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war. Das war einer Ihresgleichen, dieser Strumpfwirker, der soeben dem Herrn Cardinal getrotzt hatte! Gewiß, ein angenehmer Gedanke für arme Teufel, die gewöhnt waren an Respect und Gehorsam gegen die niedrigsten Amtsvogtsbedienten des Abts von Sanct Genoveva, des Schleppenträgers seiner Eminenz des Cardinals.

      Coppenole grüßte stolz Seine Eminenz, welche den Gruß eines so mächtigen, von Ludwig dem Elften gefürchteten Bürgers erwiederte. Dann, und während Wilhelm Rym, der »kluge und boshafte Mann«, wie Philipp de Comines sagt, sie beide mit einem spöttischen und überlegenen Lächeln verfolgte, nahm jeder seinen Platz ein, der Cardinal verlegen und bekümmert, Coppenole ruhig und stolz, indem er ohne Zweifel dachte, daß nach allem sein Strumpfwirker-Titel ebensoviel gälte, als ein anderer, und daß Maria von Burgund, die Mutter eben dieser Margarethe, welche Coppenole heute verheirathete, ihn weniger als Cardinal, denn als Strumpfwirker gefürchtet hätte; denn kein Cardinal hätte die Genter gegen die Günstlinge der Tochter Karls des Kühnen aufgewiegelt; kein Cardinal hätte die Menge mit einem Worte gegen ihre Thränen und Bitten gefeiet, als das Fräulein von Flandern bis zum Fuße des Schaffotes ging, um für jene ihr Volk um Gnade anzuflehen, während dessen der Strumpfwirker nur seinen lederbedeckten Arm zu heben brauchte, um eure zwei Häupter, erlauchteste Herren Guy von Hymbercourt und Kanzler Wilhelm Hugonet, fallen zu lassen! Doch war für den armen Cardinal nicht alles vorbei, und er mußte den Kelch, in so schlechter Gesellschaft zu sein, bis auf den Grund leeren.

      Der Leser hat wohl den unverschämten Bettler nicht vergessen, welcher beim Anfange des Prologes erschienen war, und sich an den Fransen der Cardinalstribüne festhielt. Die Ankunft der erlauchten Gäste hatte ihn ganz und gar nicht vermocht, seinen Stand zu verlassen; und während die Prälaten und Gesandten in den Sperrsitzen der Tribüne sich ganz wie holländische Häringe zusammendrängten, hatte er es sich bequem gemacht und seine Beine auf dem Gesimse ungenirt übereinander geschlagen. Die Unverschämtheit war einzig, und niemand hatte sie im ersten Augenblicke bemerkt, weil die Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände gelenkt war. Er seinerseits kümmerte sich um nichts im Saale; er wiegte seinen Kopf mit der Sorglosigkeit eines Neapolitaners und wiederholte in dem Getöse von Zeit zu Zeit mit maschinenmäßiger Gewöhnung: »Ein Almosen, ich bitte Euch!« Und sicherlich war er in der ganzen Versammlung wahrscheinlich der einzige, der bei dem Wortwechsel zwischen Coppenole und dem Thürhüter es nicht für werth gehalten, den Kopf umzuwenden. Da wollte es der Zufall, daß der Meister Strumpfwirker von Gent, mit dem das Volk schon lebhaft sympathisirte, und auf den aller Augen gerichtet waren, gerade in der Vorderreihe der Tribüne, über dem Bettler, sich niedersetzte; und man war nicht wenig erstaunt, zu sehen, wie der flamländische Gesandte, als er den unter seinen Augen niedergekauerten Kerl erblickt hatte, ihn freundschaftlich auf die lumpenbedeckte Schulter klopfte. Der Bettler wandte sich um; Ueberraschung, Erkenntlichkeit, Freude war auf den beiden Gesichtern zu sehen u.s.w.; dann, und ohne sich im geringsten um die Personen oder Zuschauer zu kümmern, begannen der Strumpfwirker und der Sieche Hand in Hand mit leiser Stimme eine Unterhaltung, währenddem die Lumpen Clopin Trouillefous, die auf den Goldstoff der Tribüne herabhingen, wie eine Raupe auf einer Orange aussahen.

      Die Neuheit dieser sonderbaren Scene erregte einen solchen Ausbruch der Narrheit und Lustigkeit im Saale, daß der Cardinal nicht umhin konnte, davon Notiz zu nehmen; er neigte sich vornüber, und weil er von seinem Platze aus das schimpfliche Gewand Trouillefous nur sehr unvollkommen bemerken konnte, so glaubte er ganz natürlich, daß der Bettler ein Almosen begehrte, und von dieser Kühnheit empört, rief er: »Herr Palastvogt, werft mir diesen Kerl in den Fluß.«

      »Kreuz Gottes! Gnädiger Herr Cardinal,« sagte Coppenole, ohne die Hand Clopins loszulassen, »das ist ein Freund von mir.«

      »Hurrah! Juchhe!« schrie der Haufen. Von diesem Augenblicke an hatte Meister Coppenole in Paris wie in Gent »ein großes Ansehn beim Volke; denn Leute von solchem Schlage haben es da,« sagt Philipp de Comines, »wenn sie ebenso wüst sind«.

