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umgeben sind, daß sterbliche Augen sie nicht haben erreichen können. Wer als Herr einer so lieblichen, so reinen Blume sie von andern pflegen läßt – der hat sein Unglück tausendmal verdient! Der ist entweder ein Ungeheuer oder ein Dummkopf.

      Hier wäre nun wohl der Augenblick gekommen, zu untersuchen, ob es irgendein bestimmtes Verfahren gibt, sich gescheit zu verheiraten. Man könnte sich damit die Vorsichtsmaßregeln ersparen, die im zweiten und dritten Teil dieses Buches eine zusammenhängende Darstellung erfahren werden. Aber ist es nicht hinreichend bewiesen, daß es leichter ist, in einem auf allen Seiten dicht verschlossenen rotglühenden Ofen die ›Schule der Frauen‹ zu lesen, als den Charakter, die Gewohnheiten und den Geist eines heiratsfähigen Fräuleins zu erkennen?

      Verheiraten die meisten Männer sich nicht genau so, wie wenn sie einen Posten Rente auf der Börse kauften?

      Und wenn es uns in der vorhergehenden Betrachtung gelungen ist, nachzuweisen, daß die größte Zahl der Männer gegen ihre Gattenehre im höchsten Grade gleichgültig ist – kann man dann vernünftigerweise annehmen, daß es viele Leute gibt, die reich, geistvoll und nachdenklich genug sind, um, wie jener Burchell im ›Landprediger von Wakefield‹, ein oder zwei Jahre darauf zu verwenden, die Mädchen, aus denen sie sich ihre Frau wählen wollen, zu ergründen, zu beobachten? Sie bekümmern sich ja so wenig um sie, nachdem sie sie während jener kurzen Zeitspanne, die die Engländer ›Honigmond‹ nennen, in ehelicher Liebe besessen haben! Mit dem Einfluß dieses Honigmonds werden wir uns demnächst noch beschäftigen.

      Da wir indessen über diesen wichtigen Gegenstand lange Zeit und reiflich nachgedacht haben, so wollen wir darauf aufmerksam machen, daß es einige Mittel gibt, um, selbst wenn man eine schnelle Wahl trifft, doch eine einigermaßen gute Wahl zu treffen.

      Es steht zum Beispiel außer allem Zweifel, daß die Wahrscheinlichkeiten zu deinen Gunsten sein werden:

      1. Wenn du ein Fräulein wählst, dessen Temperament dem der Frauen von Louisiana und Karolina ähnelt.

      Um über das Temperament einer jungen Person sichere Auskünfte zu erhalten, muß man sich an ihre Kammermädchen wenden und dabei das System in Anwendung bringen, von welchem Gil Blas spricht und dessen sich ein Staatsmann bedient, um Verschwörungen zu entdecken oder zu erfahren, wie die Minister die Nacht zugebracht haben.

      2. Wenn du ein Fräulein wählst, das nicht gerade häßlich ist, aber auch nicht zu den hübschen Frauen gerechnet werden kann.

      Wir betrachten es als einen feststehenden Grundsatz, daß man dadurch in seiner Ehe möglichst wenig unglücklich sein wird: denn wenn sich bei einer Frau ein sehr sanftes Gemüt mit einer erträglichen Häßlichkeit vereinigt, so sind dies zwei unfehlbare Elemente des Erfolges.

      Aber willst du die Wahrheit wissen? Schlage Rousseau auf – denn es wird keine Frage der öffentlichen Moral auftauchen, deren Tragweite er nicht bereits im voraus bestimmt hätte. Lies:

      »Bei den Völkern, die auf Sitte halten, sind die Mädchen gefällig und die Frauen streng. Bei den Völkern, die nicht auf Sitte halten, ist das Gegenteil der Fall.«

      Wenn wir den Grundsatz, den diese tiefe und wahre Bemerkung bestätigt, uns zu eigen machen wollten, so würde daraus hervorgehen, daß es nicht so viele unglückliche Ehen geben würde, wenn die Männer ihre Mätressen heirateten. Die Mädchenerziehung müßte alsdann in Frankreich beträchtliche Änderungen erfahren. Bis jetzt, wo es sich darum handelte, entweder ein Vergehen oder Verbrechen zu verhüten, haben die französischen Gesetze und die französischen Sitten das Verbrechen begünstigt. Der Fehltritt eines Mädchens ist in der Tat kaum ein Vergehen, wenn man ihn mit dem Fehltritt einer verheirateten Frau vergleicht. Ist also nicht unvergleichlich viel weniger Gefahr dabei, wenn man den Mädchen die Freiheit gibt, als wenn man sie den Frauen läßt? Der Gedanke, ein Mädchen auf Probe zu nehmen, wird mehr ernste Männer zum Nachdenken anregen, als er Flachköpfe zum Lachen bringen wird. Die Sitten Deutschlands, der Schweiz, Englands und der Vereinigten Staaten geben den jungen Mädchen Rechte, die man in Frankreich als Umsturz aller Moral ansehen würde; nichtsdestoweniger ist es gewiß, daß in diesen Ländern die Ehen weniger unglücklich sind als in Frankreich.

