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es zu bereuen hatte – und schlenderte langsam vorwärts.

      Der Lama folgte ihm. Den ganzen Tag, wenn immer sie einen Fluß trafen, hatte er sich gewendet, ihn zu betrachten, aber bei keinem war ihm ein Zeichen geworden. Unwillkürlich auch waren seine Gedanken etwas von der Suche abgezogen durch das Behagen, sich in angemessener Sprache unterhalten zu können und von einer Frau von edler Herkunft sich geziemend gewürdigt und als ihr geistlicher Berater respektiert zu sehen. Und dann war er ja vorbereitet, noch Jahre in Gelassenheit seiner Suche zu weihen. Von der Ungeduld des weißen Mannes besaß er nichts, beseelt wie er war von seinem tiefen Glauben.

      »Wohin gehest Du?« rief er Kim nach.

      »Nirgendwo hin; es war ein kurzer Marsch und all dieses« – Kim bewegte seine Hand durch die Luft – »ist mir neu.«

      »Sie ist ohne Zweifel eine weise und scharfsinnige Frau. Aber es hält schwer, nachzudenken, wenn – –«

      »Alle Frauen sind so.« Kim sprach, als wäre er der weise Salomo.

      »Vor der Lamaserai befand sich eine breite Terrasse von Stein,« murmelte der Lama, den abgenutzten Rosenkranz drehend, »da wandelte ich auf und ab mit meinem Rosenkranz, und sie trägt die Spuren meiner Füße.«

      Er ließ die Perlen klappern und begann das »Om mane padme hum« seiner Andacht, dankbar für die Kühle, die Stille und das Fehlen des Staubes.

      Kims müßige Augen schweiften über die flache Ebene, ohne Zweck und Ziel; nur, daß die Bauart der nahen Hütten ihm neu schien und seine Aufmerksamkeit fesselte. Sie hoben sich ab von einem im Lichte des Nachmittags braun und purpurn schimmernden Weidegründe mit einer mächtigen Gruppe von Mangos im Mittelpunkte. Dem Knaben schien es sonderbar, daß kein Schrein auf einem so angemessenen Platze stand; er beobachtete solche Dinge so scharf, wie irgend ein Priester. Weit über die Ebene her, klein in der Entfernung, kamen Seite an Seite vier Männer. Kim schaute scharf durch die gekrümmte Hand und gewahrte das Blinken von Metall.

      »Soldaten. Weiße Soldaten!« sagte er. »Laß uns sehen.«

      »Es sollen immer Soldaten sein, wenn Du und ich allein zusammen gehen. Aber ich habe die weißen Soldaten nie gesehen.«

      »Sie sind nicht schlimm, nur, wenn sie betrunken sind. Bleib hinter diesem Baum.«

      Sie traten hinter die dicken Stämme in das kühle Dunkel der Mangogruppe. Zwei kleine Gestalten machten Halt; die anderen traten unsicher vorwärts. Sie waren die Vorhut eines auf dem Marsch begriffenen Regiments, wie üblich, vorausgeschickt, um das Lager abzustecken. Sie trugen fünf Fuß lange Stäbe mit flatternden Flaggen und riefen einander an, wenn sie sich auf der Ebene verteilten. Endlich traten sie schweren Schrittes unter die Mangobäume.

      »Hier oder hier herum soll es sein – die Offiziers-Zelte unter den Bäumen, wir anderen draußen. Ist der Platz für die Bagagewagen abgeteilt?«

      Sie riefen den Kameraden in der Entfernung wieder zu, und die laute Antwort kam gedämpft zurück.

      »Stoßt die Flaggenstange hier ein,« befahl einer.

      »Was bereiten sie vor?« fragte der Lama verwundert. »Dies ist eine große und schreckliche Welt. Welche Devise trägt die Fahne?«

      Ein Soldat stieß, einige Fuß entfernt von ihnen, die Stange in den Grund, knurrte unzufrieden, zog sie wieder heraus, trug sie seinem Gefährten zu, der sich den beschatteten, grünen Platz ansah und sie zurück brachte.

      Kim starrte mit aufgerissenen Augen, kurz und schwer durch die Zähne atmend. Die Soldaten stampften weiter in den Sonnenschein.

      »Oh, Heiliger!« keuchte Kim, »mein Horoskop! Die Zeichnung im Staube des Priesters in Umballa! Erinnerst Du Dich, was er sagte? Erst kommen zwei – Ferashes – (Diener für die Zelte) um alles vorzubereiten – auf einen dunklen Platz, wie es immer beim Beginn einer Vision ist.«

      »Aber dies ist Keine Vision,« sprach der Lama. »Es ist ein Blendwerk der Welt, nichts weiter.«

      »Und nach ihnen kommt der Stier – der Rote Stier auf grünem Feld. Schau! Da ist er!«

      Er zeigte nach der Fahne, die nicht zehn Fuß weit, im Abendwinde hin und her klappte. Es war nur eine gewöhnliche Lager-Abgrenzungsfahne, aber das Regiment, immer peinlich genau in Nadelarbeit-Sachen, hatte sie mit der Devise des Regiments versehen lassen, dem Roten Stier – dem Abzeichen der Mavericks – dem großen Roten Stier auf einem Hintergrunde von irischem Grün.

