monte Carlo.‹

      Alle, bis auf den alten Wejwoda, sind bis früh dort geblieben. Den Wejwoda als Angeber ham sie freigelassen und ham ihm versprochen, daß er ein gesetzliches Drittel als Belohnung für die beschlagnahmte Bank kriegen wird, ungefähr über hundertsechzig Millionen, er is aber bis früh davon verrückt geworn, is in Prag herumgegangen und hat feuerfeste Kassen aufs Dutzend bestellt. Das nennt man Glück in den Karten.«

      Dann kochte Schwejk Grog, und die Szene endete damit, daß der Feldkurat, als es Schwejk in der Nacht gelang, ihn mit Anstrengung ins Bett zu schaffen, Tränen vergoß und weinte.

      »Ich hab dich verkauft, Kamerad, schändlich verkauft, verfluch mich, prügel mich, ich halte still. Ich hab dich den Bestien vorgeworfen. Ich kann dir nicht in die Augen schauen. Kratz mich, beiß mich, bring mich um. Ich verdien nichts Besseres. Weißt du, was ich bin?«

      Und der Feldkurat, das verweinte Gesicht in die Kissen pressend, sagte leise, mit zarter, weicher Stimme: »Ich bin ein charakterloser Schuft«, und schlief ein, als hätte man ihn ins Wasser geworfen.

      Am nächsten Tag ging der Feldkurat, Schwejks Blicken ausweichend, zeitig früh fort und kehrte erst in der Nacht mit einem dicken Infanteristen zurück.

      »Zeigen Sie ihm, Schwejk«, sagte er, wiederum Schwejks Blicken ausweichend, »wo was liegt, damit er orientiert ist, und bringen Sie ihm bei, wie man Grog kocht. Früh melden Sie sich bei Oberleutnant Lukasch.«

      Schwejk und der neue Mann verbrachten die Nacht angenehm mit dem Kochen von Grog. Gegen früh konnte sich der dicke Infanterist kaum auf den Füßen halten und summte nur ein merkwürdiges Durcheinander von verschiedenen Nationalliedern vor sich hin, die er miteinander vermengte: »An Chodow vorbei fließt ein Wässerlein, meine Liebste schenkt dort rotes Bier, Berg, Berg, wie bist du hoch, Jungfern gingen übern Steg, am Weißen Berge ackert der Bauer.«

      »Um dich hab ich keine Angst«, sagte Schwejk, »mit so einer Begabung wirst du dich beim Feldkuraten halten.«

      So geschah es, daß an diesem Vormittag Oberleutnant Lukasch zum erstenmal das ehrliche und aufrichtige Gesicht des braven Soldaten Schwejk erblickte, der ihm meldete: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich bin der Schwejk, den, was der Herr Feldkurat in den Karten verspielt hat.«

      II

      Die Institution der Offiziersdiener ist uralten Ursprungs. Es scheint, daß schon Alexander von Mazedonien seinen »Putzfleck« hatte. Sicher jedoch ist, daß zur Zeit des Feudalismus die Söldner der Ritter diese Rolle spielten. Was war der Sancho Pansa des Don Quijote? Es wundert mich, daß die Geschichte der Offiziersdiener bisher nicht geschrieben wurde. Sie würde uns darüber aufklären, daß der Herzog von Almavira seinen Soldatendiener bei der Belagerung Toledos ohne Salz aufgegessen hat, worüber der Herzog selbst in seinen Memoiren schreibt, wobei er erzählt, daß sein Diener ein zartes, mürbes, sehniges Fleisch hatte, das im Geschmack an etwas zwischen Huhn und Esel erinnerte.