      Der Cardinal biß sich auf die Lippen. Er neigte sich zu seinem Nachbar, dem Abt von Sanct Genoveva, und sagte leise zu ihm:

      »Drollige Gesandte das, die der Herr Erzherzog uns da schickt, um uns Frau Margarethen anzumelden!«

      »Eure Eminenz,« entgegnete der Abt, »verschwenden Ihre Aufmerksamkeiten an diese flamländischen Rüsselthiere. Margaritas ante porcos.«

      »Sprecht lieber porcos ante Margaritam,« antwortete der Cardinal lächelnd.

      Der ganze kleine Hofstaat im Priestergewande gerieth über dies Wortspiel in Verzückung. Der Cardinal fühlte sich ein wenig erleichtert; er war jetzt mit Coppenole quitt, sein Witz hatte auch Beifall gefunden.

      Jetzt mögen diejenigen von unsern Lesern, welche die Fähigkeit besitzen, ein Bild und einen Gedanken zu verallgemeinern, wie man im heutigen Stile sagt, uns die Frage erlauben, ob sie sich wohl so recht das Schauspiel vergegenwärtigen können, welches das große Rechteck des Palastsaales in dem Augenblicke darbot, wo wir ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. In der Mitte des Saales, an die östliche Mauer angelehnt, eine große, reiche Tribüne mit Goldbrokat, auf welche durch eine kleine Spitzbogenthür in feierlichem Zuge würdevolle Männer eintraten, die der Reihe nach von einem lautrufenden Thürhüter angemeldet worden. Auf den ersten Bänken schon viele ehrwürdige, in Hermelin, Sammet und Scharlach gehüllte Gestalten. Rings um die Tribüne, die würdevoll und schweigend verharrt, unten, gegenüber, überall eine große Menschenmenge und großes Gedränge. Tausend Augen der Menge auf jedes Gesicht der Tribüne geheftet, tausendmal jeder Name gezischelt. Gewiß das Schauspiel ist merkwürdig und verdient wohl die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Aber da unten, ganz am Ende, was ist denn das für ein Gerüst mit vier scheckigen Gliedermännern oben und vier andern unten? Wer ist denn, zur Seite des Gerüstes, dieser Mensch im schwarzen Kittel und mit blassem Gesicht? Ach! mein lieber Leser, das ist Peter Gringoire und sein Prolog.

      Wir hatten ihn ganz und gar vergessen. Und das war es gerade, was er fürchtete.

      Von dem Augenblicke an, wo der Cardinal eingetreten war, hatte sich Gringoire ununterbrochen über das Geschick seines Prologes geängstigt. Zuerst hatte er den in Ungewißheit harrenden Schauspielern befohlen, fortzufahren und lauter zu sprechen; darauf sie innehalten lassen, weil er sah, daß niemand zuhörte; und seit beinahe einer Viertelstunde, welche die Unterbrechung dauerte, hatte er unausgesetzt mit dem Fuße gestampft, sich abgemüht, Gisquetten und Liénarden aufgefordert, ihre Nachbarn zur Fortsetzung des Prologes anzufeuern – alles vergeblich. Keiner ließ den Cardinal, die Gesandtschaft und die Tribüne aus den Augen, den einzigen Mittelpunkt dieses ausgedehnten Gesichtskreises. Auch muß man glauben, und wir sagen es mit Betrübnis, daß in dem Augenblicke, wo die Ankunft Seiner Eminenz eine so unglückliche Zerstreuung verursachte, der Prolog die Zuhörer allmählich zu langweilen begann. Kurzum, auf der Tribüne, wie auf der Marmorplatte war es immer das nämliche Schauspiel: der Conflict zwischen Arbeit und Geistlichkeit, zwischen Adel und Handel. Und viele Leute wollten sie wahrhaftig lieber lebend, athmend, handelnd, sich stoßend, aus Fleisch und Knochen, in dieser flamländischen Gesandtschaft, in diesem bischöflichen Hofstaate, unter dem Kleide des Cardinals, unter der Jacke Coppenoles sehen, als geschminkt, geputzt, in Versen sprechend und gleichkam ausgestopft unter den gelben und weißen Röcken, mit denen sie Gringoire vermummt hatte.

      Doch als unser Dichter die Ruhe etwas wiederhergestellt sah, ersann er eine Kriegslist, die alles gerettet hätte.

      »Herr,« sagte er, sich an einen seiner Nachbarn, einen braven großen Mann mit geduldiger Miene wendend, »wenn man wieder anfinge?«

      »Was?« entgegnete der Nachbar.

      »Nun, das Schauspiel,« sagte Gringoire.

      »Wie es Euch beliebt,« versetzte der Nachbar.

      Diese halbe Zustimmung genügte Gringoire; und um seine Angelegenheiten selbst zu betreiben, begann er, sich nach Möglichkeit in die Menge drängend, laut zu schreien: »Fangt wieder mit dem Schauspiele an! Fangt wieder an!«

      »Zum Teufel!« sagte Johannes von Molendino, »was schreien sie denn da unten, am Ende? (Denn Gringoire machte Lärm für viere.) Sagt, Kameraden, ist das Schauspiel noch nicht zu Ende? Sie wollen es neu anfangen, das ist lächerlich.«

      »Nein,

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