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Er ist eine sonnige Erscheinung, das wird mir niemand ausreden. Auch den heiligen Josef schätz ich mir, alle Heiligen schätz ich mir, bis auf den heiligen Serapion. Er hat so einen häßlichen Namen.«

      »Er sollt um Änderung ansuchen«, bemerkte Schwejk.

      »Die heilige Ludmilla hab ich lieb und den heiligen Bernhard«, fuhr der ehemalige Katechet fort, »der hat viele Pilger am heiligen Gotthard gerettet. Er hat am Hals eine Flasche mit Kognak und sucht die vom Schnee Verwehten auf.«

      Die Unterhaltung schlug eine andere Richtung ein. Der fromme Kurat begann wirr durcheinanderzureden: »Die unschuldigen Kinder schätz ich mir, sie haben ihren Feiertag am 28. Dezember. Herodes haß ich. Wenn die Henne schläft, kann man keine frischen Eier bekommen.«

      Er brach in ein Gelächter aus und fing an zu singen: »Heiliger Gott, heiliger, starker.«

      Er brach jedoch sofort wieder ab, wandte sich an Katz und fragte scharf: »Sie wissen nicht, daß der 15. August ›Mariens Himmelfahrt‹ ist?«

      Die Unterhaltung war in vollem Gang. Weitere Flaschen tauchten auf, und von Zeit zu Zeit ließ Katz sich vernehmen: »Sag, daß du nicht an Gott glaubst, sonst gieß ich dir nicht ein.«

      Es schien, daß die Zeiten der Verfolgung der ersten Christen wiedergekehrt seien. Der ehemalige Katechet sang ein Lied der Märtyrer der römischen Arena und brüllte: »Ich glaube an Gott, ich verleugne ihn nicht. Laß dir deinen Wein. Ich kann mir selbst um Wein schicken.«

      Zu guter Letzt brachten sie ihn zu Bett. Bevor er einschlief, erklärte er, die Rechte zum Eid erhebend: »Ich glaube an Gott Vater, an Gott Sohn und den Heiligen Geist. Bringt mir das Brevier.«

      Schwejk steckte ihm ein Buch in die Hand, das auf dem Nachttisch lag, und so schlief der fromme Kurat mit dem »Decamerone« G. Boccaccios in der Hand ein.

       13

       Feldkurat Otto Katz saß melancholisch über ein Zirkular gebeugt, das man gerade aus der Kaserne gebracht hatte. Es war ein Reservaterlaß des Kriegsministeriums.

      »Das Kriegsministerium hebt für die Dauer des Krieges alle die Letzte Ölung der Armeeangehörigen betreffenden gültigen Vorschriften auf und setzt nachstehende Weisungen für die Militärgeistlichkeit fest:

      § 1. An der Front wird die Letzte Ölung aufgehoben.

      § 2. Schwerkranken und Verwundeten ist es nicht gestattet, sich wegen der Letzten Ölung ins Hinterland zu begeben. Die Militärgeistlichen sind verpflichtet, solche Personen augenblicklich den zuständigen Militärgerichten zur weiteren Strafverfolgung zu übergeben.

      § 3. In den Krankenhäusern im Hinterland kann die Letzte Ölung massenweise auf Grund von Gutachten der Militärärzte erteilt werden, solange die Letzte Ölung nicht den Charakter einer Erschwerung für die zuständige Militärinstitution in sich birgt.

      § 4. In außergewöhnlichen Fällen kann das Kommando der Militärspitäler im Hinterland Einzelpersonen den Empfang der Letzten Ölung gestatten.

      § 5. Die Militärgeistlichen sind verpflichtet, auf Anordnung des Kommandos der Militärspitäler jenen die Letzte Ölung zu erteilen, die das Kommando vorschlägt.«

      Dann las der Feldkurat noch einmal die Vorschrift, in welcher ihm angezeigt wurde, daß er am folgenden Tage im Militärspital auf dem Karlsplatz einen Schwerverwundeten versehen sollte.

      »Hören Sie, Schwejk«, rief der Feldkurat, »ist das nicht eine Schweinerei? Wie wenn ich in ganz Prag der einzige Feldkurat wäre. Warum schickt man nicht diesen frommen Priester hin, der neulich bei uns geschlafen hat? Wir solln auf dem Karlsplatz versehen. Ich hab schon vergessen, wie man das macht.«

