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schloss für einen Augenblick die Augen und ging in Gedanken eine ganz andere Liste durch. Die der vierzehn Nothelfer. Die heilige Barbara hatte sie heute Morgen direkt bemüht. Der heilige Achatius, Helfer in Lebensnöten und Todesängsten, schien ihr tröstlich. Allerdings könnte ihr Anliegen auch in die Zuständigkeit des heiligen Cyriakus fallen, dem Diakon mit dem gefesselten Dämon. Dem Helfer gegen böse Geister. Dem Patron der Unterdrückten. Beiden schickte sie ihren Hilferuf. Sie schaute Benedikt traurig an und sagte: »Die Letzte, die sich mit ihm gestritten hat, war wahrscheinlich ich.« Sie ließ den Kopf hängen, griff nach ihrem Glas und nahm einen weiteren kräftigen Schluck, bevor sie erzählte, was in der Kapelle vorgefallen war.

      Jo stellte den Kartoffeltopf auf den Tisch und teilte jedem drei volle Löffel zu. Darüber verteilte er Geschnetzeltes mit Zwiebeln und Champignons. Schließlich setzte er sich, senkte den Kopf und faltete die Hände.

      »Lasst uns beten: Alle guten Gaben …« Kati und Benedikt stimmten in das Tischgebet ein.

      Die ersten Bissen aßen sie schweigend, jeder hing seinen Gedanken nach. Dann zog Benedikt sein Smartphone aus der Tasche und wischte darauf herum.

      »Ich muss mir ein paar Notizen machen«, erklärte er. »Unterbrecht mich, wenn ich etwas missverstanden habe. Also, der Täter hat Gift in den Messwein geschüttet. Damit haben wir es wahrscheinlich mit einer Frau zu tun.«

      Kati schnappte nach Luft. »Soll das heißen, mit Gift morden nur Frauen? Lass das nicht die Gleichstellungsbeauftragte der katholischen Kirche hören.«

      »Sowas gibt es?«, amüsierte sich Benedikt. »Hilft die den Frauen, die sich fürs Papstamt bewerben?« Es tat gut, die Spannung wegzulachen.

      »Wann war die letzte Messe in der Kapelle?« Benedikt war schnell wieder bei der Sache.

      »Im Oktober finden dort nur freitags Messen statt. Demnach war die letzte Messfeier vergangenen Freitag.«

      »Wer hat die gemacht?«

      »Zelebriert, sagt man«, korrigierte Oma Kati ihren Enkel und hörte sich dabei an wie seine Geschichtslehrerin. »Die hat auch Kaplan Overath gelesen.«

      »Ich dachte, es heißt zelebriert«, erwiderte Benedikt spitz und Kati verdrehte die Augen.

      »War die Flasche an dem Freitag schon angebrochen?«

      Oma Kati nickte.

      »Okay«, fuhr Benedikt fort und tippte ein Memo ins Handy. »Das grenzt den Zeitraum schon einmal ein. Der Täter hat also irgendwann zwischen letzter Woche Freitag - und zwar nach der Messe - und heute Morgen vor der Messe das Gift in den Wein gekippt.« Kati und Jo quittierten die Kombinationsgabe ihres Enkels mit einem anerkennenden Nicken.

      »Wer war in dieser Zeit in der Kapelle?«

      »In der Kapelle waren einige. Aber wir können uns auf die konzentrieren, die in der Sakristei waren.«

      Kati sah Benedikts fragenden Blick und hob zu einer Erklärung an. »Dort werden der Messwein und die nicht konsekrierten Hostien aufbewahrt.«

      »Die was?«

      Kati lächelte. »Nicht konsekrierte Hostien sind die Hostien, die noch nicht durch den Priester während der Messe in den Leib Christi gewandelt wurden. Wenn du so willst, handelt es sich zu diesem Zeitpunkt noch um stinknormale Oblaten. Obwohl so stinknormal auch wieder nicht. Wir kaufen die nicht bei Aldi.«

      »Sondern?«, fragte Benedikt interessiert.

      »Sie werden im Kloster der Benediktinerinnen gebacken. Dein Namenspatron, der heilige Benedikt, legte in seiner Ordensregel nämlich großen Wert darauf, dass die Mönche von ihrer Hände Arbeit lebten.«

      »Und die Nonnen können von der Hostienbäckerei leben?«

      »Nein, davon allein sicher nicht. Sie sticken auch Priestergewänder und Fahnen. Paramentenstickerei. Schon mal gehört?«

      Benedikt schüttelte den Kopf. »Fahnen?«

      Kati grinste. »Keine billigen Deutschlandfähnchen fürs Auto. Aber es gibt ja hier Gott sei Dank genug Vereine, denk nur an die Schützen, die ihr Brauchtum pflegen und damit auch die Klöster am Leben halten.«

      »Das erste Mal, dass ich diesen Vereinen was abgewinnen kann.« Benedikt rümpfte die Nase.