      In einem alten schwäbischen Buch über die Kriegskunst finden wir auch Winke für Offiziersdiener. Der Putzfleck alter Zeiten sollte fromm, tugendhaft, wahrheitsliebend, bescheiden, tapfer, kühn, ehrlich, arbeitsam sein. Kurz, das Muster eines Menschen. Die Neuzeit hat an diesem Typus viel geändert. Der moderne »Pfeifendeckel« pflegt für gewöhnlich weder fromm noch tugendhaft und auch nicht wahrheitsliebend zu sein. Der moderne Putzfleck lügt, betrügt seinen Herrn und verwandelt dessen Leben häufig in eine wahre Hölle. Er ist ein schlauer Sklave, der die mannigfachsten Tricks ersinnt, um seinem Herrn das Leben zu verbittern.

      In dieser neuen Generation von Offiziersdienern gibt es nicht so opferwillige Geschöpfe, die sich von ihren Herren ohne Salz auffressen lassen würden wie der edle Fernando des Herzogs von Almavira. Anderseits sehen wir, daß die mit ihren Dienern der Neuzeit auf Tod und Leben kämpfenden Gebieter die mannigfachsten Mittel anwenden, um ihre Autorität zu wahren. Es pflegt dies eine Art der Schreckensherrschaft zu sein.

      Im Jahre 1912 fand in Graz ein Prozeß statt, in dem ein Hauptmann, der seinen Putzfleck mit Fußtritten zu Tode gemartert hatte, eine bedeutende Rolle spielte. Der Hauptmann wurde damals freigesprochen, weil er es erst zum zweitenmal getan hatte. Nach den Ansichten dieser Herren hat das Leben eines Putzflecks keinen Wert. Er ist bloß ein Gegenstand, in vielen Fällen ein Watschenmann, ein Sklave, ein Mädchen für alles. Es ist daher kein Wunder, daß eine solche Stellung vom Sklaven Pfiffigkeit und Schlauheit verlangt. Seine Stellung auf unserem Planeten kann man nur mit den Leiden der Pikkolos aus alten Zeiten vergleichen, die durch Ohrfeigen und Martern zur Gewissenhaftigkeit erzogen wurden.

      Es gibt jedoch Fälle, in denen sich ein Putzfleck zum Favoriten aufschwingt, und dann wird er zum Schrecken der Kompanie, des Bataillons. Alle Unteroffiziere bemühen sich, ihn zu bestechen. Er entscheidet über den Urlaub, er kann sich dafür einsetzen, daß es beim Rapport gut ausfällt…

      Diese Favoriten pflegten während des Kriegs mit den großen und kleinen silbernen Tapferkeitsmedaillen belohnt zu werden.

      Beim 91. Regiment habe ich einige gekannt. Ein Putzfleck bekam die Große Silberne, weil er fabelhaft Gänse zu braten verstand, die er stahl. Ein zweiter bekam die Kleine Silberne, weil man ihm von zu Hause wunderbare Lebensmittelpakete schickte, an denen sich sein Herr zur Zeit der größten Not so überstopfte, daß er nicht gehen konnte.

      Und den Vorschlag zur Auszeichnung stilisierte sein Gebieter folgendermaßen: »Dafür, daß er in den Kämpfen eine ungewöhnliche Tapferkeit und Kühnheit an den Tag legte, sein Leben aufs Spiel setzte und seinen Offizier unter dem scharfen Feuer des vorrückenden Feindes keinen Augenblick verließ.«

      Und inzwischen plünderte der zur Auszeichnung Vorgeschlagene irgendwo im Hinterland die Hühnerhöfe aus. Der Krieg veränderte das Verhältnis des Putzflecks zu seinem Herrn und machte ihn zum verhaßtesten Geschöpf der Mannschaft. Der Putzfleck bekam immer eine ganze Konserve, wenn eine für je fünf Mann verabreicht wurde. Seine Feldflasche war immer voll Rum oder Kognak. Den ganzen Tag kaute ein solches Geschöpf Schokolade und süßen Offizierszwieback. Es rauchte die Zigaretten seines Offiziers, schmorte und kochte stundenlang und trug eine Extrabluse.

      Der

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