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gebeugt. »Zwei Sahibs kamen herunter in einem Feuerwagen. Ich lief in der Dunkelheit hin und her an dieser Seite der Pferdewagen, als der Feuerwagen langsam auf und ab fuhr. Sie griffen zwei Männer, unter diesem Viehwagen hockend, – Hajji, was soll ich mit diesem Klumpen Tabak machen, ihn in Papier wickeln und unter den Salzbeutel legen? Ja – und schlugen sie nieder. Aber der eine führte mit einem Fakir-Bockhorn (Kim meinte den aus Hörnern zusammengefügten Schild, die einzige Waffe der Fakire) einen Streich gegen einen Sahib, und das Blut floß. Der andere Sahib, nachdem er seinen Mann bewußtlos hingestreckt, traf den Mörder mit einer kurzen Flinte, die aus des ersten Mannes Hand gefallen war. Sie wüteten alle wie wahnsinnig gegeneinander.«

      Mahbub lächelte mit himmlischer Resignation. »Nun dies ist nicht sowohl Dèwanee (bedeutet: Wahnsinn, oder: ein Fall für das Zivil-Gericht, ein Wortspiel, auf beide Fälle anwendbar), als vielmehr Nizamut (ein Kriminal-Fall). Eine Flinte, sagst Du? Das gibt gute zehn Jahre Gefängnis.«

      »Dann lagen sie beide still; ich glaube, sie waren beinahe tot, als man sie auf einen Zug brachte. Ihre Köpfe baumelten ›so‹. Und es ist viel Blut auf dem Wege. Komm und sieh.«

      »Blut kenne ich so schon. Das Gefängnis ist sicher. Und sicher werden sie falsche Namen angeben, und sicher wird man sie sobald nicht finden. Es waren nicht gerade meine Freunde. Dein Schicksal und das meine sind, scheint es, an einem Strang. Nun rasch vorwärts mit den Satteltaschen und dem Kochgeschirr. Wir wollen die Pferde ausladen und fort nach Simla.«

      Eilig – was Orientalen unter Eile verstehen – mit langen Auseinandersetzungen, mit Schimpfen und losem Geschwätz, sorglos und mit Aufenthalt um hundert vergessene Kleinigkeiten wurde das unordentliche Lager abgebrochen und das halbe Dutzend steifer und launenhafter Pferde die Kalka-Straße entlang getrieben, in die regenfeuchte Dämmerung hinein. Kim, als Mahbubs Günstling behandelt von denen, die mit dem Pathan sich gut stellen wollten, wurde nicht zur Arbeit herbeigerufen. Im bequemen Schritt zog die Karawane dahin, bei jeder Raststelle am Wege haltend. Viele Sahibs reisen auf der Kalka-Straße und, wie Mahbub Ali sagte, jeder junge Sahib hält es für notwendig, sich als Pferdekenner auszugeben, und sind sie auch bis über die Ohren in Schulden, so tun sie doch, als ob sie kaufen wollten. Deshalb hielt Sahib auf Sahib seine Landkutsche an und eröffnete eine Unterredung. Einige stiegen ab und befühlten die Füße der Pferde, stellten alberne und häufig aus bloßer Unkenntnis des Dialekts gröblich beleidigende Fragen an den unerschütterlichen Roßkamm.

      »Als ich zuerst mit Sahibs zu tun hatte, und das war zur Zeit, als Oberst Soady Sahib Gouverneur von Fort Abazai war, und aus Schabernack – des Kommissars Lagerplatz unter Wasser setzte,« sprach Mahbub zutraulich zu Kim, der ihm die Pfeife unter einem Baume füllte, »wußte ich noch nicht, wie große Narren sie waren und geriet oft in Zorn. So wie einmal –,« er erzählte Kim ein Geschichtchen von einem in aller Unschuld verkehrt angewandten Ausdruck, das diesen in stürmische Heiterkeit versetzte – »Jetzt weiß ich,« – er blies behäbig den Rauch aus – »jetzt weiß ich, sie sind wie alle Menschen, klug in manchen Dingen, in anderen sehr töricht. Sehr töricht ist es, ein verkehrtes Wort gegen einen Fremden anzuwenden; denn weiß auch das Herz nichts von einer Beleidigung, wie soll der Fremde das ahnen? Er sucht die Wahrheit eher mit einem Dolch.«

      »Wahr. Wahre Rede,« sprach Kim feierlich. »Narren sprechen von einer Katze, z. B. wenn eine Frau in die Wochen kommt. Ich hörte das.«

      »Deshalb, in welcher Lage Du auch sein magst, eines mußt Du immer beobachten mit zweierlei Gesicht: Unter Sahibs nie vergessen, daß Du ein Sahib bist; unter dem Volk von Hind immer gedenken, daß Du –« er hielt mit verlegenem Lächeln inne.

