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Schwester sah, als der frevelige Stolz in mir erwachte, aber da spielte mir der Satan jenes Elixier in die Hände, das mein Blut wie ein verdammtes Gift in Gärung setzte. Nicht achtete ich des unbekannten Malers, des Priors, der Äbtissin ernste Mahnung. – Aureliens Erscheinung am Beichtstuhl vollendete den Verbrecher. Wie eine physische Krankheit von jenem Gift erzeugt, brach die Sünde hervor. Wie konnte der dem Satan Ergebene das Band erkennen, das die Macht des Himmels als Symbol der ewigen Liebe um mich und Aurelien geschlungen? – Schadenfroh fesselte mich der Satan an einen Verruchten, in dessen Sein mein Ich eindringen, so wie er geistig auf mich einwirken mußte. Seinen scheinbaren Tod, vielleicht das leere Blendwerk des Teufels, mußte ich mir zuschreiben. Die Tat machte mich vertraut mit dem Gedanken des Mordes, der dem teuflischen Trug folgte. So war der in verruchter Sünde erzeugte Bruder das vom Teufel beseelte Prinzip, das mich in die abscheulichsten Frevel stürzte und mich mit den gräßlichsten Qualen umhertrieb. Bis dahin, als Aurelie nach dem Ratschluß der ewigen Macht ihr Gelübde sprach, war mein Innres nicht rein von der Sünde; bis dahin hatte der Feind Macht über mich, aber die wunderbare innere Ruhe, die wie von oben herabstrahlende Heiterkeit, die über mich kam, als Aurelie die letzten Worte gesprochen, überzeugte mich, daß Aureliens Tod die Verheißung der Sühne sei. – Als in dem feierlichen Requiem der Chor die Worte sang: “Confutatis maledictis flammis acribus addictis”, fühlte ich mich erbeben, aber bei dem “Voca me cum benedictis” war es mir, als sähe ich in himmlischer Sonnenklarheit Aurelien, wie sie erst auf mich niederblickte und dann ihr von einem strahlenden Sternenringe umgebenes Haupt zum höchsten Wesen erhob, um für das ewige Heil meiner Seele zu bitten! – “Oro supplex et acclinis cor contritum quasi cinis!” – Nieder sank ich in den Staub, aber wie wenig glich mein inneres Gefühl, mein demütiges Flehen jener leidenschaftlichen Zerknirschung, jenen grausamen, wilden Bußübungen im Kapuzinerkloster. Erst jetzt war mein Geist fähig, das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden, und bei diesem klaren Bewußtsein mußte jede neue Prüfung des Feindes wirkungslos bleiben. – Nicht Aureliens Tod, sondern nur die als gräßlich und entsetzlich erscheinende Art desselben hatte mich in den ersten Augenblicken so tief erschüttert; aber wie bald erkannte ich, daß die Gunst der ewigen Macht sie das Höchste bestehen ließ! – Das Martyrium der geprüften, entsündigten Christusbraut! – War sie denn für mich untergegangen? Nein! jetzt erst, nachdem sie der Erde voller Qual entrückt, wurde sie mir der reine Strahl der ewigen Liebe, der in meiner Brust aufglühte. Ja! Aureliens Tod war das Weihfest jener Liebe, die, wie Aurelie sprach, nur über den Sternen thront und nichts gemein hat mit dem Irdischen. – Diese Gedanken erhoben mich über mein irdisches Selbst, und so waren wohl jene Tage im Zisterzienserkloster die wahrhaft seligsten meines Lebens.

      Nach der Exportation, welche am folgenden Morgen stattfand, wollte Leonardus mit den Brüdern nach der Stadt zurückkehren; die Äbtissin ließ mich, als schon der Zug beginnen sollte, zu sich rufen. Ich fand sie allein in ihrem Zimmer, sie war in der höchsten Bewegung, die Tränen stürzten ihr aus den Augen. “Alles – alles weiß ich jetzt, mein Sohn Medardus! Ja, ich nenne dich so wieder, denn überstanden hast du die Prüfungen, die über dich Unglücklichen, Bedauernswürdigen ergingen! Ach, Medardus, nur sie, nur sie, die am Throne Gottes unsere Fürsprecherin sein mag, ist rein von der Sünde. Stand ich nicht am Rande des Abgrundes, als ich, von dem Gedanken an irdische Lust erfüllt, dem Mörder mich verkaufen wollte? – Und doch! – Sohn Medardus! – verbrecherische Tränen hab ich geweint, in einsamer Zelle, deines Vaters gedenkend! – Gehe, Sohn Medardus! Jeder Zweifel, daß ich vielleicht zur mir selbst anzurechnenden Schuld in dir den freveligsten Sünder erzog, ist aus meiner Seele verschwunden.”