      »Täusch dich nicht, junger Mann«, mischte sich jetzt Jo ein. »Manchmal lohnt sich ein zweiter Blick.«

      »Warum marschierst du dann nicht im Schützenzug mit?«

      Jo grinste. »Ich trinke lieber Wein als Bier.« Er hob sein Glas und prostete seinem Enkel zu.

      »Also«, fuhr Benedikt fort, »Hostien und Messwein werden in der Sakristei aufbewahrt. Und die ist immer verschlossen?«

      »Ja. Man gelangt auf zwei Wegen in die Sakristei. Einmal direkt. Der andere führt durch die Kapelle. Aber für beide braucht man einen Schlüssel. Nur wenn Messe ist, ist die Kapelle geöffnet.« Kati legte Gabel und Messer schräg auf den leeren Teller und schob ihn von sich.

      »Und wer hat jetzt alles einen Schlüssel außer dir?«, ließ Benedikt nicht locker.

      »Kaplan Overath hatte einen. Pater Remigius.« Plötzlich sprang Kati auf. »Himmel, ich sollte ihn doch zurückrufen. Aber wenn er kaum einen Ton herausbekommt, gehe ich vielleicht besser bei ihm vorbei?«

      Jo nickte zustimmend. »Gute Idee. Nimm ihm den Rest Fleisch und Kartoffeln mit. Wenn er krank ist, ist er vielleicht froh, nicht kochen zu müssen.«

      Kati drückte Jo einen dicken Kuss auf die Wange, kippte das Fleisch mit der Soße über die restlichen Kartoffeln und eilte mit dem Topf aus der Tür.

      Jo erhob sich und räumte die Teller zusammen. »Ich kann dir leider bei deiner Schlüsselliste nicht weiterhelfen. Das weiß Oma besser. Aber mir geht die ganze Zeit durch den Kopf, dass die Polizei Oma verdächtigt, weil sie Apothekenhelferin war.«

      »Wie hieß nochmal das Gift, das die Mörderin verwendet hat?«

      »Sie sprach von Strychnin.«

      Benedikt tippte das Gift in sein Smartphone. »Mist, ich hab hier keinen vernünftigen Empfang.«

      »Geh doch an den Rechner im Gästezimmer. Da kannst du auch ausdrucken.« Benedikt wollte gerade Opa Jo erklären, dass man die Umwelt schont, wenn man nicht jeden Fitzel ausdruckte. Außerdem musste er dringend Omas Laptop aufsetzen. Der alte PC im Gästezimmer war lahm wie Lazarus. Doch als er sah, wie Opa Jo grübelnd den Tisch abräumte, ließ er es bleiben. Er hielt das Handy hoch und hoffte, dass es eine Stelle in der Küche gab, an der sich das Signal verstärkte. Jo zwinkerte seinem Enkel zu. »Versuch es mal oben im Treppenhaus. Vielleicht ist da der Empfang besser.«

      13

      Kalle hatte reingehauen. Wenn seine Hedwig Grünkohl mit Panhas auf den Tisch brachte, gab es für ihn kein Halten mehr. Beim ersten Nachschlag hatte sie sich gefreut, dass es ihm so gut schmeckte. Beim zweiten hatte sie versucht, streng zu gucken. Den dritten hatte sie ihm verweigert und die Verantwortung auf Dr. Hartwig abgeschoben.

      Daraufhin hatte er sich grummelnd zu seinem obligatorischen Nickerchen in den Relax-Sessel zurückgezogen. Ohne sein Stündchen Entspannung nach dem Essen war er nicht zu genießen. Wenn man ihm aber seine Ruhe gewährte, ließ er sich danach zu allem überreden. Jedenfalls wenn er das Gefühl hatte, gut dazustehen oder selbst Urheber des Vorhabens gewesen zu sein. Er reckte sich und gähnte den Rest Schlaf beiseite. Dann griff er zur Zeitung und las die Artikel, die er heute Morgen übersehen hatte. Als er die Seite mit den Todesanzeigen überflog, fiel ihm der Treppensturz des Kaplans wieder ein. Nachlässig raffte er die Zeitung zusammen und suchte nach dem Telefon.

      Schließlich fand er es in der Küche, wo sich der Abwasch türmte, während seine Frau in aller Seelenruhe mit ihren Freundinnen plauderte. Fernmündlich versteht sich. Nur über Hedwigs Leiche hätte jemand den aktuellen Zustand der Küche zu Gesicht bekommen. Kalle räusperte sich und bekam, was er wollte.

      Hektisch

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