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jener, die die Hospitalkinder aufzieht, einen Sack Roggen schicken.«

      »Gewiss, Herr, ich will's gern tun, wenn Ihnen das nötig erscheint. Kann ich meine Sache vorbringen, ohne den Herrn da zu langweilen,« fügte er, auf Genestas weisend, hinzu. »Nun also, Herr,« fuhr er auf ein Kopfnicken des Arztes fort; »vor etwa zwei Monaten hat mich ein Mann aus Saint-Laurent aufgesucht. ›Taboureau,‹ hat er zu mir gesagt, ›könntet Ihr mir hundertsiebenunddreißig Sester Gerste verkaufen?‹ ›Warum nicht?‹ hab' ich ihm erwidert, ›das ist ja mein Beruf. Muss es sofort sein?‹ – ›Nein,‹ hat er mir geantwortet, ›zu Frühlingsanfang, im März.‹ – ›Schön!‹ Dann haben wir den Preis beredet und bei einem Glase Wein abgemacht, dass er sie mir nach dem Gerstenpreise vom letzten Grenobler Markte bezahlen, und dass ich sie ihm im März unbeschadet des Speicherverlustes, wohlverstanden, liefern solle. Aber, mein lieber Herr, die Gerstenpreise steigen und steigen, kurz meine Gerste wallt in die Höhe wie eine Milchsuppe. Ich hab' Geld nötig und verkaufe meine Gerste. Das ist doch ganz natürlich, nicht wahr, Herr?«

      »Nein,« sagte Benassis, »deine Gerste gehörte dir nicht mehr, du warst nur ihr Verwahrer. Und würdest du nicht, wenn die Gerstenpreise gefallen wären, deinen Käufer gezwungen haben, sie zum abgemachten Preise abzunehmen?«

      »Aber, Herr, der Mann würde mich vielleicht nicht bezahlt haben! Das ist im Kriege nun mal nicht anders. Der Kaufmann muss den Gewinn mitnehmen, wenn er sich zeigt. Schließlich gehört einem eine Ware doch nur, wenn man sie bezahlt hat, nicht wahr, Herr Offizier; denn man sieht, dass der Herr in der Armee gedient hat.«

      »Taboureau,« sagte Benassis ernst, »dir wird ein Unglück zustoßen. Gott straft die schlechten Handlungen früher oder später. Wie kann ein so fähiger, ein so unterrichteter Mann, wie du es bist, ein Mann, der seine Geschäfte ehrenwert betreibt, unserem Bezirke Beispiele von Unredlichkeit geben? Wenn du derartige Prozesse führst, wie willst du dann, dass die Armen anständige Menschen bleiben und dich nicht bestehlen? Deine Arbeiter werden dir einen Teil der Zeit, die sie dir schuldig sind, stehlen, und jedermann wird hier moralisch sinken. Du hast unrecht. Deine Gerste galt als geliefert. Wenn sie von dem Manne aus Saint-Laurent fortgeschafft worden wäre, würdest du sie nicht von ihm zurückgeholt haben. Du hast also über etwas verfügt, was dir nicht mehr gehörte; nach euren Abmachungen hatte deine Gerste sich bereits in realisierbares Geld umgewandelt ... Aber fahre fort ...«

      Genestas warf dem Arzte einen Blick zu, um ihn auf Taboureaus Unbeweglichkeit aufmerksam zu machen. Nicht eine Fiber im Gesichte des Wucherers hatte sich während dieses Wischers verändert; seine Stirn hatte sich nicht gerötet, seine kleinen Augen blieben ruhig.

      »Nun gut, Herr, ich bin gerichtlich angewiesen worden, ihm die Gerste zum letzten Winterpreise zu zahlen, aber ich glaube, dass ich sie nicht schuldig bin.«

      »Höre, Taboureau, liefere deine Gerste ganz schnell, oder rechne nie mehr auf jemandes Schätzung. Selbst wenn du derartige Prozesse gewinnen solltest, würdest du für einen Mann ohne Treu und Glauben, würdest du für wortbrüchig und für ehrlos gelten ...«

      »Nur unbesorgt! Sagen Sie mir, dass ich ein Schelm, ein Lump, ein Dieb bin. Im Geschäftsleben sagt man das, Herr Bürgermeister, ohne jemanden damit zu beleidigen. Im Geschäftsleben, sehen Sie, steht jeder für sich.«

      »Nun, warum bringst du dich freiwillig in die Lage, derartige Bezeichnungen zu verdienen?«

      »Aber, Herr, wenn das Gesetz für mich ist?« ...