      »Ich sehe, und nun erinnere ich mich,« sprach der Lama. »Gewiß, es ist Dein Stier. Gewiß auch kamen die beiden Männer, um alles bereit zu machen.«

      »Es sind Soldaten – weiße Soldaten. Was sagte der Priester? Das Banner des Stieres von Anfang bis zu Ende bedeutet Krieg und Bewaffnete. Heiliger, dies gilt meiner Suche.«

      »Wahr. Es ist wahr.« Der Lama blickte starr nach dem Wappen, das rot im Zwielicht schimmerte.

      »Der Priester zu Umballa sprach, Dein Zeichen wäre das des Krieges.«

      »Was sollen wir nun beginnen?«

      »Warten. Laß uns warten.«

      »Selbst die Dunkelheit klärt nun auf,« sagte Kim. Es war nur natürlich, daß die Strahlen der untergehenden Sonne, durch die Baumzweige brechend, den Mango-Hain minutenlang mit sanftem Goldlicht füllten; für Kim aber war dies die Krönung der Prophezeiung des Brahmanen von Umballa.

      »Horch!« sagte der Lama, »da wird in der Ferne eine Trommel geschlagen.«

      Anfänglich klang der Ton schwach durch die stille Luft, wie das Klopfen einer Arterie im Kopfe, bald gesellte sich ein schärferer dazu.

      »Ah! Die Musik,« erklärte Kim. Er kannte den Klang von Militär-Musik, den Lama erschreckte er.

      Am Ende der Ebene ward eine lange, staubige Kolonne sichtbar. Der Wind trug jetzt die Klänge deutlicher herbei, schrille Pfeifen wurden hörbar. Es war das Musik-Corps der Mavericks, das das Regiment ins Lager spielte. Die Leute waren auf der Marschroute mit der Bagage. Die wellenförmige Kolonne bewegte sich jetzt in der Ebene vorwärts, sich links und rechts teilend, schwirrend wie ein Ameisenhaufen und eine Reihe Wagen am Schlusse.

      »Aber dies ist Zauberei!« rief der Lama.

      Die Fläche punktierte sich mit Zelten, die aus den Wagen gleich fertig heraus zu wachsen schienen. Ein anderer Trupp Männer überschwemmte den Hain, schlug schweigend ein ungeheures Zelt auf, daneben noch acht oder neun kleinere, brachte Kochtöpfe, Pfannen und Bündel ans Tageslicht, die von einer Schar eingeborener Diener in Empfang genommen wurden, und den Lauschern schien der Mango-Hain bald in eine geordnete Stadt umgewandelt.

      »Laß uns gehen,« sprach der Lama, ängstlich rückwärts drängend, als die Feuer flammten und weiße Offiziere mit klirrenden Degen das Meß-Zelt betraten.

      »Bleibe im Schatten stehen. Hinter dem Licht eines Feuers kann niemand sehen«, sagte Kim, mit den Blicken an der Fahne haftend. Zum erstenmal konnte er beobachten, wie ein geübtes Regiment in dreißig Minuten ein Lager aufschlägt.

      »Sieh! sieh! sieh!« gluckste der Lama, »dort kommt ein Priester.«

      Es war Bennet von der englischen Kirche, Kaplan des Regiments, in staubigem Schwarz daher hinkend. Einer aus seiner Schar hatte eine boshafte Bemerkung über die feurige Geschwindigkeit des Kaplans gemacht, und ihn zu beschämen war Bennet den ganzen Tag Schritt für Schritt mit den Soldaten marschiert. Das schwarze Gewand, das goldene Kreuz an der Uhrkette, sein bartloses Haupt mit dem weichen schwarzen Schlapphut kennzeichneten ihn genügend als »heiligen Mann« über ganz Indien. Er ließ sich in einen Feldstuhl an der Tür des Meßzeltes fallen und warf seine Stiefel ab. Drei oder vier Offiziere umstanden ihn und lachten und scherzten über seine Heldentat.

      »Die Rede der weißen Männer ermangelt jeder Würde«, sprach der Lama, der nur nach dem Ton der Stimmen urteilte. »Aber des Priesters Gesicht habe ich beobachtet und ich glaube, er ist kenntnisreich. Wahrscheinlich versteht er unsere Sprache. Ich möchte von meiner Sache zu ihm reden.«

      »Sprich

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