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sie bald niederkommen?« riefen die beiden Mütter.

      »Zweifelsohne diese Woche. – Ist Vigneau unterwegs?« fragte er nach einer Pause.

      »Ja, mein Herr,« antwortete die junge Frau, »er beeilt sich, seine Geschäfte zu erledigen, um während meiner Niederkunft zu Hause bleiben zu können, der liebe Mann!«

      »Auf, meine Kinder, frohes Gedeihen! Fahrt fort, Vermögen zu erwerben und Kinder zu kriegen.«

      Genestas war voller Bewunderung für die Sauberkeit, die im Innern dieses fast verfallenen Hauses herrschte. Als er des Offiziers Erstaunen sah, sagte Benassis zu ihm:

      »Nur Madame Vigneau versteht einen Haushalt so sauber zu halten. Ich wollte, dass manche Leute aus dem Flecken kämen und hier Unterricht nähmen.«

      Die Frau des Ziegelbrenners wandte den Kopf errötend weg; die beiden Mütter aber ließen auf ihren Gesichtern all das Vergnügen strahlen, das ihnen des Arztes Lobsprüche bereiteten, und alle drei begleiteten ihn bis zu dem Platze, wo die Pferde standen.

      »Nun,« sagte Benassis, sich an die beiden Alten wendend, »Sie sind jetzt wohl recht glücklich! Möchten Sie nicht Großmütter sein?«

      »Ach, reden Sie mir nicht davon,« sagte die junge Frau. »Sie machen mich ganz wild. Meine beiden Mütter wollen einen Jungen, mein Mann wünscht sich ein kleines Mädchen: ich glaube, es wird mir recht schwer werden, sie alle zu befriedigen.«

      »Doch Sie, was wünschen Sie sich?« fragte lachend Benassis.

      »Ach ich, Monsieur, ich will ein Kind haben.«

      »Sehen Sie, sie ist schon Mutter,« sagte der Arzt zu dem Offizier, indem er sein Pferd beim Zügel nahm.

      »Leben Sie wohl, Monsieur Benassis,« sagte die junge Frau. »Meinen Mann wird es recht betrüben, nicht dagewesen zu sein, wenn er erfährt, dass Sie hier waren.«

      »Hat er nicht vergessen, mir meine tausend Ziegel nach der Grange-aux-Belles zu schicken?«

      »Sie wissen doch, dass er alle Aufträge aus dem Bezirke hintansetzen würde, um Ihnen zu dienen. Ach, sein größter Kummer ist's, Ihnen Ihr Geld abnehmen zu sollen; doch ich sag' ihm, dass Ihre Taler Glück bringen, und das stimmt.«

      »Auf Wiedersehn!« sagte Benassis.

      Die drei Frauen, der Fuhrknecht und die beiden Arbeiter, die aus den Werkstätten herausgekommen waren, um den Arzt zu sehen, blieben um den Reisigzaun, welcher der Ziegelei als Tür diente, gruppiert stehen, um sich seiner Gegenwart bis zum letzten Moment zu erfreuen, so wie es jeder bei geliebten Menschen tut. Die Eingebungen des Herzens müssen überall gleich sein, auch die süßen Gebräuche der Freundschaft werden natürlicherweise in jedem Lande befolgt.

      Nachdem er den Sonnenstand geprüft hatte, sagte Benassis zu seinem Gefährten:

      »Wir haben noch zwei Stunden Tag, und wenn Sie nicht allzu ausgehungert sind, wollen wir noch ein reizendes Geschöpf besuchen, dem ich fast immer die Zeit widme, die mir zwischen der Essensstunde und der bleibt, wo meine Besuche beendigt sind. Man nennt sie meine ›gute Freundin‹ im Bezirk; doch glauben Sie nicht, dass dieser Beiname, der hier gebräuchlich ist, um eine zukünftige Gattin zu bezeichnen, die geringste Verleumdung decken oder autorisieren kann. Obwohl meine Sorge für dies arme Kind sie zum Gegenstande einer ziemlich begreiflichen Eifersucht macht, verbietet die Meinung, die jeder von meinem Charakter gefasst hat, jede böse Nachrede. Wenn sich auch niemand die Laune erklären kann, der ich scheinbar nachgebe, wenn ich der Fosseuse eine Rente aussetze, damit sie leben könne, ohne zur Arbeit genötigt zu sein, so glaubt doch jeder an ihre Tugend. Alle Welt weiß, dass ich, wenn meine Liebe einmal die Grenzen freundschaftlicher Protektion überschritte, nicht einen Augenblick zaudern würde, sie zu heiraten. Doch,« fügte der Arzt, sich zu einem Lächeln zwingend, hinzu, »gibt es für mich weder in dem Bezirke hier noch anderswo eine Frau. Ein sehr expansiver Mann, mein lieber Herr, empfindet ein unbesiegliches Bedürfnis, sich an eine Sache oder an ein Wesen von all den Wesen und Sachen, die ihn umgeben, besonders nahe anzuschließen, vor allem, wenn das Leben für ihn öde ist. Auch dürfen Sie, glauben Sie mir, stets einen Menschen günstig beurteilen, der seinen Hund oder sein Pferd liebt! Unter der leidenden Schar, die der Zufall mir anvertraut hat, ist diese arme kleine Kranke für mich, was in meinem Sonnenland, in dem Languedoc, das Lieblingslamm ist, dem die Schäferinnen verblichene Bänder umbinden, mit dem sie sprechen, das sie längs der Getreidefelder weiden lassen und dessen lässigen Gang der Hund niemals beschleunigt!«

      Während Benassis diese Worte sagte, blieb er aufgerichtet stehen, die Hand in der Mähne seines Pferdes, bereit aufzusitzen, aber doch nicht aufsitzend, wie wenn das Gefühl, von dem er erregt wurde, sich nicht mit jähen Bewegungen vertrüge.