      »Also wern wir uns halt einen Katechismus kaufen, Herr Feldkurat, dort wirds stehn«, sagte Schwejk, »das is so wie ein Fremdenführer für geistliche Hirten. In Emmaus im Kloster hat ein Gärtnergehilfe gearbeitet, und wie er in die Schar der Laienbrüder eintreten wollt und eine Kutte gekriegt hat, damit er nicht seine Kleider zerreißen muß, hat er sich einen Katechismus kaufen müssn und lernen, wie man ein Kreuz schlägt, wer als einziger von der Erbsünde verschont worden is und was das is, ein reines Gewissen haben und andere solche Kleinigkeiten, und dann hat er ihnen unterderhand ausm Klostergarten die halben Gurken verkauft und is mit Schimpf und Schande ausm Kloster hinaus. Wie ich mit ihm zusammengekommen bin, so sagt er mir: ›Gurken hätt ich auch ohne Katechismus verkaufen können.‹«

      Als Schwejk den gekauften Katechismus brachte, blätterte der Feldkurat darin und sagte: »Da schau her, die Letzte Ölung kann nur ein Priester erteilen, und zwar nur mit einem vom Bischof geweihten Öl. Also sehn Sie, Schwejk, Sie selbst können nicht die Letzte Ölung erteilen. Lesen Sie mir vor, wie man die Letzte Ölung erteilt.«

      Schwejk las: »Die Letzte Ölung wird erteilt, indem der Priester den Kranken an den einzelnen Sinnen mit dem Krankenöle salbt und dabei betet: Durch diese heilige Salbung und seine mildreichste Barmherzigkeit vergebe dir der Herr, was du durch Sehen, Hören, Riechen, Sprechen, Tasten und Gehen gesündigt hast.«

      »Ich möcht gern wissen, Schwejk«, ließ sich der Feldkurat vernehmen, »was der Mensch mit dem Tastsinn verschulden kann, können Sie mir das erklären?«

      »Viele Sachen, Herr Feldkurat, zum Beispiel, er greift in eine fremde Tasche, oder auf einer Tanzunterhaltung – Sie verstehn mich ja, was dort alles zu sehn is.«

      »Und mit dem Gang, Schwejk?«

      »Wenn er zu hatschen anfängt, damit die Leute sich über ihm erbarmen.«

      »Und mit dem Geruch?«

      »Wenn ihm ein Gestank nicht gefällt.«

      »Und mit dem Geschmack, Schwejk?«

      »Wenn er an jemandem Geschmack findet.«

      »Und mit der Sprache?«

      »Das gehört schon mit dem Gehör zusamm, Herr Feldkurat. Wenn jemand viel quatscht und der andre ihm zuhört.«

      Nach diesen philosophischen Erwägungen verstummte der Feldkurat und sagte: »Wir brauchen also vom Bischof geweihtes Öl. Hier haben Sie zehn Kronen, und kaufen Sie eine Flasche. In der Militärintendantur gibts wahrscheinlich so ein Öl nicht.«

      Schwejk machte sich also auf den Weg, um vom Bischof geweihtes Öl zu beschaffen. So etwas ist ärger als das Suchen nach dem Wasser des Lebens in dem Märchen der Bo ena Nĕmcová1.

      Er ging in mehrere Drogerien, und sobald er sagte: »Bitte ein Fläschchen vom Bischof geweihtes Öl«, brach man entweder in ein Gelächter aus oder versteckte sich entsetzt unter dem Pult. Schwejk gebärdete sich ungewöhnlich ernst.

      Er entschloß sich also, sein Glück in den Apotheken zu versuchen. In der ersten ließ man ihn vom Laboranten hinausführen. In der zweiten wollte man auf die Rettungsstation telefonieren, und in der dritten sagte ihm der Provisor, daß die Firma Polak in der Langengasse, ein Geschäft mit Öl und Lack, das verlangte Öl entschieden auf Lager haben werde.

      Die Firma Polak in der Langengasse war tatsächlich eine agile Firma. Sie ließ keinen Käufer aus, ohne seine Wünsche zu befriedigen. Verlangte er Kopaivabalsam, goß man ihm Terpentin ein, und gut wars.

      Als Schwejk kam und für zehn Kronen vom Bischof geweihtes Öl verlangte, sagte der Chef zum Gehilfen: »Gießen Sie ihm zehn Deka Hanföl Nummer 3 ein, Herr Tauchen.«

      Und der Gehilfe sagte, während er Schwejk das Fläschchen in Papier wickelte, ganz geschäftsmäßig: »Es ist die beste Qualität, falls Sie noch einen Pinsel, Lack oder Firnis wünschen, wenden Sie sich gefälligst an uns. Wir werden Sie solid bedienen.«

      Inzwischen prägte sich der Feldkurat aus dem Katechismus ein, was einst im Seminar nicht in seinem Gedächtnis haftengeblieben war. Sehr gut gefielen ihm einige ungewöhnlich geistreiche Sätze, über die er aufrichtig lachen mußte: »Der

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