      »Wenn eine Frau sich ganz und gar einem Liebhaber hingegeben hat, muß sie den Mann, den die Liebe ihr zuführte, genau gekannt haben. Sie muß ihm notwendigerweise ihre Achtung und ihr Vertrauen geschenkt haben, bevor sie ihm ihr Herz schenkte.«

      Der Strahlenglanz der Wahrheit, der aus diesen Zeilen hervorbricht, hat vielleicht den Kerker erleuchtet, in welchem Mirabeau sie schrieb; und wenn auch die anregende Beobachtung, die sie enthalten, der stürmischsten seiner Leidenschaften entsprossen ist, so enthält sie doch den Schlüssel zu dem sozialen Problem, womit wir uns beschäftigen. Ja, eine Ehe, die durch die fromme Prüfung, ohne welche echte Liebe sich nicht denken läßt, gefestigt ist, und gefestigt durch Überwindung der Ernüchterung, die dem Besitze folgt – eine solche Ehe muß die unlösbarste aller Vereinigungen sein!

      Dann hat eine Frau nicht mehr das Recht, ihrem Mann vorzuwerfen, daß sie ihm nur auf Grund eines gesetzlichen Rechtes angehört! Sie kann in dieser erzwungenen Unterwerfung keinen Grund mehr finden, um sich einem Liebhaber hinzugeben, wie sie sich hingab, als sie in ihrem eigenen Herzen einen Komplicen hatte, dessen spitzfindige Fragen sie verführten, indem er stündlich zwanzigmal sie fragte, warum sie sich nicht aus freiem Willen einem Mann ergeben sollte, den sie liebte, da sie sich ja gegen ihren Willen einem Mann ergeben hätte, den sie nicht liebte. Dann ist es für eine Frau nicht mehr zulässig, sich über jene Mängel zu beklagen, die untrennbar sind von der menschlichen Natur: sie hat zum voraus deren Tyrannei kennen gelernt und ihre Launen gekostet.

      Viele junge Mädchen werden in ihren Liebeshoffnungen getäuscht sein! – Aber liegt nicht für sie eine unermeßliche Wohltat darin, daß sie nicht die Lebensgefährtinnen von Männern sind, die zu verachten sie ein Recht hätten?

      Einige Schwarzseher werden rufen, ein solcher Umschwung in unsern Sitten würde zu einer höchst gefährlichen allgemeinen Liederlichkeit führen; die Gesetze oder die Bräuche, die über den Gesetzen stehen, könnten schließlich doch nicht Skandal und Unmoralität decken; und wenn es unvermeidliche Übel gäbe, so dürfte doch zum wenigsten die Gesellschaft sie nicht ausdrücklich billigen.

      Hierauf läßt sich leicht antworten. Vor allen Dingen: das vorgeschlagene System beabsichtigt, jene Übel zu verhüten, die man bis dahin als unvermeidlich angesehen hat; aber, wenn auch die Berechnungen unserer Statistik noch so ungenau sind, so haben sie doch auf alle Fälle eine ungeheure Wunde an unserm Gesellschaftskörper nachgewiesen. Unsere Moralisten würden also das größere Übel dem kleinern vorziehen? die Verletzung des Grundsatzes, auf dem unsere Gesellschaft beruht, einer noch gar nicht einmal so sicheren Zügellosigkeit der Mädchen? die Ausschweifung der Familienmütter, die die Quelle der Volkserziehung vergiftet und mindestens vier Menschen unglücklich macht, der Ausschweifung eines jungen Mädchens, das nur sich selber kompromittiert und höchstens noch ein Kind? Lieber gehe die Tugend von zehn Jungfrauen zugrunde, als diese Heiligkeit der Sitten, diese Ehrenkrone, die eine Familienmutter tragen sollte! In der Vorstellung eines jungen Mädchens, das von seinem Verführer verlassen ist, liegt etwas unbeschreiblich Erhabenes und Heiliges: wir denken an gebrochene Schwüre, an das verratene fromme Vertrauen, und wir sehen auf den Trümmern der Tugenden die weinende Unschuld, die an allem zweifelt, da sie an der Liebe eines Vaters zu seinem Kinde zweifeln muß. Die Unglückliche ist noch unschuldig; sie kann eine treue Gattin, eine zärtliche Mutter werden; und wenn die Vergangenheit mit schweren Wolken bezogen ist, so ist die Zukunft blau wie ein reiner Himmel. Finden wir diese zarten Farben auch auf den düstern Gemälden der unerlaubten Liebe? In dem einen Fall ist die Frau ein Opfer, im andern ist sie eine Verbrecherin. Wo ist die Hoffnung der Ehebrecherin? Wenn Gott ihr ihre Sünde vergibt, so kann doch das musterhafteste Leben hienieden nicht die lebenden Früchte ihres Fehltritts aus der Welt schaffen. Wenn Jakob I. Rizzios Sohn ist, so hat Marias Verbrechen so lange gedauert, wie ihr unglückseliges königliches Haus, und dann ist der Sturz der Stuarts Gerechtigkeit.

      Aber – wenn wir aufrichtig sein wollen! – bringt denn die Selbstbestimmung der jungen Mädchen wirklich so viele Gefahren mit sich?

      Es ist sehr leicht, eine junge Person zu beschuldigen,

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