      »Was ich bin? Muselmann, Hindu, Jain oder Buddhist? Das ist eine harte Nuß.«

      »Du bist ohne Frage ein Ungläubiger und wirst dafür verdammt werden. So sagt mein Gesetz – oder ich glaube, daß es so sagt. Aber Du bist auch mein kleiner Allerweltsfreund, und ich habe Dich lieb, – so sagt mein Herz. Es ist mit Glaubenssachen, wie mit Pferdefleisch. Der gescheite Mann weiß, Pferde sind wertvoll, es ist mit allem Profit zu machen; und ich, der ich ein guter Sunnit (Sekte, orthodoxe Moslim) bin und die Männer von Tirah hasse – ich glaube, daß es dasselbe ist, mit allen Religionen. Versetze eine Kattiwar-Stute aus ihrem sandigen Geburtsland nach dem westlichen Bengalen, und sie wird lahmen, so gut, wie ein Balkischer Hengst (und es gibt keine besseren Pferde als die balkischen, wenn sie nur nicht so schwer in den Schultern wären) in den großen Nordischen Wüsten gegen Schnee-Kamele, die ich gesehen habe, nicht mehr aufkommt. Jedes hat seine Vorzüge in seinem eigenen Lande.«

      »Aber mein Lama sprach ganz anders.«

      »Oh, er ist ein alter Träumer vom Bhotiyal. Mein Herz ist etwas erzürnt, Freund aller Welt, daß Du so viel Wert in diesem Manne siehst, den man so wenig kennt.«

      »Mag wohl sein, Hajji, aber ich sehe einen Wert, und mein Herz fühlt sich zu ihm hingezogen.«

      »Und seines zu Deinem, so höre ich. Herzen sind gleich Pferden. Sie kommen und gehen gegen Gebiß und Sporen. Rufe Gul Sher Khan dort zu, er solle den Anbindepflock des grauen Hengstes fester einschlagen. Wir wollen nicht an jedem Halteplatz eine Pferdeschlacht haben, und der Dunkelbraune und der Schwarze müssen getrennt stehen… Nun höre mich. Ist es notwendig für die Ruhe Deines Herzens, den Lama zu sehen?«

      »Es ist eine meiner Bedingungen. Wenn ich ihn nicht sehe, wenn er mir genommen wird, verlasse ich die Madrissah in Nucklao und, und – einmal fort, wer soll mich finden?«

      »Wahr. Nie wurde ein Füllen an dünnerer Hufleine gehalten als Du.« Mahbub nickte mit dem Kopf.

      »Sei ohne Furcht.« Kim sprach, als könnte er jeden Augenblick in Luft verschwinden. »Mein Lama sagte, er würde nach der Madrissah kommen, um mich zu sehen –«.

      »Ein Bettler mit der Bettelschale, in Gegenwart dieser jungen Sa –«

      »Nicht alle sind es!« schnaubte Kim dazwischen. »Vielen von ihnen schimmern die Augen bläulich, und ihre Nägel sind geschwärzt von minderkastigem Blut. Söhne von Metheranees, verschwägert mit Bhungis (Auskehrer).«

      Wir wollen den Stammbaum nicht weiter verfolgen; Kim legte seinen Fall klar, ohne Hitze, ein Stück Zuckerrohr kauend.

      »Freund aller Welt«, sprach Mahbub, dem Knaben seine Pfeife zur Reinigung hinhaltend, »ich habe viele Männer, Weiber und Knaben gekannt und nicht wenige Sahibs. In all meinen Tagen aber keinen Dämon getroffen, wie Du einer bist.«

      »Und wie das? Da ich Dir stets die Wahrheit sage –?«

      »Vielleicht eben deshalb, denn dies ist eine Welt voll Gefahren für ehrliche Leute.« Mahbub erhob sich schwerfällig, gürtete sich und ging zu den Pferden hinüber.

      »Oder verkaufe –«

      Es war ein Ton in Kims Stimme, der Mahbub halten und sich umwenden machte. »Welch neue Teufelei?«

      »Acht Annas, und ich will reden,« sagte Kim grienend. »Es betrifft Deinen Frieden.«

      »Oh, Shaitan!« (Satan.) Mahbub gab das Geld.

      »Erinnerst Du Dich der kleinen Angelegenheit mit den Dieben, damals in der Nacht, zu Umballa?«

      »Da sie mein Leben suchten, habe ich sie nicht gänzlich vergessen. Warum?«

      »Erinnerst Du Dich des Kashmir-Serai?«

      »Sahib, ich werde Dich gleich am Ohr haben!«

      »Nicht nötig, Pathan. Nur der zweite Fakir, den die Sahibs beinahe erschlagen hätten, war der Mann, der Deinen Bretterverschlag zu Lahore durchsuchte. Ich sah sein Gesicht, als man ihm auf die Maschine half.«

      »Warum sagtest Du das nicht gleich?«

      »Oh, er wandert ins Gefängnis und ist für einige Jahre fest. Wozu mehr als notwendig zur Zeit erzählen? Außerdem, ich hatte nicht früher Geld für Zuckerwerk nötig.«

      »Allah Kerim!« rief Mahbub. »Willst Du nicht nächstens meinen Kopf verkaufen, wenn Dich die Lust nach Zuckerwerk anwandelt?«

      Kim wird bis ans Ende seines Lebens sich dieser

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