      »Aber das Gesetz wird nicht für dich sein ...«

      »Sind Sie dessen sicher, Herr, ganz, ganz sicher? Denn, sehen Sie, die Sache ist wichtig.«

      »Gewiss bin ich dessen sicher. Wenn ich nicht bei Tische säße, würd' ich dich das Gesetzbuch lesen lassen. Doch, wenn der Prozess stattfindet, wirst du ihn verlieren und nie wieder einen Fuß in mein Haus setzen. Leute, die ich nicht schätze, will ich nicht bei mir sehen. Hörst du, du wirst deinen Prozess verlieren.«

      »Ach nein, nein, Herr, ich werd' ihn nicht verlieren,« sagte Taboureau; »sehen Sie, Herr Bürgermeister, der Mann aus Saint-Laurent schuldet mir die Gerste; ich hatte sie ihm abgekauft und er verweigert mir die Lieferung. Ich wollte ganz sicher sein, ob ich gewänne, ehe ich mich beim Gerichtsvollzieher in Kosten stürze.«

      Genestas und der Arzt sahen sich an und verbargen die Überraschung, welche ihnen die von dem Manne erfundene sinnreiche Art, die Wahrheit über diesen Rechtsfall zu erfahren, bereitete.

      »Schön, Taboureau, dein Mann kennt weder Treu noch Glauben, und von solchen Leuten soll man nichts kaufen!«

      »Ah! Herr, diese Leute verstehen sich auf Geschäfte!«

      »Leb wohl, Taboureau.«

      »Ihr Diener, Herr Bürgermeister und die Gesellschaft.«

      »Nun,« sagte Benassis, als der Wucherer fort war, »glauben Sie, dass der Mann in Paris nicht bald Millionär sein würde?«

      Als das Essen beendigt war, kehrten der Arzt und sein Pensionär in den Salon zurück, wo sie den Rest des Abends über, auf die Schlafensstunde wartend, von Krieg und Politik sprachen, eine Unterhaltung, bei der Genestas die lebhafteste Abneigung gegen die Engländer bekundete.

      »Darf ich wissen, mein Herr,« fragte der Arzt, »wen ich die Ehre habe, als Gast bei mir zu sehen?«

      »Ich heiße Pierre Bluteau,« antwortete Genestas, »und bin Rittmeister in Grenoble.«

      »Gut, mein Herr. Wollen Sie Monsieur Graviers Lebensweise befolgen? Morgens, nach dem Frühstück, machte es ihm Vergnügen, mich auf meinen Ritten in die Umgebung zu begleiten. Es ist nicht ganz sicher, ob Sie Vergnügen an den Dingen finden, mit welchen ich mich beschäftige, so alltäglich sind sie. Schließlich sind Sie weder Grundbesitzer noch Dorfbürgermeister und werden in dem Bezirk nichts sehen, was Sie nicht schon anderswo gesehen haben; all die Hütten sehen sich ähnlich, immerhin werden Sie Luft schöpfen und Ihrer Promenade ein Ziel geben.«

      »Nichts bereitet mir mehr Vergnügen als dieser Vorschlag, und aus Angst, Ihnen lästig zu sein, wagte ich's nicht, ihn Ihnen schon zu machen.«

      Major Genestas, für den dieser Name trotz seiner wohlerwogenen Pseudonymität beibehalten werden soll, wurde von seinem Wirte in ein im ersten Stock über dem Salon gelegenes Zimmer geführt.

      »Schön,« sagte Benassis, »Jacquotte hat Ihnen Feuer gemacht. Wenn Sie irgend etwas brauchen, so befindet sich am Kopfende Ihres Bettes ein Klingelzug.«

      »Ich glaube nicht, dass mir das geringste fehlen kann,« rief Genestas. »Da ist sogar ein Stiefelknecht. Man muss ein alter Kommiss-Soldat sein, um den Wert eines solchen Möbels zu kennen! – Im Kriege, mein Herr, gibt's mehr als einen Augenblick, wo man ein Haus niederbrennen würde, um so einen verdammten Stiefelknecht zu kriegen ... Nach mehreren Märschen und besonders nach einem Kampf, kommt es vor, dass der im nassen Leder angeschwollene Fuß keiner Anstrengung nachgibt; auch hab' ich mehr als einmal in meinen Stiefeln geschlafen. Wenn man allein ist, lässt sich das Unglück noch ertragen ...«

      Der Major zwinkerte mit den Augen, um diesen letzten Worten einen gewissen pfiffigen Sinn zu verleihen. Dann schickte er sich an, nicht ohne Überraschung, ein Zimmer zu betrachten, wo alles bequem, sauber und beinahe reich war.

      »Welch ein Luxus!« sagte er. »Sie müssen wunderschön logiert seinl«

      »Sehen Sie sich's an,« sagte der Arzt, »ich bin Ihr Nachbar, wir sind nur durch die Treppe getrennt.«

      Genestas war ziemlich verdutzt, als er das Zimmer des Arztes betrat und einen nackten Raum sah, dessen Wände als ganzen Schmuck eine stellenweise abgeblasste gelbliche Papiertapete mit braunen Rosetten zeigten. Das grob lackierte Eisenbett, überragt von einer hölzernen Bettstange, von der zwei Vorhänge aus grauem Kaliko herabfielen, und vor dem ein elender fadenscheiniger Teppich lag, glich einem Hospitalbett. Am Kopfende stand einer jener vierbeinigen Nachttische, deren Vorderseite auf- und zugerollt wird und dabei ein klapperndes Geräusch wie von Kastagnetten macht. Drei Stühle, zwei Strohsessel, eine Nussbaumkommode, auf der ein Waschbecken und ein sehr alter Wasserkrug standen,

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