      »Auf!« rief er, »kommen Sie und sehen Sie sie. Heißt Sie zu ihr führen, nicht, Ihnen sagen, dass ich sie wie eine Schwester behandle?«

      Als die beiden Reiter zu Pferde saßen, sagte Genestas zum Arzte:

      »Würde ich taktlos sein, wenn ich Sie noch um einige Aufschlüsse über Ihre Fosseuse bäte? Von all den Existenzen, die Sie mich haben kennenlernen lassen, muss sie nicht die am wenigsten merkwürdige sein.«

      »Mein Herr,« antwortete Benassis, sein Pferd anhaltend, »vielleicht werden Sie das Interesse, das mir die Fosseuse einflößt, nicht ganz teilen. Ihr Schicksal ähnelt dem meinigen: unser innerer Beruf ist enttäuscht worden. Das Gefühl, das ich zu ihr hege, und die Erregung, die mich bei ihrem Anblick überkommt, entspringt der Gleichheit unserer Lage. Als Sie das Waffenhandwerk einmal ergriffen hatten, sind Sie Ihrer Neigung gefolgt, oder haben diesem Berufe Geschmack abgewonnen; denn sonst würden Sie nicht bis zu Ihrem Alter unter dem drückenden Harnisch der Militärdisziplin ausgehalten haben. Sie können daher weder das Unglück einer Seele, deren Wünsche immer neu entstehen und immer wieder verraten werden, noch den beständigen Gram einer Kreatur begreifen, die gesonnen ist, woanders wie in ihrer Sphäre zu leben. Derartige Leiden bleiben ein Geheimnis zwischen solchen Wesen und Gott, der ihnen diese Trübsal schickt, denn sie allein kennen die Gewalt der Eindrücke, die ihnen die Ereignisse des Lebens verursachen. Hat Sie, ein abgestumpfter Zeuge so vieler, durch einen langen Kriegslauf verursachter Schicksalsschläge, indessen nicht selber in Ihrem Herzen eine leise Traurigkeit überrascht, wenn Sie einem Baume begegneten, dessen Blätter mitten im Frühling gelb waren, einem Baum, der dahinsiechte und starb, weil er in einen Boden gepflanzt worden war, wo die für seine volle Entwicklung notwendigen Bedingungen fehlten? Seit meinem zwanzigsten Lebensjahre tat es mir weh, die passive Melancholie einer verkümmerten Pflanze zu sehen; heute wende ich bei einem solchen Anblick stets die Augen ab. Mein Kinderschmerz war das vage Vorgefühl meiner Mannesschmerzen; eine Art Sympathie zwischen meiner Gegenwart und einer Zukunft, die ich instinktiv in jenem vegetalen Leben wahrnahm, das vor der Zeit sich dem Ziele zuneigt, dem Bäume und Menschen entgegengehen!«

      »Als ich Ihre Güte sah, dachte ich mir schon, dass Sie gelitten hätten!«

      »Sie begreifen, mein Herr,« fuhr der Arzt, ohne auf Genestas' Worte zu entgegnen, fort, »dass von der Fosseuse sprechen, von mir sprechen heißt. Die Fosseuse ist eine auf fremden Boden versetzte Pflanze, aber eine Menschenpflanze, die fortwährend von traurigen oder tiefen Gedanken, die sich gegenseitig vervielfachen, verzehrt wird. Das arme Mädchen leidet beständig. Bei ihr tötet die Seele den Körper. Könnte ich wohl eine schwache Kreatur, welche die Beute des größten und am wenigsten gewürdigten Unglücks ist, das es in unserer egoistischen Welt gibt, kühlen Herzens ansehen, wenn ich ein Mann und Leiden gegenüber stark, mich allabendlich versucht fühle, mich zu weigern, die Last eines ähnlichen Unglücks zu tragen? Vielleicht würd' ich mich sogar weigern ohne einen religiösen Gedanken, der meinen Kümmernissen den Stachel nimmt und süße Illusionen in meinem Herzen verbreitet. Auch wenn wir nicht alle Kinder ein und desselben Gottes wären, würde die Fosseuse noch meine Schwester im Leiden sein!«

      Benassis presste die Flanken seines Pferdes und riss den Major Genestas mit fort, wie wenn er sich fürchtete, die angefangene Unterhaltung in diesem Tone weiterzuführen.

      »Mein Herr,« fuhr er fort, als die Pferde wieder nebeneinander trabten, »die Natur hat das arme Mädchen

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