      Leonardus, der gewiß der Äbtissin alles enthüllt hatte, was ihr aus meinem Leben noch unbekannt geblieben, bewies mir durch sein Betragen, daß auch er mir verziehen und dem Höchsten anheimgestellt hatte, wie ich vor seinem Richterstuhl bestehen werde. Die alte Ordnung des Klosters war geblieben, und ich trat in die Reihe der Brüder ein wie sonst. Leonardus sprach eines Tages zu mir: “Ich möchte dir, Bruder Medardus, wohl noch eine Bußübung aufgeben.” Demütig frug ich, worin sie bestehen solle. “Du magst”, erwiderte der Prior, “die Geschichte deines Lebens genau aufschreiben. Keinen der merkwürdigen Vorfälle, auch selbst der unbedeutenderen, vorzüglich nichts, was dir im bunten Weltleben widerfuhr, darfst du auslassen. Die Phantasie wird dich wirklich in die Welt zurückführen, du wirst alles Grauenvolle, Possenhafte, Schauerliche und Lustige noch einmal fühlen, ja es ist möglich, daß du im Moment Aurelien anders, nicht als die Nonne Rosalia, die das Martyrium bestand, erblickst; aber hat der Geist des Bösen dich ganz verlassen, hast du dich ganz vom Irdischen abgewendet, so wirst du wie ein höheres Prinzip über alles schweben, und so wird jener Eindruck keine Spur hinterlassen.” Ich tat, wie der Prior geboten. Ach! – wohl geschah es so, wie er es ausgesprochen! –Schmerz und Wonne, Grauen und Lust – Entsetzen und Entzücken stürmten in meinem Innern, als ich mein Leben schrieb.

      Du, der du einst diese Blätter liesest, ich sprach zu dir von der Liebe höchster Sonnenzeit, als Aureliens Bild mir im regen Leben aufging! – Es gibt Höheres als irdische Lust, die meistens nur Verderben bereitet dem leichtsinnigen, blödsinnigen Menschen, und das ist jene höchste Sonnenzeit, wenn fern von dem Gedanken freveliger Begier die Geliebte wie ein Himmelsstrahl alles Höhere, alles, was aus dem Reich der Liebe segensvoll herabkommt auf den armen Menschen, in deiner Brust entzündet. – Dieser Gedanke hat mich erquickt, wenn bei der Erinnerung an die herrlichsten Momente, die mir die Welt gab, heiße Tränen den Augen entstürzten und alle längst verharschte Wunden aufs neue bluteten.

      Ich weiß, daß vielleicht noch im Tode der Widersacher Macht haben wird, den sündigen Mönch zu quälen, aber standhaft, ja mit inbrünstiger Sehnsucht erwarte ich den Augenblick, der mich der Erde entrückt, denn es ist der Augenblick der Erfüllung alles dessen, was mir Aurelie, ach! die heilige Rosalia selbst, im Tode verheißen. Bitte – bitte für mich, o heilige Jungfrau, in der dunklen Stunde, daß die Macht der Hölle, der ich so oft erlegen, nicht mich bezwinge und hinabreiße in den Pfuhl ewiger Verderbnis!

      Nachtrag des Paters Spiridion, Bibliothekar des Kapuzinerklosters zu B.

      In der Nacht vom dritten auf den vierten September des Jahres 17** hat sich viel Wunderbares in unserm Kloster ereignet. Es mochte wohl um Mitternacht sein, als ich in der neben der meinigen liegenden Zelle des Bruders Medardus ein seltsames Kichern und Lachen und währenddessen ein dumpfes, klägliches Ächzen vernahm. Mir war es, als höre ich deutlich von einer sehr häßlichen, widerwärtigen Stimme die Worte sprechen: “Komm mit mir, Brüderchen Medardus, wir wollen die Braut suchen.” Ich stand auf und wollte mich zum Bruder Medardus begeben, da überfiel mich aber ein besonderes Grauen, so daß ich wie von dem Frost eines Fiebers ganz gewaltig durch alle Glieder geschüttelt wurde; ich ging demnach statt in des Medardus Zelle zum Prior Leonardus, weckte ihn nicht ohne Mühe und erzählte ihm, was ich vernommen. Der Prior erschrak sehr, sprang auf und sagte, ich solle geweihte Kerzen holen und wir wollten uns beide dann zum Bruder Medardus begeben. Ich tat, wie mir geheißen, zündete die Kerzen an der Lampe des Muttergottesbildes auf dem Gange an, und wir stiegen die Treppe hinauf. Sosehr wir aber auch horchen mochten, die abscheuliche Stimme, die ich vernommen, ließ sich nicht wieder hören. Statt dessen hörten wir leise liebliche Glockenklänge, und es war so, als verbreite sich ein feiner Rosenduft. Wir traten näher, da öffnete sich die Türe der Zelle, und ein wunderlicher großer Mann mit weißem, krausen Bart, in einem violetten Mantel, schritt heraus; ich war sehr erschrocken, denn ich wußte wohl, daß der Mann ein drohendes Gespenst sein mußte, da die Klosterpforten fest verschlossen waren, mithin kein Fremder eindringen konnte; aber Leonardus schaute ihn keck an, jedoch ohne ein Wort zu sagen. “Die Stunde der Erfüllung ist nicht mehr fern”, sprach die Gestalt sehr dumpf und feierlich und verschwand in dem dunklen Gange, so daß meine Bangigkeit noch stärker wurde und ich schier hätte die Kerze aus der zitternden Hand fallenlassen mögen. Aber der Prior, der ob seiner Frömmigkeit und Stärke im Glauben nach Gespenstern nicht viel fragt, faßte mich beim Arm und sagte: “Nun wollen wir in die Zelle des Bruders Medardus treten.” Das geschah denn auch. Wir fanden den Bruder, der schon seit einiger Zeit sehr schwach worden, im Sterben, der Tod hatte ihm die Zunge gebunden, er röchelte nur noch was weniges. Leonardus blieb bei ihm, und ich weckte die Brüder, indem ich die Glocke stark anzog und mit lauter Stimme rief: “Steht auf! – steht auf! – Der Bruder Medardus liegt im Tode!” Sie standen auch wirklich auf, so daß nicht ein

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