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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann
Год выпуска 0
isbn 9788027209156
Автор произведения E. T. A. Hoffmann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Das einsame Schloß
Das Gewitter war vorüber, und in rotem Feuer brennend brach die sinkende Sonne durch die finsteren Wolken, die schnell fliehend in den tiefen Gründen verdampften. Der Abendwind rührte seine Fittige, und wie in schwellenden Wogen strömten die Wohlgerüche, die aus Bäumen, Blumen, Grasern emporstiegen, durch die warme Luft. Als ich aus dem Walde trat, lag das freundliche Dorf, dessen Nähe mir der Postillion verheißen, dicht vor mir im blumigen Wiesengrunde, und hoch hervor ragten die gotischen Türme des Schlosses, dessen Fenster im Schein der Sonne glühten, als wollten innere Flammen hervorbrechen. Glockengeläute und geistlicher Gesang tönten zu mir herüber; in der Ferne sah ich einen feierlichen Leichenzug auf der Straße von dem Schlosse her nach dem Kirchhofe wallen; als ich endlich ankam, war der Gesang verstummt; man hatte nach der dortigen Sitte den Sarg geöffnet, vor dem Grabe niedergesetzt, und der Pfarrer hielt den Leichen-Sermon Sie waren im Begriff den Deckel auf den Sarg zu heben, als ich hinzutrat und den Toten erblickte. Es war ein hochbejahrter Mann, der mit heiterm Gesicht unentstellt dalag, als schlummerte er sanft und friedlich. Der alte Bauer sagte tief gerührt: „Sieh, wie unser alter Franz so schön daliegt; Gott schenke mir ein so frommes Ende – ja! – selig sind, die in dem Herrn entschlafen.“ – Mir war es, als sei dies die rechte Totenfeier für den frommen Entschlafenen, und des Bauers einfache Worte die herrlichste Leichenrede. – Sie senkten den Sarg hinab, und als nun die Erdschollen mit dumpfem Klang hinabfielen, ergriff mich die bitterste Wehmut, als läge der Herzensfreund in der toten kalten Erde. – Eben wollte ich den Berg hinaufsteigen, auf dem das Schloß lag, als mir der Pfarrer entgegentrat, bei dem ich mich nach dem Toten, den man eben zu Grabe getragen, erkundigte. Der alte Maler Franz Bickert, der seit drei Jahren allein in dem verödeten Schloß gewohnt und den Kastellan gemacht hatte, war es, den man beerdigt hatte. Ich wünschte in das Schloß zu gehen; der Geistliche hatte bis zur Ankunft des Bevollmächtigten des jetzigen Besitzers die Schlüssel übernommen, und ich trat nicht ohne Schauer in die verödeten weiten Säle, wo sonst fröhliche Menschen gehauset, und worin nun eine Totenstille herrschte. Bickert hatte sich in den letzten drei Jahren, die er wie ein Einsiedler in dem Schlosse zubrachte, auf eine wunderliche Weise mit der Kunst beschäftigt. Ohne alle Hülfe, selbst was die mechanischen Vorrichtungen betrifft, unternahm er es, den ganzen obern Stock, in welchem er selbst ein Zimmer bewohnte, im gotischen Stil auszumalen, und auf den ersten Blick ahnte man in den fantastischen Zusammenstellungen fremdartiger Dinge, wie sie dem Charakter der gotischen Verzierungen eigen, tiefsinnige Allegorien. Sehr oft wiederholt war eine häßliche Teufelsgestalt, die ein schlafendes Mädchen belauscht. – Ich eilte nach Bickerts Zimmer. – Der Lehnstuhl stand noch so abgerückt vom Tische, auf dem eine angefangene Zeichnung lag, als sei Bickert eben von der Arbeit aufgestanden; ein grauer Überrock hing auf der Lehne, und ein kleines graues Mützchen lag neben der Zeichnung. – Es war, als werde im Augenblick der Alte mit dem freundlichen frommen Gesichte, über das selbst die Qual des Todes keine Macht gehabt, hineintreten und den Fremden mit offener Gutherzigkeit in seiner Werkstatt bewillkommen. – Ich eröffnete dem Geistlichen meinen Wunsch, mehrere Tage, ja vielleicht Wochen, im Schlosse zu wohnen. Das schien ihm befremdlich; er äußerte, wie leid es ihm täte, meinen Wunsch nicht erfüllen zu können, da bis zur Ankunft des Bevollmächtigten die gerichtliche Siegelung vorgenommen werden müsse, und kein Fremder im Schlosse wohnen dürfe. „Wie aber“, fuhr ich fort, „wenn ich dieser Bevollmächtigte selbst wäre?“ indem ich ihm die ausgedehnte Vollmacht des Barons von F., als des jetzigen Besitzers, vorwies. Er erstaunte nicht wenig, und überschüttete mich mit Höflichkeitsbezeigungen. Er bot mir Zimmer im Pfarrgebäude an, da mir die Wohnung im öden Schlosse doch wahrscheinlich nicht zusagen werde. Ich lehnte dies ab; ich blieb im Schlosse, und es waren Bickerts nachgelassene Papiere, die mich in den Stunden der Muße auf das anziehendste beschäftigten. – Bald fanden sich ein paar Blätter vor, die in kurzen hingeworfenen Notizen, nach Art eines Tagebuchs, Aufschluß über die Katastrophe gaben, in der ein ganzer Zweig einer bedeutenden Familie unterging. Durch die Zusammenstellung mit einem ziemlich humoristischen Aufsatz: Träume sind Schäume, und den Fragmenten zweier Briefe, die dem Maler auf ganz eigne Weise zu Händen gekommen sein müssen, rundet sich das Ganze.
Aus Bickerts Tagebuch
Hab